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Ausgabe:

1967

Spalte:

665-667

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Ladd, George Eldon

Titel/Untertitel:

Jesus and the kingdom 1967

Rezensent:

Gräßer, Erich

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866

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 9

666

Bibelstellenverweise. Der Leser und Betrachter wird weithin mit
der wissenschaftlichen Nomenklatur vertraut gemacht, selbst
Ortsangaben erscheinen in der von der Wissenschaft gebrauchten
arabischen Form. Auch Bemerkungen über historische Zusammenhänge
fehlen nicht. Dies alles darf sicherlich der bearbeitenden
Hand von Walter Baumgartner und Ernst Jenni verdankt
werden, die ihre Kenntnisse für eine gute Sache zur Verfügung
gestellt haben. Thematisch ist ein großer Radius abgeschritten
. Archäologie und Altertumskunde (Städte, Mauern, Häuser
, Türme, Burgen, Zelte, Keramik, Münzen u. a. m.) kommen
in gleicher Weise zu Wort wie Kult- und Kulturgeschichte sowie
Landeskunde (Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge, Waffen, Musikinstrumente
, Handel und Gewerbe, Jagd und Fischfang,
Ackerbau und Viehzucht, Schiffahrt und Karawanserei, Ehe, Familie
, Häusliches, Feste und Kulte, Kultgegenstände und Kultzeiten
, Tier, Pflanzen und Bäume und vieles andere, das hier
nicht aufgezählt werden kann). Dafj bei diesem weitgespannten
Rahmen nur eine Auswahl des schier unübersehbaren Materials,
das heute der biblischen Realienkunde bekannt ist, vorgelegt
werden kann, darüber sind sich Vf. und Bearbeiter im klaren. Die
Auswahl scheint mir aber glücklich getroffen zu sein. Immerhin
weist das alphabetische Sachregister reichlich 400 Stichworte auf,
hinzu treten noch Register zu Götter- und (historischen) Personennamen
und zu geographischen Angaben innerhalb des Buches
, in denen auch noch einmal rund 200 Namen stehen. Sechs
Seiten umfaßt der Bibelstellennachweis. Für den an der eigenen
Weiterbildung interessierten Benutzer des ,Biblischen Bildwörterbuches
' ist ein Literaturverzeichnis mit reichlich 70 Titeln angefertigt
, in dem die wichtigsten Nachschlagewerke und Monographien
in deutscher, englischer und französischer Sprache aus
Gegenwart und jüngerer Vergangenheit zusammengetragen sind.
Alles in allem nimmt man dieses Büchlein mit Dank und Befriedigung
in die Hand und freut sich der wohlgclungenen Popularisierung
wissenschaftlicher Forschungsergebnisse, empfindet es
aber als doppelt schmerzlich, daß ein modernes Nachschlagewerk
der biblischen Realienkunde nach streng wissenschaftlichen
Gesichtspunkten heute noch immer fehlt.

Leipzig Siegfried Wagner

NEUES TESTAMENT

L a d d , George Eldon: Jesus and the Kingdom. The Eschatology
of Biblical Realism. London: S. P. C. K. 1966. XV, 367 S. 8°.
Lw. 32 s. 6d.

Im angelsächsischen Sprachraum sind in jüngster Zeit mehrere
Untersuchungen zur Eschatologie Jesu erschienen. Dennoch
darf die vorliegende Studie von G. E. Ladd (L.), der Professor
am Füller Theological Seminary in Pasadena (California) ist,
besonderer Aufmerksamkeit gewiß sein: sie ist brillant geschrieben
, informiert in vorbildlicher Kürze, beherrscht die in-
und ausländische Literatur und tritt nicht zuletzt mit einer
These hervor, die zwar nicht absolut neu ist, aber mit einer
bemerkenswerten Konsequenz durchgeführt wird. L. unterscheidet
in der Verkündigung Jesu grundsätzlich zwischen „Erfüllung
" (fulfillment) und „Vollendung" (consummation) des Reiches
Gottes: Die „Erfüllung" ist das erlösende Handeln Gottes
in der Person und Mission Jesu selber, wodurch die Menschen
schon jetzt an den Segnungen des messianischen Zeitalters Anteil
bekommen (fulfillment within history, S. 214); die „Vollendung
" ist die apokalyptische Manifestation dieses Reiches am
Ende der Zeit (consummation at the end of history, ebd.). Durch
diese Unterscheidung, die L. durchaus als eine zeitliche Abfolge
festhält (S. 135. 214. 303), meint er dennoch das Kardinalproblem
der neutestamentlichen Eschatologie, das Verhältnis von
Gegenwart und Zukunft des Reiches (S. 116), einer Lösung zuführen
zu können: eine „dynamisch" verstandene Gottesherrschaft
erlaube, beide Momente als zwei Pole einer spannungsvollen
Einheit zusammenzubinden.

Die Durchführung dieser „zentralen These" wird in einem
meisterhaft disponierten Arbeitsgang erstrebt, wobei das Gliederungsschema
bereits das theologische Programm, oder genauer
: die heilsgeschichtliche Konzeption unseres Verfassers erkennen
läßt: Die religionsgeschkhtlichen Voraussetzungen der
„dynamischen" Basileia-Predigt Jesu im AT und der spätjüdischen
Apokalyptik werden zusammengefaßt unter der Überschrift
„Die Verheißung des Königreichs" (Teil II, S. 39-97). Jesu
Wort und Werk wird dann in Teil III als die „Erfüllung der
Verheißung" deklariert und dargestellt (S. 99-300), wobei der
Auslegung der Basileia-Gleichnisse in Mk 4 bzw. Mt 13 (S. 214
ff.) eine Schlüsselstellung zufällt: ihr einziges Thema sei das
„Geheimnis des Reiches". Und dieses „Geheimnis des Reiches"
meine genau jene „Erfüllung ohne Vollendung", die die Präsenz
des Reiches in Jesu Wort und Tat charakterisiere. In dieser
Exegese also findet L. den Schlüssel zu seinem Entwurf
(S. 223). Der IV. (sehr kurze!) Teil behandelt dann die „Vollendung
der Verheißung" (S. 301-324), im wesentlichen eine Auslegung
der syn. Apokalypse Mk 13 Parr. Abschließende Betrachtungen
über „Die bleibenden Werte für die Theologie" bilden den V.
(und letzten) Teil des Buches (Unterabschnitte: Gott handelt
in der Geschichte; die Natur des Bösen; das Königreich ist Gottes
Tat [= supranatural]; die gegenwärtige Situation [The church
is a symbol of hope S. 334fT).

Was bei aller Problematik vieler Einzelergebnisse volle Anerkennung
verdient, ist die Tatsache, daß L. dem vielfach gefächerten
Komplex „Eschatologie" bis in alle Verästelungen hinein
nachgeht, fast alle Probleme aufrollt (z. B. auch das Problem
„Jesus, Israel und seine Jünger", S. 239 ff.; Basileia und
Kirche, S. 252 ff.; Basileia und Ethik, S. 274 ff.) und schließlich
überzeugend zeigt, daß die eschatologische Predigt Jesu als ein
Phänomen sui generis zu begreifen ist, das in keine vorgegebenen
Schemata paßt, weil es sich nur aus der Summe seines
Redens und Tuns ergibt. Dennoch können einige grundsätzliche
Bedenken hier nicht verschwiegen werden. Der Gang durch die
synoptischen Evangelien, bei dem die heterogenen 'Elemente
ihrer eschatologischen Vorstellungen und ihre sehr verschiedenen
eschatologischen Entwürfe zu einem sachlichen Ganzen zusammengefaßt
werden, war nur möglich bei großzügiger Suspension
von allen form- und traditionsgeschichtlichen Erkenntnissen
. Nichts ist dafür symptomatischer als die konservative
Behandlung von Mk 13 Parr. auf wenigen Seiten; oder die Tatsache
, daß das Menschensohnproblem in ganzen 12 Zeilen (!),
das Verhältnis von Passion und Eschaton auf einer knappen
Seite verhandelt wird (S. 320f.)! Wenn dies noch begründet
würde mit der kritischen Einsicht, daß Gottesreich und Menschensohn
von Hause aus unverbunden sind! Aber Vielhauer
wird überhaupt nicht diskutiert, das Parusieproblem nirgends
thematisch gemacht. Das in einem Buch mit diesem Titel! Weiter
: das hermeneu tische Problem wird zwar immer wieder betont
, aber die Versuche in dieser Richtung sind wenig überzeugend
. In der Auseinandersetzung mit Bultmann um das Thema
„Geschichte und Eschatologie" z. B. (S. 327 ff.) wird hart gekontert
: „God is not an indifferent spectator of human affairs...;
he is also in control of history. . . The fundamental difficulty
with Bultmann's theolcgy is that he has an unbiblical doctrine
of God (S. 328) - solche Formulierungen verraten Schneid, aber
sie ersetzen noch keine klaren Begriffsbestimmungen und wirkliches
hermeneutisches Bemühen.

L. hat sich die Möglichkeit zu einer historisch ^kritischen Untersuchung
, die allein dem gestellten Thema hätte gerecht werden
können, von vornherein und bewußt selbst genommen.
Mit M. .Kähler wird erklärt, daß der „historische Jesus" eine
Schöpfung der modernen Forschung sei, und daß nur dem „biblischen
Christus" der Evangelien wirkliche Realität zukomme
(S. XIII und 332). Daraus leitet er ein weitgreifendes hermeneutisches
Postulat ab: wohl wird konzediert, daß es der Glaube
war, der die Evangelienstoffe geformt hat, aiber es wird hinzugefügt
, that this faith has not distorted the facts but has been
able more truly (!) to represent Jesus than unbelief could have
done (S. 304). Für L. ist damit die prinzipielle historische Glaubwürdigkeit
aller Texte gegeben - für uns das Ende der hi-