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Ausgabe:

1967

Spalte:

53-55

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Das Wagnis der Nachfolge 1967

Rezensent:

Jacobs, Peter

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 1

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I. Als alt-katholische Kirche werden hier die Kirchen der
Utrechter Union von 18 89 verstanden, also z. B. nicht die Maria-
witen. K. behandelt nach einer historischen Einführung den Ausdruck
des alt-katholischen Verständnisses der Katholizität a) im
Kirchenbau, b) in der Ordnung der Gemeinschaft, c) im gottesdienstlichen
Leben.

II. H. faßt die altlutherischen Kirchen, die hessische Renitenz
und die altreformierten Kirchen zusammen, die einen merkwürdig
übereinstimmenden Kirchentyp ausgebildet haben als
„Volkskirchen en miniature" (S. 31). Im übrigen haben sie natürlich
jede ihre Eigenheiten. Die altlutherischen Kirchen bilden bei
allen Unterschieden, die sie aufweisen, durch gleiches Bekenntnisverständnis
und gleiche Abendmahlspraxis eine Einheit. Die hessische
Renitenz unterscheidet sich vom Altluthertum durch die
Betonung der „Lebenspunkte" (aus dem „Verbesserungswerk"
des Landgrafen Moritz 1607) und des „reinen Amtes" (nach Vil-
mar). Für die altreformierten Kirchen sind Aufbau des Kirchenwesens
, Bekenntnisverständnis und Frömmigkeit charakteristisch.

III. B. behandelt in fünf Abschnitten nacheinander die protestantischen
Sekten der Reformationszeit (Wiedertäufer, Schwenck-
felder, Mennoniten, Arminianer, Unitarier), die christlichen Gemeinschaften
aus dem 17. Jahrhundert (Baptisten, Quäker), aus
dem 18. Jahrhundert (Brüdergemeine, Methodistenkirche, Evangelische
Gemeinschaft, The New Church), aus dem 19. Jahrhundert
(Katholisch-apostolische und Neuapostolische Gemeinde,
Jakob-Lorber-Gesellschaft, Gemeinde Gottes, Darbysten, Adven-
tisten, Mormonen, Lichtfreunde, Freireligiöse, Zeugen Jehovas,
Christian Science, Heilsarmee) und die neueren Sekten (Pfingst-
bewegung, Evangelisch-Johannische Kirche). Es ist lehrreich zu
sehen, wie diese ursprünglich aller Kultsymbolik meist gänzlich
abholden Gruppen doch auf die Dauer ohne diese nicht auskommen
.

Ein Zitat auf S. 61 (ohne Quellenangabe) erweckt Bedenken; sollte
Blaurock wirklich gesagt haben: „All mentschen, so sich nit widertoufen
ließen, syn heiden"? Im allgemeinen verwahrten sich die Täufer sehr
entschieden dagegen, die Erwachsenentaufe als „Wiedertaufe" zu bezeichnen
, da ja in ihren Augen die „Kindertaufe" ein bloßes Kindsbad ist.
Halle/Saale Erdmann Schott

Richter, Stephan, Ofm. |Hrsg.] :Das Wagnis der Nachfolge. Mit Beiträgen
v. H. U. v. Balthasar, D. J. Leclercq, S. Frank, H. A. Timmermann
, S. Richter, R. Svoboda. Paderborn: Schöningh 1964. 189 S. 8°.
Lw. DM 11.80.

In diesem Sammelband behandeln sechs katholische Fachtheologen
, z. T. Ordensgeistliche, Problematik und Aufgabe des
Mönchtums der Gegenwart, d. h. also die Frage der Nachfolge im
Ordensstand unter dem Gesichtspunkt der „evangelischen Räte":
Nicht in der, Form einer Apologie, sondern des schlichten .Komm
und Sieh' wird der Versuch unternommen, von verschiedenen Perspektiven
her aufzuzeigen, was es heute, mitten im Atomzeitalter,
mitten im Erneuerungsprozeß der Kirche durch das Vatikanum II
auf sich hat mit dem ,Wagnis der Nachfolge':

Hans Urs von Balthasar: Zur Theologie des Rätestandes.

Dom Leclercq OSB: Überlegung und Besinnung im heutigen
Mönch tum.

Suso Frank: Ofm : Die Rolle des kontemplativen Mönchtums
im Missionsamt (Afrika, Indien).

Hans Albert Timmermann: Der neue Weg der Instituta Sae-
cularia (Priestergesellschaften, Gemeinschaften von Priestern und Laien,
Laikaie Männergemeinschaften, Gemeinschaften mit Zweigen für Priester,
Männer und Frauen, Frauengemeinschaften, Gemeinschaften im direkten
Dienst der Kirche, Weltgemeinschaften für Seelsorgshilfe und Fürsorgeaufgaben
, Weltgemeinschaften mit vorwiegend fürsorgerischer Tätigkeit,
mit Bildungsaufgaben befaßte Weltgemeinschaften, Weltgemeinschaften,
deren Mitglieder verschiedenste Berufe ausüben, Weltgemeinschaften
für Witwen, Weltgemeinschaften in der Mission).

Stephan Richter Ofm: Neuentdeckung der Orden in der evangelischen
Christenheit.

Robert Swoboda OSC: Um die Zukunft der caritativen Genossenschaften
.

Balthasar: „Der Geist der katholischen Kirche ist in
dieser Weltstunde weithin dadurch gekennzeichnet, daß er radikal
sein will, das heißt wurzelhaft: zu den Ursprüngen hin denkend;

daß er deshalb alle mehr oder minder selbstverständlich dahinlebenden
Verwirklichungen auf ihren Ursprungsgehalt, ihre evangelische
Echtheit hin befragt und durchleuchtet" (S. 9).

Leclercq : „Alles, was im Mönchtum heute neu ist, geht
übrigens aus dem alten hervor. Es bleibt diesem deshalb in Dank
verpflichtet. ... Es bleibt zu wünschen, daß all die Erscheinungen
des .monastischen Phänomens' — um einen Ausdruck Teilhard de
Chardins zu gebrauchen, den Paul VI. auch für die Kirche übernahm
— einen friedlichen und freundlichen Austausch unter sich
vollziehen, der für alle nützlich werden läßt, was ein Einzelner
empfangen oder wiederentdeckt hat. . . . Die Welt wandelt sich
mit schwindelerregender Schnelligkeit. Bestimmte Strukturen der
Mönchsorden werden sich ebenso ändern müssen; . . . eine Loslösung
, die so viele Mönche, keineswegs nur die jungen, verlangen,
um den wesentlichen Inhalt ihres Lebens zu finden. Die Tradition
kann eine untragbare Last werden, wenn man in ihr nicht das Wesentliche
vom Unwesentlichen, das Bleibende vom Vergänglichen
unterscheiden kann. Wenn die Klöster durch Jahrhunderte von
ihren Zinsen gelebt haben, so sind sie doch nicht berechtigt, das
durch alle Zeiten weiter fortzusetzen" (S. 59—67).

Timmermann : „Die Weltgemeinschaften üben apostolische
Tätigkeit selbst in gewagtesten Milieus aus, nicht zunächst,
um einer militanten Kirche Stellungen zu erobern und zu sichern,
sondern aus dem Bewußtsein, als Christen, einzeln und gemeinschaftlich
, beauftragt zu sein, Zeugnis für Christus und sein Reich
zu geben, und zwar überall. . . . die Frage der Säkularität ist wesentlich
für die Weltgemeinschaften. Sie ist nicht in erster Linie
abhängig von der Art der Beschäftigung, sondern entscheidend
von der Art der Lebensführung, die sich möglichst gar nicht von
der Umwelt abheben soll. Das ganze Leben soll gleichsam zum
Apostolat werden. Die ,Welt' soll ernstgenommen werden, soll
bejaht werden, sie soll durchdrungen, nicht verlassen werden.
Flucht vor der Welt bringt die Welt der Verchristlichung keinen
Zoll näher. Im übrigen ist die Welt überall! . . . Die Säkularität
im Leben und Wirken der Weltgemeinschaften wird nicht aus
taktischen Erwägungen empfohlen und praktiziert, um an Menschen
aller Zonen .heranzukommen' und zu missionieren. Das wäre
zu billig. Vielmehr bahnt den Weltgemeinschaften eine neuartige
Sicht des Mysteriums der Inkarnation den Weg, die vom Herrn
gelernte und erfahrene Liebe schlicht weiterzutragen bis in die
Gegenwart und überallhin. Die Mitglieder der Weltgemeinschaften
,sind also in der Welt gegenwärtig, weltlich, wie es der Herr
gewesen ist, und sie lernen, zurückgezogen von der Welt zu sein,
nach dem Beispiel des Herrn, den der Geist in die Wüste führte'"
(S. 119-128).

Richter: „Wer die evangelische Christenheit in der Vielfalt
ihrer Erscheinungs- und Wesensform um die Jahrhundertwende
mit der des Jahres 1964 etwa vergleicht, gerät von einem Staunen
ins andere .. . Eine Bewegung aber schlägt dem aufmerksamen Beobachter
geradezu in den Bann: Die Neuentdeckung der Orden in
der evangelischen Christenheit. . . Die eigentlichen .Ordensgründungen
' beginnen unter Bomben und Granaten, unmittelbar an der
Demarkationslinie Frankreichs, kurzum: unter dem Ruf zur Meta-
nioa des Herrn im Umbruch unserer Zeit. . . . Den neuen Anfängen
der etwa 12 nun mehr oder minder klar vor uns erstehenden
.evangelischen Orden', wird man nicht allein vom Menschen her
gerecht. Da ist nicht primär Sehnsucht nach Gemeinschaft, da ist
auch nicht vor allem furchtbares Erleben und Erschrecken vor der
Majestas Domini, etwa in Bombennächten (wie ein Bibelkreis
junger Mädchen in Darmstadt unter Klara Schlinks Leitung es hatte
). Da ist durchaus urevangelisch die Unruhe des reichen Jünglings
. . . Taizes große und immer größere Bedeutung liegt primär
darin, daß hier ein Ökumenismus gelebt wird, im dreifachen täglichen
Gotteslob, in der Eucharistiefeier vor allem, in den Retrai-
tes, besonders in der Form der Brüderlichkeit auch und des Apo-
stolats; ganz parallel zu dem der .kleinen Brüder', der in gleicher
Weise Christen aller Konfessionen in seinen Bann schlägt. ... Ist
Taize nun Abfall von der Reformation, zumal von der Theologie
eines Calvin? Oder muß man nicht vielmehr ganz schlicht die
Phänomene sprechen lassen und dann von einer Überwindung
sprechen? .. . Hat das evangelische Mönchtum, um anders zu fragen
, einen legitimen Platz in den Kirchen der Reformatoren, oder