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Ausgabe:

1967

Spalte:

593

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Vögtle, Anton

Titel/Untertitel:

Das Neue Testament und die neuere katholische Exegese 1967

Rezensent:

Haufe, Günter

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Seite 1

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593

Rom. 1,3a). Nur Rom. 8,3; Gal. 2,20; 4,4f. sei die Heranziehung
der Sohnesaussage nicht formal, sondern sachlich motiviert. Dies
befriedigt nicht; das Stichwort hyothesia (Gal. 4,5; Rom. 8,15),
das K. zum Grundbestand der alten Formel in Gal. 4,4-5 rechnet
, verdiente in diesem Zusammenhang untersucht zu werden,
wobei die formale Erklärung zu Rom. 8,3.15-17.29 f.31 f. entfiele
. Religionsgeschichtlich führt er die Sendungs-Hyologie auf
die Sophiaspekulation des hellenistischen Judentums zurück (S.
117 f., vgl. Sap. 9,9 f.).

Nur einige zentrale Thesen dieser interessanten Arbeit konnten
in der Besprechung aufgegriffen werden; neben einer Fülle
überzeugender Einzelergebnisse bietet sie noch mehr Anstöße zu
erneutem Durchdenken der zentralen Problematik, die K. hier
in dankenswerter Weise bearbeitet hat.

Leipzig Harald Hegermann

V ö g 11 e, Anton i Das Neue Testament und die neuere katholische
Exegese. I: Grundlegende Fragen zur Entstehung und
Eigenart des NT. Freiburg-Basel-Wien: Herder [1966]. 179 S.
8° = Aktuelle Schriften zur Religionspädagogik, 8. Kart. DM
13.80.

Der vorliegende Band faßt monographisch eine Reihe von
Aufsätzen zusammen, die ihr Verf. seit 1963 im „Anzeiger für
die Katholische Geistlichkeit" publiziert hat. Die Aufnahme in
die „Aktuellen Schriften zur Religionspädagogik" zeigt bereits
den Sinn der Veröffentlichung an. Sie will zielstrebig, wenn auch
behutsam, die Ergebnisse der modernen Bibelwissenschaft einem
weiteren Leserkreis, namentlich von Bibelpädagogen, zugänglich
machen. Wahrend zwei weitere Bände „Gattung und literarische
Formen der Evangelien" sowie „Literarische Gattungen
und Einzelformen der außerevangelischen Schriften" behandeln
sollen, geht es in dem ersten Band um „Grundlegende Fragen
zur Entstehung und Eigenart des NT". In besonnener, leicht verständlicher
Form, ohne erheblichen wissenschaftlichen Apparat,
wird die Genesis sowohl des Kanons als auch der einzelnen
Schriften des NT nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung
dargestellt. Die betonte Öffnung gegenüber den Ergebnissen
der protestantischen Exegese ist zur Selbstverständlichkeit geworden
. Nicht sie also ist das eigentlich Bemerkenswerte an dem
Buch des bekannten Freiburger Neutestamentiers, sondern vielmehr
das entschlossene Bestreben, kritische Fragen und Resultate
der neueren katholischen Exegese in das volle Bewußtsein
der kirchlichen Öffentlichkeit zu rücken. In immer neuen Ansätzen
geht V. von „noch weitverbreiteten Vorstellungen und
Schwierigkeiten eines vorwissenschaftlichen Denkens" aus, die
sich „zum Teil sogar auf scheinbar dogmatische Daten wie das
Erscheinungsbild des tridentinischen Kanonsverzeichnisses stützen
" (Vorwort). Namentlich die „noch stark nachwirkende Globalvorstellung
", daß das ganze NT im Grunde weiter nichts als die
Entfaltung von Jesu Lehre und Geschichte enthalte wird zugunsten
einer historischen und theologischen Differenzierung zurechtgerückt
. Daß dabei manche Spannungen entschärft und einzelne
Entwicklungslinien immer noch zu geradlinig gesehen werden
, kann den kundigen Leser kaum überraschen. Mehrfach
wird betont, daß das Lehramt der Kirche sehr wohl eine geschichtswissenschaftliche
Diskussion der Abfassungsverhältnisse
der ntl. Schriften gestattet. Ihr sachliches Ergebnis liegt vornehmlich
in der Erkenntnis, daß alle ntl. Schriften mehr oder weniger
Verkündigungscharakter tragen. So hilft auch das Buch von
V. mit zu der Einsicht, daß gerade die moderne Bibelwissenschaft
sich in zunehmendem Maße zu einem ökumenischen Faktor
ersten Ranges entwickelt.

Leipzig Günter Haufe

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Jonas, Hans: Gnosis und spätantiker Geist. I.: Die mythologische
Gnosis. Mit einer Einleitung zur Geschichte und Methodologie
der Forschung. 3., verb. u. verm. Aufl. Göttingen:

594

Vandenhoeck & Ruprecht 1964. XVI, 456 S. gr. 8° = Forschungen
zur Religion u. Literatur des Alten und Neuen Testaments
, hrsg. v. R. Bultmann, N. F. H. 33. DM 28,-; Lw.
DM 32.-.

Jonas, Hans: Gnosis und spätantiker Geist. I.: Die mythologische
Gnosis. Ergänzungsheft zur ersten und zweiten Aufl.
Ebda 1964. S. 377-456.

Anläßlich der dritten Auflage des ersten Teils seines Werkes
über die Gnosis hat Jonas weder das Wagnis noch die Mühe
gescheut, mitten in den Prozeß der Erschließung der neuen kop-
tisch-gnostischen Texte hineinzugreifen, diese Texte nämlich,
soweit sie ihm bis zum Abschluß des Ms. im Frühjahr 1963
zugänglich waren, aufzuarbeiten und in seine Sicht der Gnosis
einzubeziehen. Die Frucht dieser Arbeit ist dem alten Text als
Anhang (=Ergänzungsheft) beigegeben (S. 377-456); vgl. das
Vorwort zur 3. Aufl. (S. IXf.), das leider im Ergänzungsheft
fehlt. Bei dieser Gelegenheit hat der erste Band auch endlich
sein eigenes Register erhalten. Dieser Anhang ist nun folgendermaßen
gegliedert: 4. Kapitel: Neue Texte der Gnosis (S. 377
-418); Nachträge zu Kapitel 3,2: „Das manichäische Erlösungsdrama
" (S. 419-424); Bibliographische Notiz (S. 425); Namen-
und Sachregister (S. 426-445); Stellenregister (S. 446-456).

In dem neu hinzugekommenen vierten Kapitel geht es zunächst
unter der Überschrift „1. Bemerkungen zur Nag Ham-
madi-Bibliothek" (S. 378-393), gestützt auf J. Doresse {The
Secret Books of the Egyptian Gnostics, London und New York
1960), im wesentlichen um die Prüfung der eigenen Konzeption
an den neuen Quellen. Sie fällt für J. positiv aus: Hie
neuen Quellen machen das Bild bunter, aber die Struktur
bleibt die bekannte, wie an mehreren Punkten konkret gezeigt
wird. Besonders wichtig ist ihm dabei, den Valentinianismus
im Lichte der neuen Quellen als die Krone gnostischer Spekulation
bestätigt zu sehen. Es folgt dann unter der Überschrift
„2. Die barbelognostischen Schriften von Nag Hammadi" (S. 393
-407), wesentlich im Sinne einer Ergänzung des Materials, die
Darbietung der Systeme des Apocryphon Johannis (S. 393-399),
der Titellosen Schrift aus Nag-Hammadi-Codex LT (S. 399-406)
und der Hypostasis der Archonten (S. 406-407), je in Gestalt
einer teils stark raffenden, teils eng am Text bleibenden (dann
in Anführungsstriche gesetzten) Paraphrase. Dabei ist interessant
zu sehen, was unter der Hand und der Feder von J., der
weniger dem (koptischen) Wortlaut verhaftet - seine Zitate
(hier und sonst im Anhang) sind, wie es scheint, stilistisch
bessernde und das sachlich wesentliche hervorkehrende Umschreibungen
der vorliegenden Übersetzung(en) (vgl. unter diesem
Aspekt S. 4201) - als von vornherein am Sinn orientiert
ist, aus den Texten wird. Es eröffnen sich selbst einem, der die
Texte kennt, ganz überraschende und überzeugende Aspekte.
Schließlich geht es J. unter der Überschrift ,3. Die valentinia-
nische Schrift vom Evangelium der Wahrheit" (S. 408-418) um
die Würdigung dieser zweiten Schrift des Codex Jung als eines
Zeugnisses der inneren Struktur und Logik der valentiniani-
schen Gnosis. Nun ist ja der valentinianische Charakter dieser
Schrift umstritten. Aber J. zielt in wohltuendem Unterschied
zu den anderen Verfechtern ihrer Zugehörigkeit zum Valentinianismus
nicht auf den Valentinianismus schlechthin, sondern auf
den Valentinianismus in dem, was er im Grunde als die konsequenteste
Ausformung des gnostischen Ansatzes meine. Gleichwohl
geht die Sache nicht) auf. So ist das, was J. hier tatsächlich
zeigt, nur die Verwandtschaft (nicht Identität) der Gedanken
des sog. Evangelium Veritatis mit den Grundgedanken,
die man im valentinianischen System (aber m. E. nicht nur in
ihm) bei einer Interpretation, die von der mythologischen
Schale zum gedanklichen Prinzip weiter- bzw. zurückfragt, ausgedrückt
finden kann, bzw. daß das sog. Evangelium Veritatis
ein spekulatives Spitzenprodukt der Gnosis überhaupt ist, insofern
als hier das Grundanliegen der Gnosis eine nahezu vollkommene
gedankliche Objektivierung erhalten hat.

Berlin Hans-Martin Schenke

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 8