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Ausgabe:

1967

Spalte:

589-593

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kramer, Werner

Titel/Untertitel:

Christos Kyrios Gottessohn 1967

Rezensent:

Hegermann, Harald

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R89

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 8

590

„Sache Jesu" die Rede sein (18). Aus dem literarischen Charakter
der Quellen ergebe sich vielmehr „für das Werden der Gemeinde
historisch . . ., daß die Kontinuität des Osterglaubens
zu dem vorösterlichen Glauben nicht in der Richtung vom vorösterlichen
Glauben zum Glauben der ersten Zeugen geht, sondern
umgekehrt, dafj der Osterglaube der ersten Zeugen die
Kontinuität nach rückwärts sucht" (19f.). Bei dem von Bartsch
ermittelten ältesten Osterglauben muß schließlich folgerichtig der
Verwurzelung der Jünger im Judentum eine konstitutive Bedeutung
zugeschrieben werden, da nur dann die Erscheinungen
„als das eschatologische Handeln Gottes . . ., das das Ende heraufführt
", verstanden werden konnten (20).

An historischen Ereignissen ergeben sich für Bartsch aus
der Überlieferung eindeutig die Jüngerflucht und die Verurteilung
Jesu durch die römische Behörde (21). Auch das, was den
Glauben der Jünger neu begründete, nennt Bartsch „Ereignis".
Es ist jedoch - zumal da Bartsch gegen Marxsen polemisiert -
mißlich, wenn es ihm dabei einerlei bleibt, „ob man dieses...
als ein Ereignis verstehen will, das sich an dem Gekreuzigten
vollzog, oder als ein Widerfahrnis, das die Jünger erfuhren"
(21). Und wenn Bartsch schließlich auf Grund des Paulus-Zeugnisses
, das unbestreitbar auf eine visionäre Erfahrung schließen
lasse, doch wieder auf die „objektive Visionshypothese" zurückgreift
, die er aber im Gegensatz zu Graß nicht als ein theologisches
, sondern als eine historisches Urteil verstanden wissen
will, so hat er damit keineswegs das unterfangen, was Marxsen
bezeichnenderweise LWiderfahrnis" nennt, sondern hat damit
nur noch einmal sein Mißverständnis von dessen Arbeit dokumentiert
(21f.). Bei der abschließenden Interpretation des Auferstehungszeugnisses
zeichnet Bartsch noch einmal die sich aus
seinen literarkritischen Operationen ergebende Geschichte nachösterlichen
Glaubens und nachösterlicher Hoffnung nach (23ff).
Dabei kommt er vornehmlich von seiner Erkenntnis, „daß die
Naherwartung (!) in der lukanischen Form jede Terminierung
ablehnt", her zu dem Ergebnis, „daß für die gegenwärtige Christenheit
. . . vom Auferstehungszeugnis her die Naherwartung
ohne Terminierung ebenso von existentieller Bedeutung (ist),
wie sie für Paulus und Lukas von existentieller Bedeutung war"
(31).

Marxens Arbeit kann der weiteren Diskussion zu methodischer
Klarheit verhelfen. Gerade von seinen, methodischen Einsichten
her, denen er nicht überall treu bleibt, können auch
seine Erwägungen über das, was er „Widerfahrnis des Sehens"
nennt, weitergeführt werden. Daß Bartsch da ansetzt, ist das
Berechtigte an seiner Kritik. Sie ignoriert jedoch die von Marxsen
aufgezeigten Grenzen historischer Erkenntnis und ist vor
allem zu sehr von den kühnen Hypothesen über die frühe Geschichte
der Ostertradition belastet, als daß sie als Fortschritt
gewertet werden kann.

Amelsbüren Alfred Suhl

Kr am er, Werner: Christos, Kyrios, Gottessohn. Untersuchungen
zu Gebrauch und Bedeutung der christologischen Bezeichnungen
bei Paulus und den vorpaulinischen Gemeinden. Zürich
/Stuttgart: ZwingK Verlag 1963. 235 S. = Abhandlungen
zur Theologie des Alten und Neuen Testaments, hrsg. v. W.
Eichrodt und O. Cullmann, 44. Kart. sfr. 22.50.

Fast gleichzeitig mit der umfassenden Studie von Ferdinand
Hahn über die christologischen Hoheitstite1 - K. lernte diese
Arbeit während der Korrektur noch kurz kennen - ist die verwandte
Arbeit von K. erschienen, die seine 1962 in Zürich angenommene
Dissertation darstellt. Auch vorher hat sich die Forschung
schon ausgiebig mit derselben Thematik befaßt.. Trotzdem
hat diese neue Studie von K. ihr unbestreitbares Gewicht.
Dies dürfte vor allem auf die glücklich gewählte und in eindrucksvoller
Präzision durchgeführte Methode dieser Arbeit zurückgehen
. K. setzt bei den geprägten christologischen Formeln
innerhalb der unbestrittenen Paulinen ein und unterwirft sie
einer sorgfältigen „literar-, traditions- und .themen'-kritischen
Analyse" (S. 9), um so Haftpunkte der einzelnen christologischen
Titel in einem ihnen zugehörigen und ihren Gebrauch beleuchtenden
Traditions-Kontext zu gewinnen; von dieser festen Basis
aus fragt er dann zurück nach den verkündigungsgeschichtlichen
und religionsgeschichtlichen Zusammenhängen und nach dem Ort
solcher Tradition in der Theologie des Paulus selbst. Auf diese
Weise kommt er nicht nur zu vielen neuen Einzelerkenntnissen,
sondern kann auch schon bekannte Einsichten neu stützen.
Obwohl er dabei eine Fülle von Einzelheiten behandeln muß,
erreicht K. durch knappen, dokumentierenden Stil ein erstaunliches
Maß an Lesbarkeit; auf Disikussion mit andersartigen
Deutungen oder gar Exegesen kann K. sich natürlich nur sehr
begrenzt einlassen. Da K. weitgehend auf vorpaulinische Herkunft
des behandelten Formelgutes erkennt - er gibt dabei stets
seine Argumente für solche Einordnung an -, liegt der Schwerpunkt
der Arbeit in der Besprechung des „vorpaulinischen Materials
" im ersten Teil (S. 15-125); diese Gewichtsverteilung wird
noch dadurch verstärkt daß auch im zweiten Teil („Das
paulinische Material", S. 129-193) gut zehn Seiten wieder mit
verpaulinischem Gut befaßt sind (S. 155-162 und 172-175). Der
dritte Teil besteht aus drei exkursartigen Ausführungen, 1. über
die Frage, ob „Jesus" speziell den historischen Jesus bezeichne,
was mit guten Gründen verneint wird; 2. ob in bestimmten
Fällen „Christos" bei Paulus noch titular gebraucht wird - er
bejaht es nur für Rom. 9, 5 -; 3. wie sich die volle Kyrios-
Titulatur bei und vor Paulus zum bloßen Kyriosfitel verhält -
die vollen Formeln seien ursprünglich ein Komhinationsprodukt,
doch für Paulus schon liturgische Tradition, auf die er an geeigneten
Stellen zurückgreife.

Aber damit stehen wir bereits in der Einzelproblematik.
Zum Titel Christos arbeitet K. als wichtigsten Haftpunkt „die
traditionelle Pistisformel" heraus unter Anschluß vor allem an
Conzelmann. Sie liege in 1. Kor. 15,3b-5 bereits in erweiterter
Gestalt vor, jede der zwei Zeilen ist um den Verweis auf die
Schriften und auf ein Tatsachenzeugnis vermehrt worden. Der
zu erschließenden Grundgestalt komme 2. Kor. 5,15 am nächsten
. Anschaulich verfolgt K. die Formel durch alle wesentlichen
Texte hindurch, wo sie ihre Spuren hinterlassen hat. Da aber
die beiden Zeilen oft einzeln belegt sind und sich im Subjekt
(der Aussage unterscheiden (Gc-1|t bzw. Christus), müsse die
Zweizeiligkeit der Formel bereits sekundär sein; auch stelle die
einfache „Für uns"-Aussage für Zeile 1 und die aktivische Formulierung
der Auferweckungsaussage in Zeile 2 eine gegenüber
1. Kor. 15,3b-4 ursprünglichere Form dar. Das immer wieder
im Kontext auftauchende „pisteuein" gehöre zum Traditionsbestand
der Formel, daher „Pistisformel". Diese analytische Methode
ergänzt K. durch eine historisch-konstruierende, ganz im
Sinne der formgeschichtlichen Arbeitsweise. Aber hier liegt ein
kritischer Punkt der Untersuchung von K., insofern als er diese
synthetische Methode nicht mit derselben Sorgfalt betreibt wie
die analytische. Zugleich zeigt sich hier, wie problematisch seine
Beschränkung auf die Pauluszeugnisse ist: K. muß nun doch die
Linien in die Anfänge der Urgemeinde zurückverfolgen, ohne
dazu gerüstet zu sein. Vor allem vermißt man die Heranziehung
der ältesten Passionsgeschichte. Hier liegt ja im titulus des
Kreuzes der älteste greifbare Haftpunkt des „Christos"-Titels;
von daher beginnt deshalb z. B. bei Ferdinand Hahn die feste
Verbindung dieses Titels mit der Deutung des Todes Jesu. K.
läßt dagegen jede Nennung und Deutung des Todes Jesu in der
aramäischen Urgemeinde fehlen; erst die hellenistüsch-ijtuden-
christlichle Mission formluliierte nach seiner Meinung Zeile 1
der Pistisformel unter Aufnahme des Christostitels, und sie kombinierte
damit auch die aus der ältesten Gemeinde übernommene
Auferweckungsformel (vgl. etwa 1. Thess. 1( 10; Rom. 10, 9),
die mit „Jesus" formuliert war; dies alles sind faktisch Vermutungen
des Vf., stichhaltige Begründungen fehlen. Noch zwei
andere kritische Punkte seien vermerkt: Einmal scheint K. die
Formel als das zeugende Prinzip urchristlicher Verkündigung
zu verstehen. „Am Anfang war die Formel". Er nennt z. B. die
Pistisformel den Grundtext der Verkündigung (S. 59) und sieht
in der Art, wie- Paulus die Formel in 1. Kor. 15, 1-20 variiert
und kommenttert (unter Absehung von den gleich folgenden
Predigtinhalten, wie 1. Kor. 15, 20b-28 usw.), die Verkündigung
des Evangeliums typisch abgezeichnet - obwohl doch Pau-