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Ausgabe:

1967

Spalte:

765-768

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Cyrillo-methodiana 1967

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Fast alle hier vereinigten Arbeiten weisen J. nicht nur als
behutsamen Exegeten, sondern vor allem und erneut als hervorragenden
Kenner des palästinischen Judentums, sedner Sprache
, seiner Literatur, seiner Religion und Kultur aus. Nur wenige
Aufsätze wie die zur Logienquelle, zu Perikopen-Umstel-
lungen bei Lukas, zur Deutung des Gleichnisses vom Unkraut
unter dem Weizen und zum Chiasmus in den Paulusbriefen berühren
dieses Thema überhaupt nicht. In allen übrigen Beiträgen
macht sich das intensive Bemühen geltend, exegetische und
historische Probleme durch die Erhellung des palästinisch-jüdischen
Hmdergrundes in oft überraschender Weise zu lösen. Kaum
ein anderer Exeget ist von seinen Voraussetzungen her dazu so
sehr befugt wie J. Und in der Tat zeigen seine oft diffizilen
Untersuchungen, welch fruchtbares und weites Arbeitsfeld hier
der Forschung noch immer aufgetragen ist. Freilich hat sich J.
mit seinen so gewonnenen Ergebnissen nicht in jedem Falle
durchzusetzen vermocht Die Akribie der Einzelforschung verbindet
sich mit einer oft erstaunlichen Hypothesenfreudigkeit,
die gerade Linien auch dort v/ahrnimmt, wo der kritische Leser
noch Zwischenglieder vermuten bzw. andere Faktoren mitberücksichtigt
sehen möchte. Das kann schon im Detail zu eigenwilligen
Ergebnissen führen. Der Schlußvers Mk. 14, 9 wird in zwei
Teile, einen dem palästinischen und einen dem hellenistischen
Bereich entstammenden zerrissen. Das bekannte Logion Mt 7, 6a
wird nach Rückgang auf das Aramäische folgendermaßen wiedergegeben
: „Legt den Hunden keinen Ring an, und hängt eure
Perlen (schnüre) nicht an die Rüssel der Schweine". Unberücksichtigt
bleibt dabei die Fortsetzung V. 6b: „damit sie sie nicht
mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen
". Diese Reaktion ist nur als Folge von Enttäuschung verständlich
, die jedoch in dem von J. eruierten Urtext keinen Platz
hat. Methodisch kann man jedenfalls nicht an V. 6b vorübergehen
, wenn die Urgestalt von V. 6a ermittelt werden soll. Bleibt
hier schon im Detail eine bemerkenswerte Lücke, so noch viel
mehr im großen Rahmen, insofern zur Erhellung des zeitgenössischen
Hintergrundes neutestamentlicher Texte neben dem palästinischen
das hellenistische Judentum so gut wie überhaupt
keine Berücksichtigung findet. Hier droht nun doch eine Horizontverengung
, die Fragezeichen setzen läßt. Die Bestimmtheit
etwa, mit der J. das bloße "äxsg in der lukanischen Vater-Unser
Fassung gegenüber Mt. 6, 9 für ursprünglich hält, verliert sofort
an Gewicht, wenn man bedenkt, daß im Bereich des hellenistischen
Judentums Gott unter griechischem Einfluß auch mit einfachem
JiäteQ angeredet wurde. Fügt sich das nicht sehr gut zu
der Erkenntnis von J., daß die lukanische Fassung ihrem Wortlaut
zufolge das Gebet einer heidenchristlichen Gemeinde ist?
Kann man andrerseits mit J. in Rom. 8, 15 und Gal. 4, 6 einfach
ein Echo auf Jesu Gebetssprache sehen? Werden hier nicht Zwischenstufen
der Tradition allzu rasch übersprungen und eine
Nähe zum historischen Jesus gesucht, die so leicht nun doch
nicht zu gewinnen ist? Diese Beispiele sollen wenigstens andeuten
, in welcher Richtung die Fragen liegen, die die Arbeitsweise
von J. provoziert.

Jeder Fachmann wird die Veröffentlichung dieses Sammelbandes
mit großer Dankbarkeit begrüßen. Indem er zu kritischem
Nachdenken anregt, erweist er sich als aktuelles exegetisches
Rüstzeug, dem im Arsenal moderner Exegese ein fester
Platz gebührt. Autoren- und Stellenregister erhöhen die Brauchbarkeit
des Buches.

Leipzig Günter Haufe

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Cyrillo - Methodiana. Zur Frühgeschichte des Christentums
bei den Slaven 863-1963. Im Auftrage der Görres-Gesell-
schaft hrsg. v. M. Hell mann, R. Olesch, B. Sta-
siewski, F. Zagiba. Köln-Graz: Böhlau 1964. VIII, 505S.,
34 Taf., 2 Faltktn. gr. 8° = Slavistische Forschungen, hrsg.
v. R. Olesch, 6. Lw. DM 86.-.

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Es ist sehr zu begrüßen, daß anläßlich der Erinnerungsfeiern
zum Auszug der Slavenlehrer Cyrill und Method nach Mähren,
dessen auch in dieser Zeitschrift gedacht worden ist (vgl. ThLZ
88, 1965, Sp. 641-656), dieser Band namhafter internationaler
Forscher erschienen ist. Ihre Beiträge geben zugleich einen
Überblick über den Stand der cyrillo-methodianischcn Forschung.
Im I. Abschnitt: Geschichtliche und kirchengeschichtliche Studien
(S. 1-328) finden sich folgende Beiträge: K. Bosl, München
: „Probleme der Missionierung des böhmisch-mährischen
Herrschaftsraumes" untersucht die „kirchenslawisch-byzantinische
", die „römisch-lateinisch-westliche" und die „reichskirchlich
-fränkisch-bayrische Seite" des ganzen Fragenkomplexes.
V. Burr, Bonn: „Anmerkungen zum Konflikt zwischen Methodius
und den bayerischen Bischöfen" (S. 39-56) geht den juristischen
und jurisdiktionellen Fragen des Methodiusprozesses
nach. P. Devos, Brüssel, und P. Meyvaert, Isle of Wight:
„La date de la premiere redaction de la 'Legende Italique"
(S. 57-61) beschäftigen sich nochmals mit der Legenda Italica
und steuern neue interessante Beobachtungen bei. Unter dem
Titel „Note sulla Vita Constantini-Cyrilli" (S. 72-84) lenkt
I. D u j c e v, Sofia, die Aufmerksamkeit auf die vielerörterte
Sophia-Vision Constantins und die Sprachenfrage. F. D v o r n i k,
Washington: Byzantium, Rome, the Franks, and the Chrisriani-
zation of the Southern Slavs" (S. 85-123) schildert das kirchenpolitisch
komplizierte balkanische Vorfeld der Mährenmission
und den bis auf Kroatien ergebnislosen Kampf Roms um das
alte Illyrien. Auf Grund der cyrillo-methodianischen Quellen und
verschiedener Untersuchungen beantwortet A. Esser OP, Walberberg
, die Frage: „Wo fand der hl. Konstantin-Kyrill die Gebeine
des hl. Clemens von Rom?" (S. 126-147) dahingehend,
daß er die Lokalität auf einer seit Jahrhunderten vom Wasser
bedeckten Insel der Kosakenbucht bei Cherson annimmt. Indessen
, selbst wenn man Clemens I. als viertem Bischof von Rom
Geschichtlichkeit zubilligt, wird man sich hinsichtlich seines
Martyriums der Meinung Quastens u. a. anschließen dürfen:
„We can put no faith in the story that this fourth Bishop of
Rome was martyred. The Greek Martyrium S. Clementis is of
the fourth Century and moreover of purely legendary character"
(Patrology, 1. Bd., 1959, S. 43). Fr. Grivec, Laibach, der
inzwischen im hohen Alter verstorbene Nestor der Cyrillo-methodianischen
Forschung, berichtet in lockerer und liebenswürdiger
Weise über „Erlebnisse und Forschungsergebnisse" (S. 148-160)
und bringt im Anhang den Text In II Nocturno Lectiones Ss.
Cyrilli et Methodii Epp. et Cc. der Sacra Congregatio Rituum
von 1957. M. Hellmann, Münster: „Der Begriff ,Populus' in
der Conversio Bagoariorum et Carantanorum" (S. 161-167) zeigt,
daß dieser Begriff nicht ethnisch zu verstehen ist, sondern in
der Bedeutung „Kirchenvolk, christliche Gemeinde, christliche
Gruppe". E. M. Heu fei der, Niederalteich, steuert eine kurze
Skizze „Ostkirche und benediktinisches Mönchtum" bei (S. 168-
177). Nach der in jüngster Zeit heftig umstrittenen Frage nach
dem Einfluß angelsächsisch-iroschottischer Kunst auf den bayrischen
Raum geht K. Holter, Wels, in seinem Beitrag „Insular
oder italisch" (S. 178-198) an Hand der karolingischen
Buchmalerei dem Problem in besonnener Weise nach. „Unsere
Fragestellung .insular oder italisch' ist überspitzt und nach den
neueren Erkenntnissen überholt. Die Wirklichkeit war vielfältig
und lebendig. Wendet man dieses Bild auf das Problem der
Slawenmission an, so ergibt sich die Notwendigkeit, bei allen
Fragen mit äußerster Behutsamkeit vorzugehen" (S. 198). Dieses
tut sogleich l Kniezsa, Budapest: „Zur Frage der auf
Cyrillus und Methodius bezüglichen Traditionen auf dem Gebiete
des alten Ungarn" (S. 199-209), der sich mit einigen
„byzantinophilen" Überschätzungen vor allem J. Stanislavs auseinandersetzt
. J. Maß, Garmisch, gibt ein knappes, aber eindrucksvolles
Porträt des großen Gegenspielers Methods und
der Kurie in seinem Artikel „Bischof Anno von Freising 854/5-
875" (S. 210-221). Die beiden nächsten Beiträge gehören in
das gerade für die Cyrillomethodiana so wichtige, wenn auci
längst nicht abgeschlossene Gebiet der Archäologie: A. Cs.
Sos, Budapest: Ausgrabungen in Zalavär. Die ethnischen Fragen
des Priwina-Besitzes und die fränkische Herrschaft in
Transdanubien im Spiegel der neueren archäologischen Freile-

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 10