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Ausgabe:

1967

Spalte:

49-50

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Pol, Willem H. van de

Titel/Untertitel:

Das Zeugnis der Reformation 1967

Rezensent:

Ludolphy, Ingetraut

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 1

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wären auch hier anzumelden: es ist begreiflich, daß Namen verschieden
geschrieben werden; für eine Form hätte sich der Verfasser
entscheiden und die übrigen in Klammer beifügen müssen.
So sollte es vielleicht auf S. 113 Erfordter und nicht Erdfordter
heißen. Für Leser, die mit dem Stoffe weniger vertraut sind,
müßte es immer heißen: Lanzenstiel, alias Satler, oder umgekehrt.
Auch daß Sobotistc und Sabatisch identisch sind, hätte angegeben
werden müssen; Rattenberg am Inn, das Städtchen, in dem Leonhard
Schiemer gefangen lag und hingerichtet wurde, muß unterschieden
werden von einer Herrschaft Rottenburg im Inntal, am
Ausgange des Zillertals gelegen. Der 2. Abschnitt des Kataloges
enthält „Anonyme Schriften", die man zum Teil bestimmten
Autoren zuweisen zu können glaubt, so das Große Artikelbuch
dem Peter Walpot (S. 129, 143). Außer Schriften dogmatischapologetischen
Inhaltes sind es zweitens Schriften zum Gebrauche
für die „Diener des Wortes", unterteilt in: Biblische Geschichte,
B'belexcgcsen, Konkordanzen, Katechismen, Gebete; Schriften für
Gottesdienst und Gebrauch des Predigers, Predigtbücher und
Predigthefte; Tauf Unterricht und Taufagenden; Aussendung;
Chronologisches Verzeichnis aller Schriften exegetischen Inhalts
und aller Predigten, deren es etwa 300 gegeben hat, sowie anderer
Schriften für den Gebrauch des Predigers (S. 164); drittens
Gemeindeordnungen; durch sie kann man einen Einblick in das
Gemeinschaftsleben der Brüder gewinnen, das streng geordnet
war; viertens Pädagogische Schriften; auf dem Gebiet der Kindererziehung
waren die Brüder bahnbrechend; fünftens Schriften vermischten
Inhaltes: a) Briefsteller; b) Allgemeine Kirchen- und
Brüdergeschichte; sechstens Sonstige Schriften in Huterischen
Codices: a) Nichttäuferische Autoren, alt und neu — ein Verzeichnis
, das zeigt, wie beliebt Sebastian Franck bei den Brüdern gewesen
ist; b) Medizinische Schriften; hutcrische Ärzte sind seit
langem ein Lieblingsthema des Verfassers, der übrigens auf S. 178
seinen eigenen Artikel „Medicine Hutterite" im III. Band der
Mcnnonite Encyclopedia nicht erwähnt.

Dieser letzte Teil des Buches ist im eigentlichen Sinne der,
der den Verfasser veranlaßt hat, im Vorwort zu sagen daß in dem
vorliegenden Werke mehr als eine Quellenkunde und Bibliographie
geboten wird S. 6), nämlich eine Art „objektive Geistes-
geschichtc" der Brüder von den spiritualisfischen, oder besser,
inspirierten Anfängen um 1529 bis zu den Jahren 1665—1667, als
die Produktionskraft der nun zu einer Denomination erstarrten
Gemeinde nachließ. Denn aus den Verzeichnissen gewinnen wir
Einblick in das geistige Leben und die wirtschaftliche Verfassung
der Brüder, die ihresgleichen in Europa nicht hatte und heute noch
unsere Teilnahme und Bewunderung zu erregen imstande ist.

Wir sind am Ende eines langen Weges angelangt, den wir
anhand eines der besten Kenner jenes Schrifttums zurückgelegt
nahen, das den meisten unserer Zeitgenossen unbekannt ist; wo
es gelesen wird, ist es imstande, lebendiges Glaubenslebcn zu erwecken
. Wir sagen Dr. Friedmann Dank, daß er den Katalog
Zusammengestellt, und der Österreichischen Akademie der
Wissenschaft, daß sie ihn veröffentlicht hat.

Wien Grete Mrccnselfy

■•Ii W[illcm] H[cndrik| van de: Das Zeugnis der Reformation (Het
getuigenis van de reformatie |dt.|). Aus d. Nicderl. übertr. v. Bernhard
u. Gisela Roscnmöller. Essen: Ludgerus-Verlag 1963. 290 S.
8°. Kart. DM 16.80; Lw. 20.80.

Das Buch des aus der Nederlandse Hcrvormde Kerk hervorgegangenen
Verfassers, der 1944 die Priesterweihe und 1948 den
Lehrstuhl für Phänomenologie des Protestantismus an der katholischen
Universität Nimwcgen erhielt, möchte katholische Christen
mit den wesentlichen Kennzeichen evangelischen Glaubens vertraut
machen. Der Verf. hält es für möglich, zugleich, wie er sagt,
»deutsche Leser" mit dem reformierten Protestantismus bekannt
zu machen, da als Beispiel für die Darstellung des Zeugnisses der
Reformation vorwiegend der niederländische Protestantismus
Herangezogen wird.

Entsprechend dem Ansatz der Reformation, die nach der
Rettungsmöglichkeit des Sünders fragt, geht van de Pol vom
»einzigen Trost" des Christen aus, dem Evangelium von Jesus
Christus. Über dessen Bezeugung im „Wort Gottes" kommt er

zur Darstellung des „wahren Glaubens". Sinngemäß folgt er
weiter der Einteilung des Heidelberger Katechismus bis zu den
abschließenden Aussagen über die „wahre Kirche", „Taufe und
Abendmahl" sowie die „Anbetung im Geist und in der Wahrheit
". Sowohl allgemeine Wiedergabe und Interpretation als auch
viele Einzelbeobachtungen treffen das reformatorische Christentum
.

Erfreulich ist auch die behutsame Art und Weise, in der für
die Arbeit der Una Sancta Folgerungen gezogen werden. Aus den
Tatsachen, daß heute „die evangelischen Christen immer mehr
den katholischen Charakter des Christseins" betonen, „während
sie gleichzeitig mehr und mehr die Überzeugung gewinnen, daß
sich innerhalb der römischen Kirche eine evangelische Erneuerung
Bahn bricht", schließt Verf. nicht mehr, als „daß die beiden
Seiten aufeinanderzuwachsen" (S. 18). Er warnt vor übertriebenen
Hoffnungen und voreiligen Entscheidungen. Da eine ökumenische
Arbeit, die fruchtbringend sein soll, an alle, die mitwirken,
hohe und schwere Anforderungen stellt, möchte er am liebsten
„so etwas wie einen ökumenischen Führerschein" eingeführt
sehen (S. 272).

Bedenklich scheint nur, wie unkritisch Verf. bei allem gegenteiligen
Bemühen, bei dem ihn namhafte deutsche Theologen
unterstützten, reformiertes und lutherisches Christentum zusammenschaut
. Auch die stark pietistische Komponente des dargestellten
Reformiertentums, die von seinem im Vorwort angedeuteten
Entwicklungsgang her verständlich ist, läßt fragen,
ob es hier ohne Einschränkung gelingt, katholische Christen mit
dem reformatorischen Zeugnis vertraut zu machen.

Leipzig Ingetraut I.udolph y

Gallus, Tibor: Der Nachkomme der Frau in der altlutheranischcn
Schriftauslegung. I. Bd. Klagenfurt: Verlag Carinthia 1964. 172 S.
gr. 8°. Kart. DM 14.—.

Es dürfte ein offenes Geheimnis sein, daß zu den besonders
erfreulichen Phänomenen der Gegenwart die katholische Lutherforschung
und -deutung gehört. Hierher ist auch die Untersuchung
von Tibor Gallus zu rechnen, die sich allerdings schon
im ersten Band nicht auf Luther beschränkt, sondern in einem
kurzen Schlußteil Zwingli und Calvin mit einbezieht. Ein zweiter
Band, der folgen soll, will die ,,altluthcranische" Schriftauslegung
von Gen 3, 15 behandeln, vermutlich also das, was wir die
„altprotestantische" Schriftauslcgung nennen.

In der Hauptsache führt G. in diesem ersten Bande eine genaue
Untersuchung darüber durch, wie Luther in den einzelnen
Phasen seiner reformatorischen Tätigkeit die „Kernstelle" Gen
3, 15 verstanden und interpretiert hat. Über die Wichtigkeit dieses
Verses für die Schriftauslegung der Reformatoren besteht
wohl kein Zweifel; Luther selbst hat in Gen 3, 15 die ganze
Heilsgeschichte keimhaft enthalten gesehen. Und diese Meinung
hat der Reformator auch sein ganzes Leben lang festgehalten.

G. unterscheidet bei Luther zwei Auslegungsphasen: eine erste,
in der er den hebräischen Text noch nicht kennt und sich ganz an den
Vulgatatext hält, und eine zweite, in der wir mit einer Anwendung
der neuerworbenen hebräischen Kenntnisse durch Luther zu rechnen
haben. Die erste Phase, von G. im 1. Abschnitt (17 — 34) behandelt,
reicht von 1513 — 1521. In ihr geht Luther noch von der falschen
Vulgata-Lesung ipsa statt ipse („ipsa conteret caput tuum") aus, gibt
aber im Lauf der Jahre verschiedenartige Auslegungen, unter denen
auch eine mariologische nicht fehlt: Maria gilt ihm als die „Schlangcn-
kopfzertreterin", Christus als der „Weibessame". Die zweite Phase,
1521 — 1 546, unterteilt G. noch einmal, weil ihm das Jahr 1 535 als
ein wichtiger Einschnitt gilt: in ihm beginnt Luther seine Genesis-
Vorlesung. Dementsprechend wird in einem zweiten Abschnitt
(37 — 84) die Auslegung zwischen 1521 und 1 535, in einem dritten
(85 — 132) diejenige in der Genesisvorlesung Luthers besprochen; ein
Schlußabschnitt (133 — 140) faßt die Ergebnisse zusammen.

Die Auslegung von Gen 3,15 ist schon von 1521 an von der
Erkenntnis bestimmt, daß die Lesung „ipse" richtig ist. Außerdem ist
da9 „insidiaberis" („du wirst nach seiner Ferse lauern") der Vulgata
von da an durch „conteres" („du wirst seine Ferse zertreten" bzw.
„ihn in die Ferse beißen [stcchenl") ersetzt. Mit „Wcibcssame" ist der
Nachkomme einer jungfräulichen Mutter gemeint, d. h. es kommt nur
Maria in Betracht; so kann diese Weissagung nur auf Christus gehen.