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Ausgabe:

1967

Spalte:

779-781

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte 1967

Rezensent:

Dinkler- von Schubert, Erika

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 10

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senen Überinterpretationen werden einer nüchterneren Betrachtungsweise
weichen, aber dem hier vertretenen Anliegen wird
die Forschung künftig ihre Aufmerksamkeit widmen müssen.
Jede echte Kritik aber ist positiv zu verstehen und Zeichen für
die innere Auseinandersetzung mit den Problemen des Buches,
und dafür ist jeder Kritiker dankbar.

Jena Hanna J u r s c h

Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, begonnen von
O. Schmitt t, fortgeführt von E. Gall t und H. M. Frhr. v.
Erffa, hrsg. v. L. H. Heydenreich und K. A. Wirth.
Bd. V, Lfg. 56-59. Sp. 898-1407 m. Abb. Stuttgart: Druckmüller
1965/66.

Nach längerer Pause, entstanden durch Wechsel in der Redaktion
, können wieder neue Lieferungen des Lexikons besprochen
werden. Kernstück bildet diesmal der große Artikel Erde
(Sp. 997-1104) von K. A. Wirth, dem verdienstvollen, jetzt alleinigen
Herausgeber. Umfangreiches und komplexes Material
wird, methodisch vorbildlich gruppiert, zugänglich gemacht; der
Rückgriff auf die Begriffsgeschichte läßt zugleich einen Beitrag
zur Geschichte des Weltbildes entstehen.

Der 1. Teil des Artikels ist den Voraussetzungen in Antike
und Bibel gewidmet, die für die Erd-Darstellungen des MA wichtig
wurden, einschließlich der literarischen Grundlagen. Die
Bibel (Sp. 1016) wirkt bes. durch Anschauungen, die an 1. Mose
1 f u. 8, 21 anknüpfen. Folgenreich sind ferner die n a t u r -
w i s s. Voraussetzungen, die aus der Antike übernommen werden
: schematische Demonstrationsfiguren (Abb. 9 a u. b) dienen
im Bereich von Elementenlehre und Kosmologie der Veranschaulichung
von Wissenstatsachen und werden fast unverändert
durchs ganze MA tradiert. Von kartographischen E.Darstellungen
wird die sog. Noachidenkarte (orbis tripartitus)
besprochen und reale E.-Bilder, z. B. Weltkarte des Kosmas In-
dikopleustes. Wichtig sind die wenigen Illustrationen in me-
dizin.-pharmazeutischen Hss, da aus ihnen „kontinuierliche
Überlieferung eines spätantiken Bildtypus ins MA"
erschlossen werden kann. Hier werden grundsätzliche Fragen
der Bedeutung der Buchmalerei als Vermittlerin antiker Typen
berührt (Sp. 1029). - Im 2. Teil, der das MA und dessen komplexen
Reichtum an E.-Bildern behandelt, ist ein Sonder abschnitt
dem Thema Christus und die E. gewidmet (Sp. 1082 f). -
Grundlegend wandelt sich das Bild im Spät-MA infolge der
neuen Art der Naturbetrachtung und der „einschneidenden Veränderungen
des naturwissenschaftlichen Weltbildes". Die Verbindung
mit religiösen Themen tritt zurück, das Erdbild wird
„materialisiert"; bezeichnend ist u. a., daß die Vergabe der E.
als Attribut nicht mehr auf Christus beschränkt ist. Für die
Neuzeit handelt es sich weitgehend um Darstellungen der E.
als Element (RDK IV, 1256 ff) oder auch um Erdteile, ein
Thema, das im anschließenden Artikel behandelt wird (Sp. 1107-
1212; E. Koellmann-K. A. Wirth).

Unter den. christologischen Themen ist hervorzuheben
Erscheinungen Christi (Sp. 1291-1391; I. Haug),
d. h. E. des Auferstandenen zwischen Ostern und Pfingsten
(ohne Noli me tangere, Emmaus, Ungläubiger Thomas). Folgenreich
für die Ikonographie ist die mangelnde Übereinstimmung
der Quellen in Bibel und Apokryphen hinsichtlich
Zahl, Chronologie, Ort der E. Bei Autoren des MA variiert die
Zahl zwischen 10-14, Ignatius v. Loyola zählt 12. Einflußreich
für die Häufigkeit der Darstellung ist die Liturgie; die als Meß-
perikopen aufgenommenen Bibeltexte werden in Übersicht gegeben
(Sp. 1294). - Zu den einzelnen Bildthemen werden jeweils
die Texte erörtert, wo nöüg auch die typologische Deutung
. Am wichtigsten sind E. vor den Elf (Joh. 20, 19/30; Apg;
1. Kor.) und E. am See Tiberias (Joh. 21, 1-23), wobei die Unterschiedlichkeit
der bibl. Berichte, bzw. der Motivreichtum des
Textes sich auf die Bildgestaltung auswirken. - Allgemein
könnte für die Gliederung und Klärung der Themen einschlägige
theol. Literatur herangezogen werden, bes. R. Bultmann,

Synop. Tradition, 19312, 312 f; Ders. Das Ev. des Joh., 1953,
546, Anm. 4; 534, Anm. 5). - Daß die Gleichsetzung Jacobus,
Herrenbruder und Apostel Jacobus, Sohn des Alphäus „bereits
Gal. I, 19 vorgenommen" sei (Sp. 1321) kann nicht behauptet
werden. (H. Schlier, Der Brief an die Gal., 1951, 31; RGG3 III,
525 f). - Zu Sp. 1296, Nr. 2: Der oberste Mosaikfries in S. Apol-
linare Nuovo, Ravenna gehört der Zeit Theoderichs d. Gr., also
vor 536 an. - Sp. 1302, Nr. 23: Das Antiphonar aus St. Peter,
Salzburg befindet sich jetzt in Wien, Österr. Nat. - Bibl., Ser.
nov. 2700.

In den Bereich der Sepulkralkunst führt der umfangreiche
Artikel Epitaph (Sp. 872-931; P. Schoenen), ein Thema,
das die sich wandelnden Formen des Totengedächtnisses anschaulich
werden läßt. Über das Kunstgeschichtliche hinaus (Geschichte
des Bildnisses) sind E. wichtig als Reflex der Gemeindefrömmigkeit
und der seit der Renaissance hervortretenden „Wertung
des Einzelmenschen"; die Gestalt des Verstorbenen rückt
immer stärker in den Vordergrund, biblische Bilder treten zurück
, seit dem 17. Jh. setzt sich profane Darstellung durch. Seit
dem 19. Jh. löst sich das Totengedächtnis von der Kirche und
wendet sich das Interesse stärker der Grabmal-Gestaltung auf
Friedhöfen zu (Ergänzend hierzu: RGG3 II, 1143ff).

Von bes. Bedeutung für die Geschichte der Frömmigkeit
ist der Artikel Erbauungsbuch (Sp. 951-984;
R. Hiepe), der ausgiebig theolog. Literatur heranzieht. Ein eigener
Abschnitt ist dem protestantischen Bereich gewidmet.

Ausgehend vom ntl. oikodomein wird die Geschichte
des Begriffs Erbauung (I) verfolgt, der im heute üblichen
Sinn erst bei Seb. Frank erscheint. Gewandelt unter dem
Einfluß der Aufklärung (Kant), weitet er sich im 19. Jh. aus;
das Verständnis des 20. Jh.s ist von konfessionellen Anschauungen
mitbedingt. Bebilderte Ausgaben von E.-Büchern
(II) sind, im Verhältnis zur Verbreitung der E., gering an Zahl.
Selten werden Bildzyklen eigens entworfen; vielmehr werden
Anleihen bei Büchern verwandter Art gemacht um durch niedrigen
Preis weite Verbreitung zu sichern. Daß aber die Rolle
des Bildes nicht unwesentlich ist, beweisen als Einzelblätter vertriebene
Einlegebilder, die nach freiem Ermessen des Lesers den
Text ergänzen sollen. Interessant als Illustrations-Typus ist bes.
der emblematische, mit enger Verbindung von Text und Bild,
wobei dieses in verschlüsselter Form den Inhalt des Textes zusammenfaßt
. Für die Entstehung der E. (III) ist der Frömmigkeitswandel
im späten MA entscheidend; das E. entspricht den
Bedürfnissen der Individualfrömmigkeit. In der Gegenrc-
mation (IV) werden die E. Mittel der propagatio fidei, vonseiten
der Jesuiten im Text konsequent gestrafft, wobei das
Exerzitienbuch des Ignatius v. Loyola vorbildlich ist. Ein neuer,
gedankenbeladener Typus des illustrierten E. wird ausgebildet.
Bahnbrechend sind Antwerpener Drucker und Stecher, deren fast
ausnahmslos emblematisch illustrierte Werke eine über die Konfessionen
hinwegreichende „allgemeinverbindliche Bildersprache
geschaffen haben, die fast 2 Jh.e lang verständlich blieb". Im
Unterschied hierzu hat der Protestantismus (V) „nie über einen
größeren Stamm von E. verfügen können", und keine verbindliche
Bildersprache entwickelt. Reicher sind nur die emblema-
tischen Werke. Von ihnen ist klassisch geworden Joh. Arndts
„Vom wahren Christentum", das einzige protest. E. das in seiner
Wirkung neben die berühmten Antwerpener E. zu stellen
ist. Sein Bilderzyklus wird bis ins 19. Jh. fast unverändert wiederholt
. Eine zahlenmäßig stattliche Gruppe von E., beeinflußt
durch katholische Werke, hat nur noch Holland geschaffen. Im
18. Jh. (VI) werden die konfessionellen Grenzen überwunden
(„Gebetbuch für alle Christen zur Erbauung im Geiste", Pressburg
, o. J); die Illustration zeigt Wechselwirkung zwischen
kath. u. prot. E. - Neuen Auftrieb erhält die Produktion von
E. in der Romantik (VII), z. T. unter Mitwirkung bedeutender
Künstler (Schnorr v. CaroIsfeld). Die Konzeption ist betont didaktisch
; das Bild hat eigene Bedeutung als Mittel religiöser
Erweckung und Vertiefung.