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Ausgabe:

1967

Spalte:

629-631

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Henkys, Jürgen

Titel/Untertitel:

Bibelarbeit 1967

Rezensent:

Mendt, Dietrich

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629

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 8

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„Die gesellschaftlichen Realitäten durchdringen die Kirche,
aber sie sind oft noch kaum in das Bewußtsein der Kirche aufgenommen
" (Trillhaas, 61). Die Beiträge des Heftes wollen dazu
anregen, daß es künftig besser damit werde. Dazu gehört Offenheit
für das, was ist und geschieht, aber auch kritisches Unterscheidungsvermögen
. Die Soziologie, als »nachgängige Wissenschaft
" (Trillhaas, 63), will „Tatsachen geben!-Ty -I. möglichst,
ohne von vornherein zu werten" (Drummer, 42). Es ist allen Beiträgen
gemeinsam, daß sie sich der veränderten gesellschaftlichen
Situation nüchtern und aufgeschlossen stellen. Die gegenwärtig
und auch in absehbarer Zukunft nicht zu entbehrende
Berufsarbeit der Frau, ihre Ausbildung und Bildung, das daraus
sich ergebende neue Verhältnis zum Manne als Partner, die
neue Wertung auch der nichtverheirateten Frau, das neue Zueinander
von Mann und Frau in der Ehe - dies und manches
andere mehr wird in diesem Heft in grofjer Weite und Unvor-
eingenommenheit dargelegt. Die Kirche kann die ihr anvertraute
Botschaft nicht ausrichten, wenn sie nicht sieht, an wen diese
Botschaft heute ergehen soll. Sie müßte aber an ihrem Auftrag
auch schuldig werden, wenn sie nicht das Miteinander der Menschen
in der Gesellschaft diakonisch-verantworüich mitbedächte.
Schon in ihrem eigenen Bereich: Die maßgebende Mitwirkung
der Frau in der Kirche (z. B. in Kirchenvorständen) entspricht
noch nicht ihrer tatsächlichen Bedeutung für das Leben der Kirche.
Neu durchdacht und fest umrissen wenden sollten die Aufgaben
und besser geordnet werden sollten die Lebens- und Arbeitsbedingungen
der Gemeindehelferin (17, 47 ff, 73f), der Diakonisse
(18, 45, 72 f), der Theologin (18, 49 f, 57, 74 - die gerade hier
noch bestehende Unklarheit und UneinheiÜichkeit wird als belastend
empfunden, weitere Überlegungen über den rechten Ort
und die rechte Weise des Dienstes der Theologin werden gefordert
), der Pfarrfrau (19, 51 ff, 58), der Katechetin, Kantorin, Kin-
derdiakonin (18). - Aber die Kirche soll auch über ihre Grenzen
hinaussehen und sich für die rechten Entfaltungsmöglichkeiten
und den Schutz der Frau in der Gesellschaft einsetzen. Sie tut
das in der „Hoffnung,... es möchten diese Fragen aus Einsicht
Und nicht irgendwann später durch Sachzwang weitergebracht
werden" (Nold, 100). Vor zwei Irrtümern wird in der vorliegenden
Schrift immer wieder gewarnt: einmal vor dem Irrtum, der -
unter Berufung auf unsachgemäß verstandene Schriftaussagen,
auf Naturrecht oder Schöpfungsordnung - uns pseudochristliche,
in Wirklichkeit romantische oder bürgerliche Vorstellungen und
Gewohnheiten von gestern aufnötigen will; sodann aber auch
vor dem entgegengesetzten Irrtum, der darin besteht, daß man
die sozialen Entwicklungen und Veränderungen dem Selbstlauf
überläßt und alles, was sich im Laufe der Zeit herausbildet,
unbesehen hinnimmt. Besonders die Doppelaufgabe der Frau im
Mutteramt und im Beruf läßt Probleme entstehen, die weithin
unterschätzt werden. Hier sind im vorliegenden Heft wichtige
Tatbestände aufgewiesen und Lösungen vorgeschlagen, die uns
weiterhin zu beschäftigen haben werden. So etwa der Vorschlag,
der verschiedene Phasen im Leben der Frau vorsieht: Jahre (!),
in denen die Mutter ungeteilt (oder wenigstens überwiegend)
den Kindern gehört, sollten aus der Zeit der Berufsarbeit ausgespart
werden, woraus sich Folgerungen für den Ausbildungsweg
der Frau ergeben.

Die Nivellierung der Geschlechterdifferenzen (Trillhaas, 62)
ist Merkmal unserer Zeit. Es muß geprüft werden, wieviel daran
berechtigt ist. „Gleichberechtigung darf... nicht mit Gleichartigkeit
verwechselt werden" (10). Es bedarf unserer Wachheit, Offenheit
, Phantasie und Liebe, damit die Frau die ihr angemessene
Stellung behalte und erhalte. Hier wird es noch viel zu durchdenken
und zu erproben geben.

Leipzig Gottfried Voigt

Henkys, Jürgen: Bibelarbeit. Der Umgang mit der Heiligen
Schrift in den evangelischen Jugendverbänden nach (dem
Ersten Weltkrieg. Hamburg: Furche-Verlag (1966). 261 S. 8°.
Lw. DM 25.-.

Die Greifswalder Dissertation des Dozenten am Berliner
Sprachenkonvikt nimmt in einer Sache Stellung, die für die
Gemeinden der evangelischen Kirchen im deutschen Sprachraum
mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, in der Sache
der Bibelarbeit. Zwar liegt der Akzent auf dem Historischen: H.
beschränkt sich auf eine Beschreibung und theologische Deutung
der Entwicklung der Bibelarbeit bis zum zweiten Weltkrieg.
Aber der Stoff bringt es mit sich, daß eine Fülle von Erfahrungen
ans Licht gebracht wird, die vor falschen Wegen in der
Gegenwart bewahren können.

H. geht zunächst der Vereinsbibelstunde, ihren Traditionen,
ihrem Wesen und ihrer Form nach, die in ihren Wurzeln bis
ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Dann arbeitet er sorgfältig
die Impulse heraus, die die Bibelarbeit aus der Arbeitsschulbewegung
, aus der Jugendbewegung und aus der Neubesinnung
der Theologie durch die Wiederentdeckung reformatorischer
Wahrheiten empfangen hat. Die Bibelarbeit wird In den einzelnen
kirchlichen Verbänden ausführlich beschrieben und kritisch
beurteilt. Schließlich werden Ergebnisse dargelegt und Folgerungen
gezogen.

H. hat für seine Arbeit eine große Fülle schwerzugänglichen
Materials gesichtet und durchgearbeitet. Die internen Arbeitsberichte
der Verbände werden ebenso herangezogen wie deren
offizielle Zeitschriften. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis,
das nicht nur über den beschriebenen Zeitraum Auskunft gibt,
sondern auch Hilfen zur Bibelarbeit bis zur Gegenwart vollständig
nennt, rundet das Buch ab.

Es wird kaum möglich sein, gegenüber einer Arbeit, die so
viel Neuland betritt und beschreibt, kritisch Stellung zu nehmen.
Man ist einfach dankbar für die tiefgründige Erweiterung des
Wissens auf einem bisher unbeackerten und doch für die zukünftigen
Wege der Kirche so wichtigen Felde.

Immerhin lassen einige Gedanken aufhorchen und sind der
besonderen Erwähnung wert:

1) Bei der Entwicklung und Entfaltung der Bibelarbeit
kommt den weiblichen Verbänden eine ganz besondere Rolle
zu. Bei ihnen hat eigentlich von Anfang an die Beschäftigung
mit der Bibel unter dem Gedanken des Dienstes und der
Dienstgemeinschaft gestanden (21.23.114), und sie haben in
Guida Diehl und Adelheid Crome auch die beiden Menschen
gestellt, die wahrscheinlich am meisten dazu getan haben, daß
in der Bibel wirklich „studiert" wurde, und das heißt: daß die
Bibel aus einer introvertierten Frömmigkeit und einer bloß
seelischen Begeisterung herausführte und Hilfe wurde für das
tägliche Leben, Hilfe für das tätige Engagement des Christen in
der Welt.

2) Obwohl für die theologische Grundlegung und Weiterentwicklung
der Bibelarbeit ein Universitätstheologe entscheidend
und immer wieder wesentlich wurde bis in die jüngste Gegenwart
hinein, nämlich Martin Kähler, kommen die theologischen
Fakultäten sonst so gut wie nicht vor. Erst auf Seite 219 (bei
240 Seiten reinem Text!) treten sie zum erstenmal in Erscheinung
, das heißt, es werden Forderungen gestellt für ihre künftige
Arbeit. Diese Analyse läßt sich mühelos bis in die unmittelbare
Gegenwart fortführen. Zwar haben uns die Fakultäten in
den letzten Jahrzehnten eine Anzahl von Werken geschenkt, die
die missionarische Gemeinde wieder ernst nehmen und Wege zu
ihrer Erneuerung zu zeigen versuchen, aber die Stellung der
Bibel in der Gemeinde und im Gemeindeaufbau, der Umgang
mit ihr, ihre schöpferische Bewältigung haben sowohl „im Vorlesungsbetrieb
" wie auch „in der literarischen Produktion* keine
Spuren hinterlassen (220).

3) Das Buch schreibt die Richtung einer zu schreibenden
Theorie der Bibelarbeit vor. Hilfe zur Bibelarbeit ist Hilfe zur
Selbsthilfe! Wer lernen will, mit der Schrift umzugehen, der
soll lernen, die Schrift in seinen täglichen Problemen schöpferisch
anzuwenden. „Nicht die Bewältigung eines Pensums, nicht
die dadurch zu erreichende Formung der Persönlichkeit ist das
Unterrichtsziel, sondern die Einübung in dasjenige Tun, das
der Weg der Gemeinde und insofern auch der Weg des Unterrichtes
ist: „Umgang mit der Bibel" (221). Um einen Gedanken