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Ausgabe:

1967

Spalte:

595

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Farag, Farag Rofail

Titel/Untertitel:

Sociological and moral studies in the field of Coptic monasticism 1967

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

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Seite 1

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595

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 8

596

Farag, Rofail: Sociological and moral studies in the fielt! of
Coptic monasticistn. Leiden: Brill 1964. X, 148 S., 7 Taf. gr.
8° = Annual of Leeds University Oriental Society, Suppl. I.
hfl. 18.-.

Die vorliegende Schrift ist im Grunde und eigentlich ein einziges
koptisch-orthodoxes Enkomium auf das eigene Mönch-
tum, getragen von einer solchen Geradheit des Glaubens und
bestimmt von einer solchen Unkompliziertheit der Sicht, daß
der andersgläubige und anders zu denken und zu sehen gewohnte
Leser zunächst völlig rat- und hilflos davorsteht. Die
Daseinshaltung und Lebensführung der koptischen Mönche wird
hier in verblüffender Direktheit als Antwort auf die aus der
gegenwärtigen Aporie der Menschheit aufbrechenden Fragen
verstanden und angeboten, wie ja denn das koptische Mönchrum
sowieso die Geistes- und Kulturgeschichte des Abendlandes
wesentlich geprägt habe, was in vielfacher Wiederholung, aber
stets ziemlich pauschal dargelegt wird. Dieser Tendenz untergeordnet
sind dann auch die materiellen Darbietungen der
Schrift, deren zwei Brennpunkte einerseits die Schilderung der
Anfänge des koptischen Mönchtums und andererseits eine Erörterung
über das heutige mönchische Leben in Ägypten und seine
Klöster sind. Das Interessante an dem Buch, neben manchem
Einzelnen, besteht m. E. nun darin, dafj es den Leser, wenn er
dem, was er da liest, überhaupt gerecht werden will, zwingt,
die Dinge einmal mit den Augen eines gebildeten, aber koptisch
-orthodoxen Christen und zugleich Bürgers der VAR zu sehen
. Da erscheinen z. B. die Ausführungen über den pharaoni-
schen Hintergrund und über die weltweite Ausstrahlung des
ägyptischen Christentums auf einmal in einem ganz anderen
und sehr natürlichen Licht. Auch ist es eben überaus reizvoll,
einmal einen zu nationalem Bewußtsein erwachten christlichen
Ägypter selber z. B. vom römisch-byzantinischen Imperialismus
reden zu hören und sich von ihm schildern zu lassen, wie befreiend
für die Ägypter das Kommen der Araber war.

Berlin Hans-Martin Schenke

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

W i p f 1 e r, Heinz, S. A. C.: Die Trinitätsspekulation des Petrus
von Poitiers und die Trinitätsspekulation des Richard von St.
Viktor. Ein Vergleich. Münster/W.: Aschendorff [1965]. XII,
244 S., 2 Taf. gr. 8° = Beiträge zur Geschichte der Philosophie
und Theologie des Mittelalters. Texte und Untersuchungen
, hrsg. v. M. Schmaus, XLI, 1. Kart. DM 38.-.
1. Petrus von Poitiers (f 1205 als Kanzler in Paris) und Richard
von St. Viktor (f 1173 als Prior) lehrten und schrieben
in den sechziger Jahren des 12. Jahrhunderts über den dreieinen
Gott, der Viktoriner zu Beginn dieses Zeitraumes in den
6 Büchern De Trinitate, Petrus von Poitiers am Ende der sechziger
Jahre im 1. Buch seiner Sententiae, das ebenfalls in einer
kritischen Ausgabe vorliegt. Beide Gelehrte sind Repräsentanten
unterschiedlicher Denkformen der mittelalterlichen Theologie,
wie sie sich an der Universität und im Kloster ausprägten.
Eine vergleichende Studie dieser differierenden .Denkformen
wird sehr bezeichnende, vielfach gegensätzliche Denkschemata
gewahr, die als verborgener Grund Einzelaussagen und Erkenntnisse
tragen und darum für die Geschichte der Theologie
einer Epoche sehr aufschlußreich sind.

Theologische Denkformen sind oft Denkmodelle. Inhalte der
Offenbarung können, sofern sie die menschliche Erkenntnis
übersteigen, oft nur nach dem Modell von natürlichen Wissensformen
verständlich gemacht werden. Solche grundlegende
Schemata und Modelle sind die ,genus-species-Korrelation' im
trinitätstheologischen Denken des Petrus von Poitiers und die
,actio-passio-Korrelation' bei Richard von St. Viktor. Petrus
von Poitiers suchte die wesenhafte Identität und die personale
Differenz in Gott in der Wesensordnung nach dem Verhältnis
von genus und species zu verstehen, Richard von St. Viktor hingegen
spürte dem Geheimnis Gottes in der Tätigkeitsordnung
nach dem Schema actio-passio (bzw. actus primus - actus secun-
dus) nach. Aus diesem unterschiedlichen Grundkonzept der Tri-

nitätslehre beider Theologen resultieren höchst unterschiedliche
Aussagen über die innertrinitarischen Lebensbewegungen und
Seinsweisen. Petrus bemühte sich um das Verständnis der personalen
Proprietäten und eigentümlichen Seinsweisen (Seinsformen
) in Gott; Richard interessierte sich nicht für diese vieldiskutierten
Fragen nach den Proprietäten in Gott, er achtete aber
um so mehr auf die verschiedenen ,modi originis' in Gott, ein
Thema, das man hinwiederum bei Petrus vergebens sucht. An
diesem Beispiel zeigte der Verfasser gut und glücklich die unterschiedlichen
Denkmodelle der durch Magister Petrus und
Richard repräsentierten Schulen des 12 Jahrhunderts. Diese Unterschiede
liegen vielen Lehrdifferenzen in der Trinitätstheologie
zugrunde.

Sie begegnen bei der Analyse des Substanzbegriffes (§ 1),
die Petrus im Anschluß an Gilberts Boethiuserklärung von der
Form her angeht, Richard aber mit der Unterscheidung von
.sistentia - ex/sistentia' durchführt. Sie bestimmen die divergierenden
Ausführungen über den Personenbegriff (§ 2), der
nach dem Porretaner die duch die Proprietäten letztbestimmte
und bestimmbare Form besagt, für den Viktoriner aber die Momente
,,origo-exsistentia-obtinentia' beinhaltet. Was dem Petrus
der Begriff .persona' im sprachlogischen Verständnis von
,per-se-una' bedeutet, das besagt Richard der Begriff „ex-sistentia
'. Jener achtete auf die Einheit des Wesens in der Fülle
der Proprietäten der Personen; dieser sichtete die ,plures modi
existendi' in dem einen, geteilten Sein Gottes. Jener mußte sich
bemühen, die .proprietas personalis' (Personencharakter) als
Person zu erweisen; dieser rang - vielfach vergeblich -, die
Ursprünge (origines) in Gott als ,propietates personales' zu erheben
. Die Ausführungen beider leiden darunter daß der Relationsbegriff
nicht voll bzw. nur mit großer Reserve eingesetzt
wurde (§ 3).

Richard beschrieb die erste trinitarische Person mit Begriffen
aus dem Bereich des ,actio-passio-Schemas' (z. B. ,nulla passio',
,a semetipso esse', .sola actio'); Petrus hingegen verstand die
.innascibilitas' des Vaters als Wesenskonstitutiv, und zwar in
der Spannung des gegnerischen ,a nullo esse' (bzw. ,principiare')
und spezifischen .Pater esse' (bzw. .generare') (§ 4). Dieser sah
den speziellen Charakter der .innascibilitas' deutlicher als jener,
der die erste Person in Gott als Endglied einer rückläufigen
Reihe in suppositaler Stellung (,a semetipso esse') anvisierte.
Petrus sah auch die spezifische Verschiedenheit zwischen ,prin-
cipiare' und ,causare' deutlicher als Richard, der die .innascibilitas
' nie scharf von der .aseitas' unterschied. „Für Richards Art
zu denken ist es auffällig, daß er die beiden innertrinitarischen
Hervorgänge zunächst gleichsam nur numerisch, nicht aber
spezifisch unterscheidet" (§ 5 S. 197). Petrus aber analysierte
die Personalproprietäten des Vaters und des Sohnes von der
.aanus-species-Korrelarion' her. Der Porretaner stand vor der
schwierigen Frage: In welchem Verhältnis stehen die Personalproprietäten
zu den Personen und zum göttlichen Wesen? Dem
Viktoriner bereiteten die innergöttlichen Produktionsmodi, deren
Zahl und Unterscheidung nicht unerhebliche Schwierigkeiten.

Schließlich wird der Unterschied der Denkformen im Verständnis
der .spiratio acriva' und ,passiva' offenkundig (§ 6).
Petrus von Poitiers nahm sich dieser Begriffe an und brachte
so auch deren Geschichte im 12. Jahrhundert voran. Es kam
ihm dabei vor allem auf den Nachweis an, daß Vater und Sohn
im Hauchen des Geistes ein einziges Prinzip sind und als solches
den Geist hervorgehen lassen. Soweit es die Sprachlogik
als theologische Methode erlaubt, hat Petrus die notionale Einheit
und suppositale (personale) Differenz im Hauchungsakt
deutlich angesprochen. Er vermochte aber die passive Hauchung
noch nicht als Personkonstitutiv des Geistes zu erkennen, da
er aus der weitgehenden Ineinssetzung von Personalproprietät
und Person einer Vermengung der trinitarischen Personen befürchten
mußte. Wie soll aber der sehr genetische Begriff ,pro-
cessio' die spezifische .proprietas personalis' des Heiligen Geistes
bedeuten können? Richard von St. Viktor verzichtete überhaupt
auf diese Kenntnis und betrachtete den Heiligen Geist
in der göttlichen Lebensbewegung als .condilectus'. Richards
originale, am .actio-passio-Schema' orientierte Spekulation kam
hier voll zum Zuge.