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Ausgabe:

1967

Spalte:

710-711

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Kraus, Hans-Joachim

Titel/Untertitel:

Predigt aus Vollmacht 1967

Rezensent:

Winter, Friedrich

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Im 1. Kap. geht Vf. der bekannten Tatsache nach, dafj seit
dem Ende des 18. Jhs. als Empfänger der Katechese grundsätzlich
nur die Unmündigen gedacht wurden, während die kirchliche
Unterweisung sich vorher bewufjt an die ganze Gemeinde
richtete. Im 16.-18. Jh. erstrebten die katholische und die evangelische
Kirche den „Gesamtkatechumenat", wenn auch ohne
diesen Namen und ohne wirkliche Beteiligung der ganzen Gemeinde
. Literarischen Niederschlag Häind der „Gesarcitkatechu-
menat" in der Gattung der „katechetischen Theologie", die ebenso
wie die weitverbreiteten Katechismuspredigten eine Volkstheologie
im Unterschied zur wissenschaftlichen Theologie darstellt
. Die heute sehr gefragte .Theologie für Nichttheologen"
besitzt in dieser Literatur einen Vorläufer.

Der Sinn für die Notwendigkeit einer Weiterbildung aller
Christen ist nie ganz ausgestorben. E. zitiert dafür z. B. Mar-
heineke: .Gleichen Schritt mufj mit dem Unterricht an die
Kinder der an die Erwachsenen gehen", denn .es kann durch
den Unterricht in den zarten Gemüthern nicht so viel eingepflanzt
werden, als durch die schlechten Sitten und Beispiele
zu Hause wieder verdorben und zerstört wird" (S. 58). Wie diese
Gedanken in der gegenwärtigen Katechetik weitergeführt werden
, zeigt E. an Hammelsbeck, Heubach, Gräfjmann, A. D. Müller
G. Bohne, G. Otto. Von katholischen Autoren wird u. a.
Coudreau zitiert (1960): .Ein Glaube, der nicht täglich durch das
Studium der Glaubenslehre an Tiefe gewinnt, ist ein gefährdeter
Glaube" (S. 44).

sKap. 2 befaßt sich vorwiegend mit der Frage, was in der
Literatur unter „Mündigkeit" als Ziel des Katechumenats verstanden
wird. Im Gegensatz zum Neuen Testament, das „Mündigkeit
" eschatologisch versteht, dominierte in der Katechetik,
namentlich des 19. Jhs., ein von der Aufklärung boeinfluöter
Mündigkeitsbegriff, der die Möglichkeit einer zeitlichen Fixierung
des Eintritts der Mündigkeit voraussetzt. E. beschreibt die
Varianten des Mündigkeitsverständnisses und verwirft das ihnen
gemeinsame Bemühen, die .Mündigkeit" zeitlich festzulegen.
Die Ableitung des Katechumenats aus dem altkirchlichen Tauf-
katechumenat ist unhaltbar. Es muß unterschieden werden „zwischen
dem Ziel des zeitlich begrenzten Taufkatechumenates und
dem Ziel der prinzipiell lebenslänglichen Katechese für die Getauften
" (S. 103).

Vom Ziel der Katechese (bei E. = Katechumenat) unterscheidet
E. deren wesentliche Aufgabe Mit Recht wendet er sich
gegen die „weitverbreitete Legende", bis zum Ende des 19. Jhs.
habe die Katechese sich nur an das Gedächtnis und den Verstand
gewandt (S. 155). Worin namhafte Vertreter der gegenwärtigen
katholischen Katechetik deren wesentliche Aufgabe erblicken
, zeigt die Schrift von G. Hansemann, Katechese als Dienst
am Glauben, 1960, schon in ihrem Titel. Von evangelischen
Autoren wird besonders F. Gräfjmann, der die Zurüstung zum
missionarischen Dienst als Hauptaufgabe der Katechese betrachtet
, zustimmend genannt. E. stellt der Katechese die Aufgabe,
Hilfe zum Vollzug des Glaubensaktes zu geben, eine umfassende
Glaubensschau anzubahnen, zum Mitleben mit der Kirche und
zur christlichen Lebensgestaltung zu befähigen und zum missionarischen
Dienst auszurüsten.

Im 4. Kap. stellt Vf. die Frage, wer der Träger dieser Aufgaben
sein kann. Er verwirft die Klerikalisierung der Katechese
und erwartet von Katecheten und Priestern, daß sie die Eltern
zur Hauskatechese befähigen. Das ist nur möglich, wenn die
ganze Gemeinde sich als Träger des Katechumenates weiß. Die
Hoffnung, Kinder notfalls gegen ihr Elternhaus und atheistisches
Milieu „christianisieren" zu können wird mit Gräßmann
als Illusion betrachtet. Der Dienst der amtlichen Katecheten hat
subsidiäre Funktion (so schon Schleiermacher!). Sie haben der
ganzen Gemeinde zu helfen, ihre Aufgabe an der jüngeren Generation
zu erfüllen.

Kap. 5 prüft noch einmal die Einengung der Katechese auf
den Anfangsunterricht für Unmündige im Christentum. Der bib-

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lisclie Befund erlaubt eine solche Begrenzung nicht. (Darin ist
E. gegen Stockmann, a. a. O., zuzustimmen). Zum gleichen Ergebnis
führt die Abgrenzung der Katechese von der Predigt,
aber auch die spezifische Funktionsbestimmung der Katechese
im Leben der Kirche. Die Katechese wird definiert als ein Unterricht
, der in unlösbarer Verbindung mit den verschiedenen
seelsorgerlichen Funktionen steht und »als ein integrierender
Bestandteil der kirchlichen Hirtenaufgabe", die sich nicht auf
„Unmündige" beschränken läßt, anzusehen ist (S. 278).

Für die evangelische Katechetik besteht der Hauptertrag des
Buches - neben der wertvollen Materialsammlung für die Geschichte
der Disziplin in beiden .Konfessionen - in dem Nachweis
, dafj die Ableitung des Katechumenates aus dem altkirchlichen
Tauf katechumenat sich nicht halten läfjt. Es verdient Beachtung
, dafj die in der evangelischen Katechetik beliebte sakramentale
Wesensbestimmung des Katechumenates (die Rez. für
eine bedenkliche Einengung hält) gerade von einem katholischen
Theologen nicht geteilt wird. Kirchliche Unterweisung kann sich
weder auf die Belehrung der Anfänger noch auf die Hinführung
zum Sakrament beschränken, sondern sie mufj - ob man den
Terminus „Gesamtkatechumenat" verwendet oder nicht - vom
Anfang bis zum Ende als Zurüstung zum Dienst in der Gemeinde
und an der Welt verstanden werden.

Halle/Saale Eberhard Winkler

Kraus, Hans-Joachim: Predigt aus Vollmacht. Neukirchen-
Vluyn: Neukirchcner Verlag d. Erziehungsvereins [1966]. 98 S.
kl. 8°. Kart. DM 5.80.

Schon im Jahre 1952 hat Vf. „Die Vollmacht der Verkündigung
in der Kirche Jesu Christi" bedacht. Wesentliche Gedanken
aus diesem Heft finden sich in unserem Buch wieder. In ihm ist
nun der Versuch unternommen worden, dem Problem in vertiefter
Weise und in einer der heutigen Lage angemesseneren Form
noch einmal Ausdruck zu verleihen. „Die Sorge um den Weg der
Theologiestudenten ins Pfarramt, die innige Anteilnahme an den
Mühen des Predigers und die Not unserer Gemeinden haben
mich veranlaßt, in die Diskussion einzutreten" (5). In einer „Besinnung
auf den Ursprung" (Kap. 2) trägt Vf. vor, was nach seiner
Meinung vor allem aus dem Neuen Testament zum Thema
der vollmächtigen Verkündigung zu erheben ist. Schon hier wird
eine seelsorgerliche Tendenz deutlich, die dann in den weiteren
Kapiteln dominiert: Die Situation der Tentatio (Kap. 3), Einsames
Hören und Forschen (Kap. 4), Gottesdienst und Predigt (Kap.
5), Vom Gebet (Kap. 6). Mit diesem seelsorgerlichen Bemühen
wird Vf. vielen fragenden Predigern und Laien eine Hilfe bieten,
zumal es an guter pastoraltheologischer Literatur heute durchweg
mangelt.

Ein weiterer Grundzug des Buches ist seine polemische Ausrichtung
. Als theologische Gegner werden vor allem R. Bultmann,
seine Schüler und Epigonen mehr oder weniger deutlich auf das
Kern genommen. Im 1. Kapitel werden zwei Thesen vorgetragen:
„1. Die dem Prinzip der Innerweltlichkeit verpflichtete, in herme-
neutischen Reglements sich darstellende Theologie nimmt der
entscheidenden Frage nach der Vollmacht der Predigt ihre Geltung
und Kraft. 2. Es werden Momente einer möglichen appli-
catio der biblischen Texte hermeneutisch verabsolutiert" (9). Von
den Epigonen soll nicht geredet werden; aber dafj die Schule
R. Bultmanns sich um die Dimension der Vollmacht wenig gekümmert
habe, trifft nicht zu. Ein endgültiges Urteil über ihre
„Vollmacht" zur Predigt liegt noch nicht vor. Hier fehlt es noch
an homiletischen Studien. - Sodann wird auf vielfältige negative
Erscheinungen im pfarramtlichen und kirchlichen Bereich
hingewiesen. Häufig werden allerdings nur solche Mißstände
gebrandmarkt, die an sich wohl richtig, aber auch etwas eilige
mein klingen.

Vf. scheut sich als Fachvertreter des Alten Testamentes nich':,
kräftige Urteile auf dem Gebiet der praktisch-theologischen Disziplin
zu wagen: Nicht nur Themen der Homiletik, sondern auch

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 9