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Ausgabe:

1967

Spalte:

694-695

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Rozemond, Keetje

Titel/Untertitel:

Archimandrite Hierotheos Abbatios 1967

Rezensent:

Spuler, Bertold

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Dieses Bleiben an der Oberfläche gilt auch für die angestrebte
Herausarbeitung der Eigentümlichkeiten und spezifischen Besonderheiten
der einzelnen BS. In diesen Zusammenhang gehört
ferner die weitgehende Nivellierung der unterschiedlichen Aussageebenen
und -strukturen in den verschiedenen BS (vgl. etwa
KK/GK mit AC!): Es wird nicht sichtbar, daß die Verschiedenheit
dieser Ebenen und Strukturen notwendig den Stellen- und
Funktionswert dieser Aussagen und damit auch ihren Aussagegehalt
entscheidend modifiziert. Schließlich ist kritisch zu vermerken
, daß die äußeren Proportionen der einzelnen Kapitel
z- T. in einem eklatanten Mißverhältnis zu ihrer inneren, sachlichen
Gewichtigkeit stehen (vgl. etwa Kap. 4 und 6 mit Kap. 7
«nd 9). Dadurch wird das innere Schwergewicht und die sachliche
Akzentverteilung der reformatorischen Theologie schon
vom Quantitativen her erheblich gestört.

Es bleibt also - diese Feststellung bedauert man angesichts
der vorzüglichen methodologischen Grundlegung wie der kennt--
nisreichen und stoffbeherrschenden Einzelinterpretalion sehr -
weiterhin das Desiderat einer umfassenden theologischen Kom-
mentierung und Interpretation der lutherischen BS, die diese
erst einmal je für sich und dann im Zusammenhang mit den
anderen BS wie mit der reformatorischen Theologie im ganzen
analysiert - und zwar unter sorgfältiger Beachtung ihres geschichtlichen
Ortes - und die dann ihr Augenmerk auf ihre
theologiegeschichtliche Einordnung und Verspannung (positiv
wie negativ) nach rückwärts und nach vorwärts richtet. Anders
gesagt: Es geht um eine sowohl historische wie systematischtheologische
Interpretation im Horizont der (vor allem abendländischen
) Christentums- und Theologiegeschichte. Ein solches
Vorhaben müßte sich allerdings zuvor über den theologischen
Sinn und die theologische Relevanz theologiegeschichtlicher Arbeit
überhaupt klar geworden sein, will sie sich nicht dem
Vorwurf einer bloßen historistischen Einstellung aussetzen.

Münster / W. Klaus Haendler

Ridley, Jasper: Thomas Cranmer, Oxford: Clarendon Press;

London' Oxford University Press [1966]. III, 450 S., 1 Taf.

8° = Oxford Paperbacks 104. 12 s. 6 d.
Das Buch ist erstmalig im Jahre 1962 und im gleichen Jahr
in einem Neudruck erschienen und nun in die Oxford Paperbacks
aufgenommen worden. Dies macht die Bedeutung der
Darstellung gegenüber den mancherlei Biographien über Cranmer
deutlich. Zugleich ist die Darstellung ein bemerkenswerter
Beitrag zur Geschichte der Reformation. Der Verfasser hat sein
Buch aufgebaut auf unzähligen kleinen Einzelheiten, wobei er
neues Material benutzt hat, das bisher die Biographen Cran-
mers übersehen haben. Das Buch wird für lange Zeit die endgültige
Lebensbeschreibung Cranmers bleiben. Die Liste der von
R. benutzten Archivalien, die bisher ungedruckt sind, und das
umfassende Literaturverzeichnis werden dem deutschen Historiker
, der sich in neuerer Zeit, abgesehen von Beiträgen in Enzyklopädien
und einigen wenigen Darstellungen der Beziehungen
zur deutschen Reformation, nur in geringem Maße mit
Cranmer beschäftigt hat, eine wertvolle Hilfe sein. Es ist bemerkenswert
, daß jene zeitgenössische „Historia von Thoma
Cranmero dem Ertzbischoff zu Canturia inn Engelland", Weißen-
fels 1561, die bisher einzige deutsche Biographie des Erzbischofs
geblieben ist. Eine deutsche Übersetzung des vorliegenden Buches
ist daher erwünscht. Sie vermag den Gesichtskreis auch aller
derer zu erweitern, welche an der Reformation des 16. Jahrhunderts
in umfassendem Sinn interessiert sind.

Eine gute Hilfe ist die Einführung in das Buch, welche die
■wichtigste Literatur über Cranmer kritisch bespricht. Bei dem
Umfang des Buches und der Fülle der in ihm dargestellten Ereignisse
ist es unmöglich, im Rahmen dieser Besprechung auch
nur auf größere Komplexe der Darstellung einzugehen. Abgesehen
von den ersten 40 Jahren des Werdens Cranmers orientiert
sich das Bild und die Tätigkeit des Erzbischofs an den
verschiedenen Ereignissen der Regierungszeit Heinrichs VIII.,
wobei die zahlreichen Ehen des Königs makabre Marksteine

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bilden. Cranmer erscheint charakterlich in seinem Handeln im
Zwielicht. Dazu kommt, daß er sich fast ständig in finanzieller
Bedrängnis befand. Andererseits hat er frühzeitig Interesse an
den reformatorischen Vorgängen in Deutschland gefunden. Folgenreich
für seine Karriere, aber auch für seinen Lebensausgang
war das Treffen mit Vertretern des Königs in der Abtei Walt-
ham (Essex). Hier gab Cranmer in der Ehescheidungsangelegenheit
des Königs von Katharina von Aragon den Rat, der König
solle sich nicht an den Papst, sondern an die Universitäten wenden
. Cranmer wurde Gutachter und Erzbischof von Canterbury.
Er förderte die Ehe des Königs mit Anna Boleyn und nahm nach
ihrem Sturz eine Haltung ein, die auf Seiten der Historiker zu
starken gegensätzlichen Auffassungen geführt hat, mit denen
der Verfasser sich auseinandersetzt. Daß Cranmer die sechste
Königin Katharina Howard denunzierte und damit dem Henker
auslieferte, zeigt wohl am deutlichsten das zwielichtige Bild
des Erzbischofs. Dies wird auch deutlich hinsichtlich seiner eigenen
Ehe mit Margarete, der Nichte von Andreas Osiander in
Nürnberg, von der er einen Sohn und eine Tochter hatte.

Demgegenüber steht sein Handeln in der Durchführung von
Reformen in der englischen Kirche. An der Abfassung der 10
Artikel (1536), die einen Zwischenzustand zwischen katholischen
und reformatorischen Ordnungen zeigen war er wesentlich beteiligt
. Um so stärker trafen ihn die 6 Artikel (1539), die die
Reformbestrebungen eindämmten und Cranmer in Todesgefahr
brachten. Denn Art. 3 verbot bei Todesstrafe die Priesterehe.
Cranmer konnte noch rechtzeitig seine Frau nach Deutschland
schicken, von wo er sie nach dem Ted des Königs zurückholte,
um kurz vor seiner Verurteilung zum Scheiterhaufen sie erneut
mit ihren Kindern nach Deutschland zu senden. Zumindest
konnte er sich angesichts des Artikels 3 auf die Trennung von
seiner Frau berufen.

Die Krönungsrede Cranmers bei der Thronbesteigung des
zehnjährigen Eduard VI. mit ihrem Hinweis auf das Beispiel
des alttestamenüichen Königs Josia macht Cranmers wichtigstes
informatorisches Vorhaben, die Beseitigung der Bilder, deutlich.
Die Veröffentlichung des Book of Homilies (1547) und seine Mitarbeit
am Book of Common Prayer (1549) zeigen seine Bedeutung
für die Reformation in England. Cranmer gelang es, den
Widerspruch der katholisch Gesinnten wie die Forderungen der
festländischen Protestanten, Bucer und Peter Martyr, einzur
dämmen. Unter der katholischen Maria wurde ihm das Schicksal
zuteil, das andere Kirchenmänner vor ihm ereilt hatte. Wie
wenig es menschliche Dankbarkeit gibt, mußte auch Cranmer
erfahren, der einstmals Maria vor dem Henker gerettet hatte.

Berlin Walter Delius

Rozemond, Keetje, Dr.: Archimandrite Hierotheos Abbatios
1599-1664. Leiden: Universitaire Pers Leiden 1966. 101 S.
m. 7 Abb. 8° = Leidse Historische Reeks van de Rijksuni-
versiteit te Leiden, red. W. den Boer, A. E. Cohen, Th. J. G.
Locher en I. Schöffer, XI. Lw. hfl. 14.50.

Den wohl stärksten Eindruck übte die abendländische reformatorische
Theologie auf die Orthodoxie in der Person des
Kyrillos Lukaris aus, der seit 1620 fünfmal auf dem Patriarchenstuhl
von Konstantinopel saß und schließlich 1638 von den
Türken auf einem Schiff im Bosporus erdrosselt wurde. Aber
auch für eine Reihe weiterer Geistlicher seines Zeitalters war
die reformierte Theologie von Bedeutung. Einer von ihnen,
dessen Lebenslauf in der vorliegenden Arbeit mit minutiöser
Sorgfalt beschrieben wird, weilte 1644 bis 1649, anfänglich mit
einem zweiten geistlichen Würdenträger zusammen, in Leiden,
wo er Theologie studierte und später als Übersetzer reformierter
Bekenntnisschriften ins Griechische, wie des „Heidelberger
Katechismus", tätig war. Mit Hilfe dieser Übersetzungen versuchte
die reformierte Kirche um die Mitte des 17. Jhs. der
damals sehr eifrigen römisch-katholischen (Unions-)Propaganda
zu begegnen, ohne freilich nachhaltige Erfolge zu erzielen.

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 9