Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1967

Spalte:

697-700

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Sasse, Hermann

Titel/Untertitel:

In statu confessionis 1967

Rezensent:

Peters, Albrecht

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

697

T i 1 g n e r, Wolfgang: Volksnomostheologie und Schöpf ungs-
glaube. Ein Beitrag zur Geschichte des Kircherlkampfes. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1966. 268 S. gr. 8" = Arbeiten
zur Geschichte des Kirchenkampfes. Im Auftrage d. „Kommission
d. Evangelischen Kirche in Deutschland für die Geschichte
d. Kirchenkampfes" in Verbindung m. H. Brunotte
u. E. Wolf hrsg. v. K. D. Schmidt f, 16. DM 24.-.
Die Volksnomostheologie ist ein Bastard der Theologie der
Schöpfungsordnungen, die ihrerseits wiederum auch auf einen
mit allerlei „artfremden" Aufpfropfungen versehenen Stammbaum
zurückblicken kann. Das Buch von Tilgner bringt in dieses
Familienleben insoweit eine erfreuliche Ordnung, als er Herkunft
, Kindheit, Wachstum und virulente Reife der Volksnomostheologie
aufmerksam nachprüft und auch den geistigen Umgang
dieses Nebentriebs der Ordnungstheologie untersucht. Dabei
werden dem Kenner der Geistesgeschichte der letzten 200
Jahre keine Überraschungen mitgeteilt, aber die sorgfältige Aufstellung
des Ahnenpasses von Herder über Schleiermacher, Fichte,
Arndt, Jahn, Hegel ist allein schon eines vollen Lobes wert.
Was dann über die Volksgeist-Lehre gesagt wird, hätte vielleicht
noch eine eingehendere Behandlung der romantischen Rechtsschule
wünschenswert gemacht Auch von dem christlich-germanischen
Kreis um Friedrich Wilhelm IV. hätte sich viel Interessantes
zum Thema sagen lassen, zumal der Verfasser sehr
richtig auch Wichern und die Innere Mission in einem etwas
knappen Abschnitt erwähnt. Den Übergang zum Hauptteil des
Buches bildet die Darstellung der Gedankenwelt von Lagarde,
Chamberlain und dem „Rembrandtdeutschen" (J. Langbehn, über
den das aufschlußreiche Buch seines Freundes Benedikt Moramc
Nissen hätte herangezogen werden sollen). Der dann in den
Kirchenkampf hineinführende Hauptteil ist sachlich, d. h. nach
den Hauptvertretern der Nomos- bzw. Schöpfungstheologie gegliedert
. Es werden nacheinander die entsprechenden Schriften
von Stapel, Schomerus, Hirsch, Gegarten, Althaus, Eiert analysiert
. Sehr gut und z. T. sogar überaus reizvoll ist es, daß im
Literaturverzeichnis auch die nach 1945 eirschi|enenen Bücher
bzw. Schriften genannt werden, wobei man wohl Emanuel
Hirschs monumentale 5bändige Geschichte der neueren ev. Theologie
nicht in diesem Zusammenhang zu sehen hat. Sehr notwendig
war auch, daß der Verfasser die Parallelerscheinungen
m der Missionstheologie behandelt. Hier hätte er sich nicht nur
auf Guttmann beschränken sollen, wie man auch gewünscht
hätte, daß er, worauf Althaus ja besonders hingewiesen hat, auf
die Schöpfungstheologie im Auslandsdeutsch tum in einem besonderen
Abschnitt eingegangen wäre. Zum Schluß kommen die
Gegner der Volksnomostheologie mit ihren Äußerungen eingehend
zu Wort. Ob die Barmer Erklärung die Volksnomos-
lehre wirklich „überwunden" hat, ist freilich zu sehr von ihrer
damaligen Bedeutung her gesehen. Der Kampf um die Barmer
Erklärung - man denke an die vielen Nivellierungsver-
suche noch während des Kirchenkampfcs! - ist hinreichend bekannt
. Wenn der Vf. im Vorwort das Wort seines Lehrers Kurt
Dietrich Schmidt zitiert: „Praktisch mufj die These (vom Volks-
nomos) als erledigt gelten", so möchte der Rez. im Blick auf
das, was in Theologie und Kirche immerhin, wenn auch der jeweiligen
Zeitlage angemessen, wieder möglich sein kann, sich
mehr zu einer Skepsis bekennen. Um so mehr wird man Tilg-
ners Buch nur begrüßen können. Wenn man nur hoffen dürfte,
dafj die stille, verantwortungsvolle akademische Arbeit ausreichte
, um ungute Entwicklungen ein für alle mal unmöglich
zu machen!

Berlin Karl K u p I s c h

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

l S a s s e, Hermann:] In Statu Confessionis. Gesammelte Aufsätze
von Hermann Sasse, hrsg. v. F. W. Hopf. Berlin-Hamburg
: Lutherisches Verlagshaus 1966. 380 S., 1 Porträt gr. 8°.
Lw. DM 32.-.

698

In diesem umfangreichen Bande sind „Beiträge zu den Zeit-
und Streitfragen der lutherischen Kirchen in aller Welt und zu
ihrer ökumenischen Verantwortung für die ganze Christenheit"
gesammelt (Vorwort des Herausgebers, S. 5), welche der Erlanger
Kirchenhistoriker D. Hermann Sasse vor allem nach seiner
Emigration nach Australien in „Briefen an lutherische Pastoren"
schrieb. Sasse möchte die im Status unseres Hier und Jetzt uns
von Gott abgeforderte Confessio gewinnen aus dem Wort Gottes
und dem lutherischen Bekenntnis, wobei er jedoch nicht minder
aus dem reichen Schatz seines kirchengeschichtlichen Wissens
schöpft.

Seit Ende 1948 schreibt Sasse diese „Briefe an lutherische
Pastoren", welche im vorliegenden Sammelband ergänzt und bereichert
sind durch seine Äußerungen zum Kirchenkampf. Die
frühesten Voten sind ein Beitrag aus der Festschrift für Wilhelm
Zoellner, 1930 „Über den Glaubenssatz von der Einheit
der Kirche" (S. 155-167) und ein Abschnitt aus dem Kirchlichen
Jahrbuch 1932 über „Die Kirche und die politischen Mächte der
Zeit" (S. 251-264), in welchem er den berühmt-berüchtigten Ar
tikel 24 des nationalsozialistischen Parteiprogramms als unvereinbar
mit dem Auftrag der Christenheit zurückweist (S. 262 ff.).
Aus den über 60 Nummern jener Briefe konnte nur eine geringe
Anzahl abgedruckt werden. Die Briefe zum Schriftverständnis
wurden ausgeklammert, da Prof. Sasse eine Monographie „Sacra
Scriptura" unter der Feder hat; ebenso wurden Einzelbeiträge
zum Abendmahlsgespräch übergangen, da auf das englische
Abendmahlsbuch „This Is My Body" (Minneapolis 1959) ein
deutschsprachiges Werk, folgen soll. |Ferner mußteh mamchei
Briefe zum Katholizismus, insbes. zum II. Vatikanum, zur ökumenischen
Bewegung und zur Lage des Weltluthertums zurückgestellt
werden in der Hoffnung auf einen weiteren Sammelband
(vgl. S.6).

Das Geleitwort des Verfassers zum kirchlichen wie theologischen
Ort des Bandes (S. 7-10) deutet an, wie für Sasse die
liberale und religionsgeschichtliche Theologie seiner Berliner
Lehrer auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges blieb und
er mit vielen seiner Generation durch Karl Barth und die Lutherrenaissance
zur Reformation zurückgeführt wurde. Durch jene
Rückkehr zu Schrift und Bekenntnis erfuhr er sich als eingefügt
in die Zeugenketbe der Väter wie Hermann Bezzel, Ludwig
Ihmels und Wilhelm Zoellner, sowie der Vorväter August Vilmar
und Wilhelm Löhe.

Die Sammlung gliedert sich in vier Abschnitte: Die Kirche
und ihr Bekenntnis (S. 13-69); Von den Kennzeichen der Kirche
(S. 73-151); Kirche und Kirchen (S. 155-248); Bekenntnis und
Bekennen (S. 251-341); ein Namen-, Sach- und Schriftstellen-Register
(S. 342 - 353) schlüsselt sie auf. Die vom Herausgeber 7.u-
sammengetragene Bibliographie (S. 355-377) mit ihren 333 Nummern
läßt den umfassenden Kreis sichtbar werden, aus welchem
das Abgedruckte einen Ausschnitt bietet.

Der Abschnitt über die Kirche und deren Bekenntnis (S. 13-
69) setzt ein mit einer grundsätzlichen Besinnung zur Confessio
(S. 13-25). Die Kirche sammelt sich um das Bekenntnis als
rechte Auslegung der Schrift; unser Bekennen rückt das jeweilige
Hier und Jetzt in das Licht des Jüngsten Tages; wir bekennen
uns zu dem Herrn, welchem wir im Glauben entgegeneilen
. „Weil die lutherische Kirche den tiefen eschatologischen
Ernst alles Bekennens, den das Neue Testament bezeugt, verstanden
hat, darum kennt sie kein .vorläufiges' Bekenntnis" (S.
24). So rufen uns die Väter der Reformation hinein in das lebendige
Ringen vor Gottes Angesicht; wo wir uns diesem ihrem
Anspruch zu stellen wagen, erfahren wir, was Kirche eigentlich
ist. Von diesem zentralen Einstieg aus deutet Sasse das Chalce-
donense (S. 26-37) als bleibend gültigen Kommentar zum Ni
caeno-Constantinopolitanum (S. 31), entwickelt er Luthers reformatorischen
Ansatz (S. 38-49). Der Artikel VII des Augsbui -
gischen Bekenntnisses (S. 50-69) als „die erste dogmatische
Feststellung über das Wesen und die Einheit der Kirche, die
jemals in der Christenheit gemacht worden ist" (S. 51), lenkt

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 9