Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1967

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

711

der Seelsorge (34, 40 ff), der Liturgik (65) und der Lehre vom
Amt (26 ff, 31, 35) werden, besprochen. Hier hätte man sich an
verschiedenen Stellen abgewogenere Urteile gewünscht. Um nur
wenige Beispiele zu nennen: „Tatsache ist: wo die Vollmacht der
Predigt abnimmt, da nimmt das Bestreben zu, den Gottesdienst
liturgisch und feierlich zu gestalten" (65). Diese sog. Tatsache
dürfte historisch gesehen nicht immer zutreffen!. Daß man die
Einbeziehung von „Jazz, Dialog, Laienspiel oder ähnlichen Schauspielen
" in die Versammlung der Gemeinde nur als „turbulente
Bestrebungen" (65) zu beurteilen habe, reicht nicht aus. Daß der
„kirchliche Dirigismus" durch die Perikopenordnung die „Vollmacht
der Predigt" hemmt (62), dürfte weder im Blick auf die
Geschichte der Predigt noch im Blick auf die heutige Predigt so
apodiktisch gelten.

Im Zentrum des Buches steht der Begriff der Vollmacht, der
vor allem gegen einen rationalistischen Begriff des Verstehens
zu Recht ins Feld geführt wird, aber auch gegen ein abgestandenes
Amts- und Ordnungsdenken. So wichtig diese distanzierende
Akzentuierung sein mag: Vollmacht und Verstehen brauchen
sich ebensowenig zu widersprechen wie Vollmacht einerseits
, Amt und Ordnung andererseits. Man denke an 1. Kor. 14
mit seinem Drängen auf Verstehbarkeit der Predigt, auf das
„prophetische Amt" und auf die Ordnung.

Wir haben es mit einer zum Nachdenken und zum geistlichen
Leben anregenden Schrift zu tun, die in ihren positiven Äußerungen
vom Erbe Julius Schniewinds zehrt. Ein Vergleich mit
seiner noch heute unübertroffenen kleinen Pastoraltheologie „Die
geistliche Erneuerung des Pfarrerstandes" macht das deutlich.

Rüdersdorf b. Berlin Friedrich Winter

Lehmann, Theo: Negro Spirituals. Geschichte und Theologie.
Berlin: Evang. Verlagsanstalt (Lizenzausgabe Witten: Eckart-
Verlag). [1965]. 416 S. gr. 8°.

Es ist eine seltsame Fügung, daß gerade im 19. Jahrhundert,
in dem der Strom des abendländischen Kirchenliedes versandete,
ein neuer Quell von elementarer Kraft im fernen Amerika die
Negro Spirituals entstehen lief}. Um so erstaunlicher ist, daß
weder Theologie noch Hymnologie den Negro Spirituals bisher
größere Aufmerksamkeit gewidmet haben. „Wer sich über die
Negro Spirituals informieren will, greift am besten zur Jazzliteratur
", sagt Theo Lehmann daher schon im ersten Satz seiner
Arbeit mit vollem Recht. Wer den um Wissenschaftlichkeit nur
salten bemühten, populären Stil der Jazzliteratur kennt, weiß
freilich den Wert ihrer Informationen richtig einzuschätzen. Auch
eine bescheidenere wissenschaftliche Arbeit hätte hier eine Lücke
ausgefüllt. Theo Lehmanns Geschichte und Theologie der Negro
Spirituals bedeutet jedoch mehr. Sie ist - um dies gleich vorwegzunehmen
- das erste Standardwerk über die Negro Spirituals in
deutscher Sprache, Zusammenstellung und Kritik der gesamten
Spiritual-Forschung.

Klar und übersichtlich wird der Stoff ausgebreitet. In einem
ersten, historischen Teil werden zunächst die Entstehung und
Entwicklung der Sklaverei in Nordamerika bis zum Sezessionskrieg
, sowie die soziologischen Tendenzen seit der Sklavenbefreiung
referiert; ausführlich wird sodann die Missionstätigkeit der
verschiedenen christlichen Konfessionen unter den Negersklaven
erörtert und schließlich die Entstehung der Negro Spirituals
behandelt. In einem zweiten, theologischen Teil führt Lehmann
in die religiöse Vorstellungswelt der Negersklaven ein, untersucht
die Zusammenhänge von Eschatologie und Ekstase im Spirituär-
gesang und behandelt abschließend die aktuellen Probleme, die
unsere eigene Begegnung mit den Spirituals heute aufwirft.

Erstaunlich ist die Fülle von Details, mit denen Lehmann seine
Darstellung zu belegen und zu beleben weiß. So lernt man bei
ihm beiläufig, daß es im 17. Jhdt. in Nordamerika neben den
Negersklaven auch weiße „Kontraktknechte" gab, die sich selbst
als Leibeigene verkauften, daß die Erfindung der Cottonmaschine
1793 und die durch sie bewirkte Vervielfachung des Baumwollanbaus
die damals schon bevorstehende Abschaffung der Sklaverei

712

um Jahrzehnte hinausschob, daß die an Weihnachten üblichen
Alkoholexzesse die Entstehung von weihnächtlichen Spirituals
behinderten u. a. Hier schöpft Lehmann aus der Fülle herangezogener
Literatur, deren Verzeichnis nicht weniger als 515 Titel
anführt. Erstaunlich ist hierbei besonders die Fülle der von Lehmann
verarbeiteten anglo-amerikanischen Arbeiten.

Mit unermüdlicher Geduld setzt sich Lehmann nicht nur mit
ernstzunehmenden kontroversen Thesen auseinander, sondern
auch mit tendenziösen Darstellungen, in denen den Spirituals
etwa die existenzielle Tiefendimension (so bei Marc Connelly)
oder die christliche Glaubensaussage (so bei M. M. Fisher) abgestritten
wird. Zu weit geht diese Geduld wohl, wenn Lehmann
wichtigste theologische Grundfragen der Spiritualtexte in ständiger
Konfrontation mit einer dümmlichen Bühnenparodie (M. Connelly
„The Green Pastures") behandeln zu müssen meint. Dieser Einwand
verblaßt freilich gegenüber der kritischen Gesamtleistung
Lehmanns: es gibt wahrscheinlich keinen irgend relevanten Beitrag
zur Geschichte und Theologie der Spirituals, der von Lehmann
nicht aufgegriffen und untersucht würde.

Theo Lehmanns „Negro Spirituals" ist ein Kompendium, in dem
der altehrwürdige Begriff deutscher Gründlichkeit in neuem
Glänze strahlt. Ich zögere nicht, es zu den bleibenden Leistungen
heutiger Theologie in der DDR zu zählen. Wenn es einen sehr
wesentlichen Wunsch offen läßt, so liegt dies an der Begrenzung
des Themas auf „Geschichte und Theologie". Nichts wäre mehr
zu wünschen (und nach der vorliegenden Arbeit mehr denn je),
als daß eine musikhistorische Arbeit vom selben Format bald auch
Form und Stil, d. h. Melodik, Harmonik und Rhythmik der Spirituals
und das in ihnen so überaus bedeutsame Verhältnis von
Sprache und Musik ins Licht rückte. Manche Fragen, die Lehmann
anschneidet, z. B. die des Verhältnisses von Spiritual und Gospel
Song, werden erst dann zu beantworten sein. Dies ist jedoch ein
Wunsch, den die Theologie an die Musikwissenschaft weitergeben
muß.

Rom Heinz Werner Zimmermann

Fürst, Walther: Die Predigt der Rechtfertigung als occasio

dei (DtPfrBl 67, 1967 S. 381-386).
Harbsmeier, Götz: „Alt" und „Neu" in der Verkündigung

(EvTh 27, 1967 S. 286 - 307).

H Öffner, Joseph: Kirche im Pluralismus (TThZ 76, 1967
S. 155-163).

Jetter, Werner: Die Predigt als Gespräch mit dem Hörer
(Pastoraltheologie 56, 1967 S. 212-228).

Lehmann, Karl: Pastoraltheologische Maximen christlicher
Verkündigung an den Ungläubigen von heute (Concilium 3,
1967 S. 208-217).

Loew, Jacques: Der persönliche seelsorgerliche Kontakt mit
dem Ungläubigen (Concilium 3, 1967 S. 218-222).

L ü c k, Walter: Strukturen der Lyrik und die Sprache der Verkündigung
(Theologia Practica 2, 1967 S. 14-30).

Matussek, Paul: Zur Predigt im Blick auf den verdrängten
Unglauben im Gläubigen (Concilium 3, 1967 S. 223-227).

Meyeren, Marie von, Müller-Schöll, Albrecht, u Theodor
Schober: Der alte Mensch in der Gemeinde. Im Auftrag
des Diakonischen Werkes Innere Mission und Hilfswerk
der Evangelischen Kirche in Deutschland hrsg. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus G. Mohn [1967]. 64 S. 8° = Handbücherei
f. Gemeindearbeit, hrsg. v. A. Funke, W. Hahn,
A. Niebergall, H.-W. Surkau, 39. Kart. DM 5.40.

Nipkow, Karl Ernst: Anmerkungen zu Stand und Aufgabe
religionspädagogischer Forschung heute (Theologia Practica 2,
1967 S. 31-57).

Parpert, Friedrich: Der monastische Gedanke. München-
Basel: Ernst Reinhardt 1966. 143 S. 8°. Kart. DM 11.-;
Lw. DM 13.-.

Picard, Paul, u. Ernst Emrich: Priesterbildung in der Diskussion
. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag [1967]. 144 S. 8°
= Probleme der Praktischen Theologie, hrsg. v. L. M. Weber
u. A. Görres, 3. Kart. DM 10.80.

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 9