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Ausgabe:

1967

Spalte:

707-708

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Birnbaum, Walter

Titel/Untertitel:

Theologische Wandlungen von Schleiermacher bis Karl Barth 1967

Rezensent:

Haendler, Otto

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liehe Merksätze dienen für das, was in der Substanz von der
neutestamentlichen Paränese ausgesagt wird. So und nicht anders
kann dann auch das 1. Hauptstück verstanden werden. Es ist
gerade das Spezifikum des Katechismus Luthers, daß er im Unterschied
zu den anderen Katechismen seiner Zeit keinen systematischen
Aufbau kennt und darum auch die Stellung des Dekalogs
in der Reihe der Hauptstücke keine systematische Bedeutung
hat1. Eine gelegentliche Bemerkung Luthers über den
Zusammenhang der Hauptstücke (98 f.) kann das jedenfalls nicht
widerlegen. Dann bildet Luthers Anordnung aber auch nicht
den Gegenpol zu Calvins Interpretation des Dekalogs als Lebensregel
, sondern er kann in aller Freiheit zur Beschreibung
des rechten Gehorsams im Sinne von Rom. 12 dienen.

Im ganzen kann man dieser anregenden Studie nur wünschen
, dafj sie von denen, die sich mit der Didaktik des Katechismusunterrichts
beschäftigen, aufmerksam gelesen wird, nicht
zuletzt auch von denen, die sich an die Schaffung eines neuen,
zeitgemäßen Katechismus wagen wollen.

Erlangen «"rt F ' ° '

T) Vgl. K. Fror, Theol. Grundfragen zur Interpretation des Kleinen Katechismus
D. M. Luther MPTh 1963, S. 478-487.

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Birnbaum. Walter, Prof.: Theologische Wandlungen von
Schleiermacher bis Karl Barth. Eine enzyklopädische Studie
zur Praktischen Theologie. Tübingen: Katzmann-Verlag 1963.
XIII, 252 S. «° Kart. DM 23.80.

Dit Geschichte der Evangelischen Theologie hat in den letzten
drei Jahnzehnten zwei' bedeutsame Monographien gefunden-.
Horst Stephan schrieb 1938 eine .Geschichte der evangelischen
Theologie seit dem deutschen Idealismus", Karl Bart 1947 »Die
Protestantische Theologie im 19. Jahrhundert". Stephan ordnet
das Material nach grundlegenden und differenzierten sachlichen
Gesichtspunkten, Barth charakterisiert die führenden Gestalten.
Beide schreiben aus dem Drang heraus, die iKrisis der Theologie
, soweit möglich, einer weiteren Klärung zuzuführen, Barth,
wie naheliegend für ihn. nicht ohne Kritik an Stephan und in
der Überzeugung, dafj eben durch seinen eigenen extremen
Standort manches (z. B. die Gestalt Schleiermachers) »schöner
und eindrücklicher zum Leuchten" kommt. Beiden Autoren ist
viel zu danken.

Walter Birnbaum hat die Not der (Krisis, in der die gesamte
Theologie sich befindet - und jede echte Theologie ist in der
Krisis, solange sie echt und fruchtbar bleibt - besonders stark
empfunden für die Praktische Theologie. Diese ist die einzige
unter den theologischen Disziplinen, deren Wesensbestimmung
selbst sich noch in der Krisis befindet. Zudem ist die Geschichte
der Praktischen Theologie seit fast einem Jahrhundert nicht
gründlich aus den Quellen bearbeitet worden. So sieht Birnbaum
sich vor einer neuen Aufgabe, und es ist ihm lebhaft zu danken
, dafj er die Dringlichkeit dieser Aufgabe erkannt hat.

Er sieht sein Werk als eine Durchleuchtung der theologischen
„Wandlungen" von Schleiermacher bis Karl Barth, und er legt
es an als eine „enzyklopädische" Studie zur Praktischen Theologie
: mit Recht, denn solch Gesamtbild fordert die Kunst, aus
dem überreichten Material das Wesentliche so herauszuheben,
dafj ein zutreffendes Gesamtbild entsteht.

Das Buch enthält drei Hauptabschnitte, geordnet nach der
„Begründung" der Disziplin in der Idee (Schleiermacher, Tanner
, Nitzsch, Marheinecke, A. Schweitzer, Ebrard, Ehrenfeuchter,
die Enzyklopädiker u. a.), Begründung im Stoff: (Otto, Th.
Harnack, van Osterzee, Chr. Achelis (Höhepunkt), sowie kleinere
Arbeiten, die Enzyklopädiker). Begründung im Wort : Pfennigsdorf
, Barth und sein Kreis (Thielicke, Diera, Vogel), sowie „Arbeiten
aus atheistischer Umgebung": Dedo Müller, Kertzsch,
Haendler. Die Stichworte (Idee, Stoff, Wort) sind sachgemäß so

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weit zu verstehen, dafj einerseits Barth-Diem, andererseits Mül-
ler-Haendler unter dasselbe Stichwort eingereiht werden können.
Sie haben aber eben mit dieser Weite recht, sofern hierin die
„unterirdische Arbeitsgemeinschaft" zu willkommenem Ausdruck
kommt, von der für seine Arbeit Tillich in seiner Beziehung zu
(Karl Barth spricht. Der Standort des Autors wird deutlich an
seiner besonderen Zustimmung zu meiner Definition der Praktischen
Theologie als Strukturtheologie der gegenwärtigen Kirche
und meiner Tendenz zu „organisch funktioneller Darstellung".

Ein besonderes Verdienst des Autors liegt darin, daß er jedem
Abschnitt einen Paragraphen über die Parallelentwicklung
der katholischen Pastoral hinzugefügt hat. Ergebnis des Gesamtwerkes
sind die drei Richtlinien: Ausgangspunkt allein die
Kirche Jesu Christi, sodann Durchleuchtung nicht nur, wie es
Aufgabe der Systematischen Theologie ist, des Wesens der Theologie
, sondern auch und besonders ihrer konkreten Erscheinungsformen
, und schließlich Entwicklung der Arbeitsweise der
Praktischen Theologie aus der Sache.

Die Wahl der drei grundlegenden Stichworte ist bestritten
worden. Aber man wird weder behaupten können, daß die Darstellung
des Stoffes durch sie gelitten hätte, noch bestreiten
können, daß sie die Grundintention der drei Perioden zutreffend
charakterisieren. Höchstens ließe sich fragen, ob für die heilte
etwas abgegriffene Formel „Wort" sich nicht eine frischere Bezeichnung
finden ließe, zumal die beiden ersten Gruppen die
Begründung im „Wort" ja auch für sich beanspruchen würden.
Jedenfalls aber bietet das Buch ein lebendiges und instruktives
Bild der Geschichte der Praktischen Theologie. Ein besonderer
Vorzug ist darin zu sehen, daß das enge Spezialgebiet durchweg
in Beziehung zur gesamten Geisteslage der jeweiligen Zeit
dargestellt wird. Man kann dem Autor gern und dankbar bescheinigen
, daß er nicht nur zur Behebung der „Wohnungsnot"
(Fendt) der Praktischen Theologie einen wertvollen Beitrag geleistet
, sondern auch ihren Gehalt lebendig und weiterführend
dargestellt hat. Der Atem theologischen Denkens und die Bedeutung
theologischer Durchdringung der Seins-Situation sind
wohltuend spürbar.

Berlin-Friedrichshagen Otto Haendler

Exeler, Adolf: Wesen und Aufgabe der Katechese. Eine pastoralgeschichtliche
Untersuchung. Freiburg-Basel-Wien: Herder
[1966]. X, 298 S. gr. 8° = Untersuchungen zur Theologie der
Seelsorge, hrsg. v. F. X. Arnold, 21.

Das Ziel der Untersuchung, die 1963 von der (Katholisch-
theologischen Fakultät in Münster als Habilitationsschrift angenommen
wurde, besteht darin, „in der Form einer Bestandsaufnahme
nach dem Selbstverständnis der katholischen Kate-
chetik zu fragen, wie es sich seit der Entstehung der Pastoraltheologie
als selbständiger Universitätsdisziplin (1774) dokumentiert
hat" (S. 3). Vf. leistet damit einen Beitrag zur Geschichte
und zur systematischen Grundlegung der Katechetik. Besonders
zu begrüßen ist, daß katholische und evangelische Autoren in
gleicher Weise herangezogen werden. Die Arbeit zeichnet sich
durch gründliche Quellenbenutzung, ausgewogenes Urteil, Sachlichkeit
in Kontroversfragen und nicht zuletzt durch Klarheit in
der Gliederung und im Stil aus.

In fünf Kapiteln fragt E. nach den Empfängern der Katechese
(S. 11-66), ihrem Ziel (S. 67-121), ihrer Aufgabe (S. 122-166),
ihren Trägern (S. 167-219) und ihrem Wesen (S. 220-276). Den
Folgerungen aus dem Ergebnis der Untersuchung (S. 277-282)
schließen sich ein reichhaltiges Literaturverzeichnis sowie ein Namen
- und Sachregister an.1

') Ergänzend sei hingewiesen auf die Abhandlungen von W. Baltin, Die
Gliederung des Katechumenats, in: „Die Christenlehre" 14. Jg. 1961, S. 75-87:
ders., Die Abgrenzung des Katechumenats, ebd. S. 183-203; K. Brinke!, Kinder-
und Jugendkatechumenat oder Gesamtkatechumenat? ebd. 16. Jg. 1963, S. 23-34:
A. Stockmann, Läßt sich der Begriff „Katechumenat" vom Neuen Testament her
näher bestimmen und abgrenzen?, ebd. S. 124—127.

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 9