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Ausgabe:

1967

Spalte:

667-668

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schwantes, Heinz

Titel/Untertitel:

Schöpfung der Endzeit 1967

Rezensent:

Hegermann, Harald

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Seite 1

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storischen Exegese! Der als ein heimeneutisches Prinzip apostrophierte
„biblische Realismus" entpuppt sich so zuletzt als
ein ganz schlichter Fundamentalismus. Wenn sich die Studie
dennoch als eine „primär historische" versteht, die versucht, die
Botschaft Jesu zu erheben (der doch wohl als ein historischer
Mensch existiert hat, und nicht als ein „biblischer"!),
und zwar in terms of its own historical milieu (S. 327), so bleibt
nur die Feststellung, daß sie diesem Anspruch nicht genügt.

Bochum Erich Gräßsr

Schwante s, Heinz: Schöpfung der Endzeit. Ein Beitrag zum
Verständnis der Auferweckung bei Paulus. Berlin: Evang.
Verlagsanstalt [1963]. 96 S. gr. 8° = Aufsätze u. Vorträge z.
Theologie u. Religionswissenschaft, hrsg. v. E. Schott u. H.
Urner, 25, und Stuttgart: Cahver-Verlag = Arbeiten zur Theologie
, 1. Reihe, hrsg. m. A. Jepsen u. O. Michel v. Th. Schlatter
, 12.

Die vorliegende Studie ist eine stark gekürzte Fassung der
Dissertation des Autors, die im Frühjahr 1961 von der Theologische
Fakultät Jena angenommen wurde. Sch. geht von der
Beobachtung aus, da5 schöpfungstheologische Aussagen bei
Paulus stark zurücktreten im Vergleich mit AT und Spätjudentum
, und er möchte untersuchen, wie dies Faktum im Blick
auf die Verkündigung des Paulus zu erklären ist.

Im ersten Teil (A) geht er die Paulusstellen nacheinander
durch, an denen man alttestamentliche und spätjüdische Schöpfungstradition
bezeugt finden kann. Dabei unterscheidet er von
„nichtendzeitlichen" (11) Belegen (1. Kor. 6,16; 10,26; ll,7ff.; 2.
Kor. 9,10; Rom. 9,19ff.; dazu Rom. 1,24; 4,17) die endzeitlich
akzentuierten wie Gal. 6,15; 2. Kor. 5,17; 4,6; Rom. 8.18ff.;
eine Sonderstellung nehmen Rom. 11,36 und 1. Kor. 6,8 ein.
Sch. geht exegetisch vor, doch in sehr verschiedener Ausführlichkeit
; 1. Kor. 10,26 erhält neun Zeilen, 1. Kor. 4,6 zehn Seiten
. Das Schwergewicht liegt auf den eschatologisch akzentuierten
Stellen, und hier wird Sch. auch weithin Zustimmung
finden. Mit Gewinn liest man vor allem die interssanten Ausführungen
zu Gal 6.,15 und 2. Kor. 5,17 sowie zu 2. Kor. 4,6
(S. 26-42), wo S. durch Heranziehung spätjüdischer und rabbi-
nischer Tradition die eschatologische Akzentuierung der schöpfungstheologischen
Aussagen dieser Paulusstellen klärend beleuchtet
. Im übrigen dienen die Exegesen der Stellen dazu, jeweils
zu zeigen, dafj die Schöpfer- und Schöpfungsaussagen stets
im Dienst und damit in gewisser Hinsicht auch im Schatten des
zentralen Kerygmas stehen, also etwa im Falle von Rom. 4, 17b
„im Dienste des Verheißungsglaubens" (S. 16f). Leider belastet
Sch. in vielen Fällen die Auswertung der Texte durch den leider
nicht ganz selten begegnenden Trugschluß, übernommenes,
geprägtes Gut müsse eo ipso unbetont und im Zusammenhang
unwesentlich sein; so sieht Sch. hier die schöpfungstheologischen
Aussagen etwa von Rom. 9,19ff.; 1. Kor. 10,26; 2. Kor. 9,10,
ja sogar von 1. Kor. 8,6 und Rom. 8,18ff. als gewichtsloses Beiwerk
an. Sch. kennzeichnet etwa Rom. 8,201 als ein Stück
apokalyptische Belehrung, das Paulus verdeutlichend einfügt,
und behauptet dann: „Paulus denkt gar nicht daran, sich mit
dem hier beigebrachten apokalyptischen Material zu identifizieren
" (S. 50). Auf diese Weise verdeckt sich der Verfasser das
wirkliche Verhältnis der Paulusverkündigung zur spätjüdischen
und vor allem zur jüdisch-hellenistischen Tradition, was für die
Durchführung seiner Hauptthese nicht ohne Folgen bleibt

Das eigentliche Anliegen der Arbeit bringt Teil B: „Die neue
Botschaft vom Schöpfer und seiner Schöpfung" (S. 56ff.). Von
der Einzelbeobachtung ausgehend, daß Paulus die Auferwek-
kung mit dem an Schöpfungstheologie erinnernden Begriff „lebendigmachen
" bezeichnen kann, vertritt Sch. die These: Auch
und gerade Paulus verkünde Gott als den Schöpfer, aber an die
Stelle der herkömmlichen spätjüdischen sei bei ihm die eschatologische
Schöpferverkündigung getreten, die nichts anderes
zum Inhalt hat als die Auferweckung Jesu und der Gläubigen.
Natürlich kann Sch. keinen expliziten Beleg dafür bringen, daß
Paulus bewufjt diese Ersetzung vollzieht. Aber er vermag an

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bestimmten Strukturelementen der Auferweckungsverkündigung
des Paulus zu zeigen, dafj Paulus hier in den Bahnen der Schöpfertheologie
formuliert und denkt. So betont er die souveräne
Aktivität Gottes im Ostergeschehen, prägt geradezu eine neue
Gottesprädikation („der Jesus auferweckt hat" Rom. 4,24; 8,11
etc.), mag auch gerade durch den Schöpferaspekt so nachdrücklich
auf der Leibhaftigkeit der Auferweckung bestehen. Das
oben erwähnte Fehlurteil hat es nun aber zur Folge, daß Sch.
auf wichtige Belege verzichten muß, nämlich auf Stellen, wo
Paulus erste und neue Schöpfung zusammen schaut, wie etwa in
der ausführlich behandelten Stelle 2. Kor. 4,6; stattdessen behauptet
Sch. in der Zusammenfassung (S. 94), die traditionelle
Schöpfungstheologie sei bei Paulus nirgends mit der eschatolo-
gischen verbunden oder in ihre Verkündigung eingegliedert, sie
laufe als Beiwerk „stets nur nebenher"; vor allem gebe es für
Paulus keinerlei kosmologische Neuschöpfung im Eschaton, „allein
Personenschöpfung ... - nichts weiter". Die Diskussion
mit begründeten Meinungen anderer Forscher macht sich Sch.
gern etwas zu leicht. Trotzdem verdient seine Hauptthese Gehör
. Und sie wird weithin auch eindrucksvoll durchgeführt. So
kommt Sch. bei der Frage, ob Paulus auch die universale Auferweckung
vertrete, zu Ausführungen, die als Höhepunkt der
Arbeit gelten können: Paulus verstehe Schöpfung nicht formal;
eine Wiederbelebung der zu Verdammenden zwecks Empfang
der Strafe würde er niemals Neuschöpfung und Auferstehung
nennen. Schöpfung schließt vielmehr „die Bejahung, die Liebe
zum Geschaffenen unbedingt in sich, ist selbst nichts anderes
als das Ja Gottes, wie es größer und gewaltiger nicht gesprochen
werden kann" (82f.). „Auferweckung . . . hat der Sache
nach das Endgericht Gottes bereits hinter sich" (83).

Trotz der mancherlei Unzulänglichkeiten, z. B. auch hinsichtlich
Gedankenführung, Stil, unexakter Zitierungen, hat Sch.
einen wertvollen Beitrag zum theologischen und exegetischen
Gespräch beigesteuert, wofür ihm der Dank des Lesers gebührt.

Leipzig Harald Hegermann

Georgi, Dieter: Die Geschichte der Kollekte des Paulus für
Jerusalem. Hamburg: Reich 1965. 102 S. gr. 8° = Theologische
Forschung. Wissenschaftl. Beiträge z. kirchl.-evang. Lehre,
hrsg. v. H-W. Bartsch, F. Buri, D. Georgi, G. Harbsmaier, J. M.
Robinson, K. Wegenast, XXXVIII. DM 10.-.
In 8 chronologisch geordneten Abschnitten behandelt Ceorgi
in übersichtlicher Weise die äußere und innere Geschichte der
Kollekte, die Paulus für die Jerusalemer Gemeinde sammelt -
ein dankbares Thema, das zahlreiche Aspekte urchristlicher
Theologie und Lebensformen in den Blick des Lesers rückt.

Abschnitt I beschäftigt sich mit dem Bericht vom sogenannten
Apostelkonzil Gal. 2, 1-10. Die unterschiedliche Theologie,
Organisation, Lebensform und Missionsweisc der judenchristlichen
und der heidenchristlichen Gemeinden machte die Aufrech
terhaltung der kirchlichen Gemeinschaft nur unter der Voraussetzung
einer gewissen Trennung möglich. Die Vereinbarung,
,der Armen zu gedenken' (V. 10), sollte angesichts solcher Trennung
die sichtbare Klammer zwischen Juden- und Heidenchristenheit
darstellen. Allerdings betrifft diese Vereinbarung nach Meinung
des Verfassers nur am Rande die Kollekte. .Die Armen'
ist ein ehrenvoller Titel der wahren Frommen gewesen, kein
sozialer Begriff. Die Jerusalemer Gemeinide dieser ,Armen' habe
sich berufen gefühlt, Jerusalem als den Platz der Parusie gleichsam
wie einen eschatologischen Vorposten besetzt zu halten, um
der Welt, wenn es soweit war, das Kommen des himmlischen
Königs /.u künden. Dieser andauernden und verzehrenden eschatologischen
Demonstration sollten die Heidenchristen durch ihre
innere Haltung Anerkennung zollen, indem sie sich die
Lage, Bedeutung und Leistung der Jerusalemer Christen ständig
vergegenwärtigen. Das ist gemeint mit: ,nur daß wir der Armen
gedenken möchten'. Wenn Paulus die wirtschaftliche Hilfe
nachträglich in dies Gedenken einbezieht, so nur deshalb, weil
die Jerusalemer später ohne finanzielle Unterstützung ihrer für

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 9