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Ausgabe:

1967

Spalte:

706-707

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Röthlisberger, Hugo

Titel/Untertitel:

Kirche am Sinai 1967

Rezensent:

Frör, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 9

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stischen Sinne der Aufklärung, Beschwörung und Bannung von
Mächten, die das Leben im tiefsten bedrohen" (S. 38).

„Die Verkündigung von heute (muß) trinitarisch sein. Sie
darf sich nicht spezialisieren, weder auf die private noch auf die
öffentliche Lebenssphäre. Sie kann nicht mehr nur individualistische
Heilslehre sein, sosehr auch alle Verwandlung der Welt
vom Einzelnen ausgehen mufj. Sie mufj die ganze Fülle der
Offenbarung in Christus und ihre Bedeutung für das Ganze der
Weltwirklichkeit, für Natur, Geschichte und Kosmos zum Ausdruck
bringen" (S. 185).

Im weiteren Sinne bedeutet der trinitarische Ansatz von A. D.
Müller die Abwehr jeder Auswahltheologie, d. h. einer solchen,
die ihre Themen und ihre theologischen Kategorien bewufjt oder
unbewußt nach Mafjgabe des Opportunen beschneidend auswählt
- und damit das spezifisch Christliche verfehlt und die
biblische Radikalität verliert. In der Tat scheint uns ein (wie
man entgegensetzen könnte) christologischer Ansatz
zum Überwinden der genannten Gefahr nicht hinreichend Gewähr
zu bieten, zumal ein solcher, im Gegenteil, zu sehr das
Modell der Konzentricrung überhaupt prägt, dessen Mittelpunkte
und Zielpunkte (einschließlich dessen, was mich unbedingt angehen
oder umtreiben soll) sehr willkürlich gewählt werden
können. Auch demgegenüber bejahen wir A. D. Müllers t r i n i -
tarischen Ansatz, dessen Tendenz zur Gesamtdurchleuchtung
nur um so überzeugender und befreiender die kompromißlose
Ablehnung jedes Krieges und jeder Art Kriegsideologie zur
Folge hat. Dafj es indes nicht beim bloßen Imperativ oder subjektiven
Zeugnis bleibt, sondern nichtsdestoweniger eine Vielzahl
von konkreten praktischen Anregungeni für nächste
Schritte sowie für entsprechende Ausrichtung der kirchlichen
und öffentlichen Meinungsbildung gegeben werden, ist ebenfalls
eine Folge des trinitarischen Weitblickes und erhöht noch
den Wert des Buches.

Berlin Hans-Georg Fritzsche

Benenson, Peter: Naturrecht und geschriebenes Recht. Meinung
eines Juristen (Concilium 3, 1967 S. 375-381).

Bö ekle, Franz, u. Josef Könne: Geschlechtliche Beziehungen
vor der Ehe. Die Lage bei der studentischen Jugend.
Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag [1967J. 67 S. 8° = Probleme
der Praktischen Theologie, hrsg. v. L. M. Weber u.
A. Görres, 5. Kart. DM 6.80.

Dem m er, Klaus: Glaubensgehorsam als Verpflichtung zur
Wirklichkeit (Catholica 21, 1967 S. 138-157).

Fuchs, Josef: Christliche Freiheit, Freiheit der Kirche, Religionsfreiheit
(Catholica 21, 1967 S. 1-11).

Hamelin, Leonce: Die Übertragungstechnik im Dienst der
guten Sitten (Concilium 3, 1967 S. 392-396).

Kutz, Stanley: Gedanken zur Tugend der Wahrhaftigkeit (Concilium
3, 1967 S. 388- 391).

tinding er, Helge: Über das Böse (ZEE 11, 1967 S. 230-
242).

Lobo, Ildefons: Geschichtlichkeit und Erneuerung der Moral

Concilium 3, 1967 S. 363-375).
Ouwerkerk, Coenraad van: Säkularität und christliche Ethik

(Concilium 3, 1967 S. 397-416).

Picht, Georg: Was heißt aufgeklärtes Denken? (ZEE 11, 1967
S. 218-230).

Rott er, Hans: Naturrecht und Offenbarung (StZ 179, 92. Jg.
1967 S. 283-292).

S c h e 1 a u s k e, H. D.: Der Naturrechtsgedanke im Bereich der
protestantischen Theologie (Catholica 21, 1967 S. 47-64).

Schrey, Heinz-Horst: Jenseits von Naturrecht und Positivismus
. Die Begründung des Rechts in der evangelischen Theologie
der Gegenwart im deutschen Sprachraum (Concilium
3, 1967 S. 382-387).

Sturm, Douglas: Three Contexts of Law JR 47, 1967 S. 127-
145).

KATECHETIK
UND RELIGIONSPÄDAGOGIK

Röthlisberger, Hugo: Kirche am Sinai. Die Zehn Gebote
in der christlichen Unterweisung. Zürich-Stuttgart: Zwingli Verlag
1965. 158 S. gr. 8° = Studien zur Dogmengeschichte und
systematischen Theologie, hrsg. v. F. Blanke, A. Rieh, O. Weber
, 19. 8fr. 19.80.
Die Studie enthält die wichtigsten Stücke einer Dissertation,
die der Verf., Missionar in Indonesien, im Jahre 1962 der Theologischen
Fakultät der Universität Edinburgh vorgelegt hat. Sie
verfolgt die Verwendung und Bewertung des Dekalogs vom
Neuen Testament (bes. bei Paulus) durch die Kirchengeschichte
bis zu den Katechismen der Reformatoren (Luther, Calvin, Heidelberger
Katechismus). Die letzteren werden einer besonders
eingehenden Prüfung und Kritik unterzogen. In einem abschließenden
Teil wird die traditionelle Wertung und monopolistische
Verwendung des Dekalogs in der kirchlichen Katechisation radikal
in Frage gestellt und statt dessen eine christologisch begründete
Sittenlehre gefordert, die wieder, wie es bis zum 13.
Jahrhundert geschah, vom doppelten Liebesgebot ausgeht und
im Artikel der Heiligung ebenso zentral bei Christus einsetzt,
wie im Artikel der Rechtfertigung (145). Einzelne Gebote des
Dekalogs sollen dabei durchaus Erwähnung fiinden, aber es
kann nicht darauf ankommen, daß die Schüler Gebote oder Lebensregeln
aus dem Alten Testament auswendig lernen, sondern
darauf, „die jungen Christen im Prüfen des Willens Gottes einzuüben
" nach Rom. 12, 2 (150 f.). Offenbar sind dabei auch die
Erfahrungen des Missionars in einem Land mit nichtchristlichen
Traditionen wirksam, wenn er davor warnt, „den neuen Wein
der christlichen Ethik in die alten Schläuche des Dekalogs zu
füllen" (118 f.).

Wenn auch bei diesem weitgespannten Thema vieles recht
summarisch, gelegentlich auch allzu pauschal behandelt wird, so
ist es doch ein bedeutsames Verdienst, daß mit einer ganzen
Reihe von altvererbten und tabuierten Vorstellungen aufgeräumt
wird, die in der Theorie und Praxis des Katechismusunterrichts
nocli immer herumgeistern. Man kann heute wirklich nicht mehr
mit der These arbeiten, Jesus habe den Dekalog lediglich bestätigt
und als verbindlich erklärt. Ebensowenig kann die Gleichsetzung
von Naturgesetz, Dekalog und Liebesgebot in der Theologie
des 16. Jahrhunderts noch aufrechterhalten werden. So
trifft die Kritik des Verf. an vielen Stellen wirklich ins Schwarze.
Eine wesentliche Voraussetzung seiner Kritik scheint die bib-
lizistische Verwendung des Dekalogs als Gesetzeskodex in der reformierten
Tradition zu sein (111). Vielleicht wird deshalb nicht
deutlich genug erkannt, daß die Kirche den Dekalog immer nur
in einer radikalen Uminterpretation, bis in den Wortlaut hinein,
katechetisch verwenden konnte und auch heute nur so verwenden
kann. Die Anwendung hermeneutischer Kategorien auf den
Dekalog als katechetisches Hauptstück hätte zweifellos historisch
und systematisch eine andere und sachgemä5ere Beleuchtung
ergeben und radikale Alternativen überflüssig gemacht. Das gilt
vor allem für die Darstellung Luthers. Hier kommt Vf. mit einigen
Kautelen schließlich doch zu dem summarischen Urteil, Luther
habe den Dekalog im Kleinen Katechismus im Sinne des
usus elenchticus verstanden und ihn darum auch dem Credo
vorangestellt (87f.; 103; 133). Es ist sehr die Frage, ob das
wirklich zutrifft. Obwohl Vf. die Arbeiten von Joest und Haikola
anführt, macht er keinen Versuch, die Interpretation des Dekalogs
in Luthers Katechismusunterricht von der Analogie zur neu-
testamentlichen Paränese aus zu verstehen. Kann man wirklich
behaupten: „Somit sind die paulinischen Ermahnungen von Luthers
Gesetzeslehre her gesehen eher eine Verlegenheit" (133)?
Hier scheint sich Vf. noch zu sehr an einem klischeehaften Bild
der Theologie Luthers zu orientieren, das durch die neueren
Forschungen doch erheblich korrigiert und differenziert wurde.
Wenn ein ethischer Unterricht mit dem Dekalog heute überhaupt
ein Recht haben soll, dann doch nur so/ daß die (uminterpretierten
) Einzelgebote des Dekalogs als faßliche und hand-