Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1967

Spalte:

586

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Hosea 1967

Rezensent:

Lindblom, Johannes

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

685

den Maßen des salomonischen Tempels (1. Kön. 6f.) ihre Heimat
gehabt habe (14f.) und von daher für die zehn Gebote der
Bundeslade bedeutsam gewesen sei (31f.), wird als recht weit
hergeholt erscheinen. Hier wird eine recht schwierige Hypothese
eingeschaltet, nach der es im Interesse der Deuteronomisten,
die den Dekalog (erst nachträglich) in ihre Sammlung altisraelitischer
Rechtsordnungen eingebaut hätten, gelegen hätte, in
Abwehr einer Geltung von Ex 34 als den „zehn Geboten" den
»klassischen" Dekalog als die „Worte des Bundes" zu autorisieren
(27-32). Das führt schon in den zweiten Abschnitt hinein
: „Das literarische Problem des Dekalogs" (34-48), in dem
vor allem die Stellung von Dt 5 innerhalb des Deutercmomiums
besprochen wird. U. E. ist aber gerade hier die Basis: der
Ausgangspunkt bei der literarkritischen Scheidung zwischen
„Du-" und „Ihr"-Stücken und bei der These von M. Noth, daß
Dt 1-3 zum sog. deuteronomistischen Geschichtswerk gehören,
nicht tragfähig. Die gattungsmäßige Untersuchung des Dt-Textes
steckt leider noch zu sehr in den Anfängen, als dafj schon
weitreichende Schlüsse auf exetische Befunde innerhalb dieses
Buches aufgebaut werden könnten. Es ist schade, dafj die wichtigen
Arbeiten N. Lohfinks zum Deuteronomium'' nicht berücksichtigt
worden sind. Es ist fraglich, ob die wahre Bedeutung
des Numeruswechsels im Deuteronomium bisher schon zutreffend
bestimmt ist.

Weiter wird der Rekonstruktion eine grundsätzliche Betrachtung
über die Bedeutung des apodiktischen Gesetzes vorausgeschickt
(Abschnitt 3: „Das formgeschichtliche Problem des Deka-
49ff.). Der Überblick informiert gut, indem er die wichtigsten
neuesten Äußerungen zum Problem des apodiktischen
Rechts erwähnt. Aber diese Überlegungen stehen etwas fremd
im Zusammenhang da, indem sie (z. B. die Bedenken Gersten-
bergers5 gegen die Beschränkung der Apodiktik auf negative
Formulierungen und gegen die Urspünglichkeit vielgliedriger
Reihen) auf die dann folgende Rekonstruktion mit ihrer stereotypen
Einheitlichkeit keinerlei Einfluß haben.

Diese Einheitlichkeit wird von der jetzt vorliegenden Endform
des Dek.ilogs her nur dadurch erreicht, dafj man mit
weitreichenden Veränderungen der Form rechnet, welche der
Dekalog im Laufe seiner Geschichte durchlaufen haben soll. (4.
Abschnitt: „Das traditionsgeschichtliche Problem des Dekalogs").
Noch dazu mit ganz gegensätzlichen: es werden sowohl
Erweiterungen, wie (bei den heutigen Kurzgeboten) Verkürzungen
angenommen, außerdem dann noch die Umwandlungen
von positiver in negative Formulierung. M. E. ist das nur bei
den Erweiterungen einleuchtend, da sie sich gattungsmäßig
(Paränesen) von den Urgeboten deutlich abheben. Eine Verkürzung
ist dagegen nicht recht einzusehen, da für die Reihe gerade
das Prinzip der Einheitlichkeit maßgeblich ist, die man
bestimmt nicht nachträglich wieder zerstört hätte. So ist es viel
naheliegender, hier Reste einer zugrundeliegenden Kurzreihe
anzunehmen, zumal frühe Prophetenstellen das Alter der Formulierung
bestätigen (87f.). Für die positiven Formulierungen
verweist der Verfasser mit Recht auf die priesterliche Kultgesetzgebung
(88); ist es dann naheliegender, mit einer späteren
priesterlichen Überarbeitung eines ursprünglichen apodiktischen
Prohibitivs zu rechnen als mit einer ursprünglichen Thora-Her-
kunft z. B. des Sabbat-Gebotes? Das Tabu ist in der Thora
ebenso beheimatet wie die Festvorschrift. Man müßte dann freilich
auf eine einheitliche Urform des Dekalogs verzichten, die
in der Tat kaum wahrscheinlich zu machen ist.

Leider muß auch der letzte Abschnitt (5. „Das historische
Problem des Dekalogs", 102-110) Bedenken erwecken. Hier
wird vor allem die gewiß originelle These aufgestellt, daß der
ursprüngliche Dekalog das „Grundgesetz" des (nord-) israelitischen
Königtums als Rechtsinstanz gewesen ist. So richtig es
ist, daß hier die offensichtlichen Rechtsfunktionen, die das Königtum
beider Reiche gehabt hat, anerkannt werden, so unbewiesen
und unbeweisbar ist es doch, daß der Dekalog damit
etwas zu tun gehabt hat.

') Vor allem: Dos Hauptgebot, 1963.

s) Wesen und Herkunft des sog. apodiktischen Rechts im Alten Testament,
1961. Vgl. auch die Druckfassung, 1965.

586

Wir wüßten gewiß gern mehr über die Herkunft des Dekalogs
, über seine ursprüngliche Form und die Wege, die er zu
seine heutigen Endgestalt genommen hat. Soviel treffliche
Beobachtungen die vorliegende Untersuchung auch enthält, gewinnt
man doch den Eindruck, daß sie allzu stark mit gewagten
Konstruktionen und Kombinationen arbeitet, deren Grundlagen
sich nicht eindeutig genug beweisen lassen. Insofern hat
sie mehr die Lückenhaftigkeit unseres Wissens aufgezeigt. Aber
gerade damit erfüllt sie eine wichtige Aufgabe in der laufenden
Diskussion.

Bochum Henning Graf Reventlow

Wolff, Hans Walter: Dodekapropheton I: Hosea. 2., verb. u.
ergänzte Aufl. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag d. Erziehungsvereins
1965. XXXII, 322 S. gr. 8° = Biblischer Kommentar
, Altes Testament, hrsg. v. M. Noth u. H. W. Wolff,
XIV, 1. Lw. DM 40.80.
In ThLZ 1958 Nr. 1 und 1962 Nr. 11 habe ich die erste Auflage
des Hosaekommentars von Wolff ziemlich ausführlich besprochen
und in seinen Hauptzügen charakterisiert. Die jetzt
erschienene zweite Auflage unterscheidet sich sehr wenig von
der vorhergehenden. Die wichtigsten Thesen meinte der Verf.
unverändert aufrecht erhalten zu können. Die Literaturhinweise
sind bis 1964 fortgeführt worden; auch auf Rezensionen wird
bisweilen Bezug genommen. Die Auffassung der ersten Auflage
von der Ehe Hoseas wird hier erneuert, ebenso die Annahme
des hoseanischen Ursprungs fast aller Heilsweissagungen
des Hoseabuches. Der Rezensent hätte gern gesehen, daß
der Verf. auf die, wie es ihm scheint, gut begründeten Forschungsergebnisse
betreffs der tief eingreifenden redaktionellen
Bearbeitung der prophetischen Bücher mehr Rücksicht genommen
hätte.

Lund Joh. L i n d b I o m

NEUES TESTAMENT

M a r x s e n, Willi: Die Auferstehung Jesu als historisches und
als theologisches Problem. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn [1964). 35 S. 8°. Kart. DM 4.80.

Bartsch, Hans-Werner: Das Auferstehungszeugnis. Sein historisches
und sein theologisches Problem. Hamburg: Reich
1965. 31 S. gr. 8° = Theologische Forschung. Wissenschaftl.
Beiträge z. kirchl.-evang. Lehre, hrsg. v. H.-W. Bartsch, F.
Buri,, D. Georgi, G. Harbsmeier, J. M. Robinson, K. Wegenast
, XLI. DM 4.-.

Das Thema „Auferstehung Jesu" gewinnt in der gegenwärtigen
Theologie wieder eine zunehmende Bedeutung, wie nach
der umfassenden Untersuchung von H. Graß vor allem die systematischen
Entwürfe von G. Koch, W. Pannenberg und
J. Moltmann zeigen. Sowohl Marxsen als auch Bartsch wollen
ihre (exegetischen) Untersuchungen lediglich als Diskussionsbeitrag
verstanden wissen. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen
, daß durch Marxsen eine grundsätzliche methodische
Klärung des Problems erfolgt und Bartsch eine auf vielen Vorarbeiten
beruhende völlig neue Sicht der frühen Überlieferungsgeschichte
der Ostertradition vorträgt.

Die äußere Ähnlichkeit der beiden Beiträge erstreckt sich
bis in die Gliederung hinein, die Bartsch von Marxsen übernimmt
, gegen dessen angebliche Abwertung von Ostern er lite-
rarkritische und historische Einwände meint geltend machen zu
müssen. So wenig bestritten werden soll, daß Marxens Überlegungen
weitergeführt werden müssen, so sorgfältig muß doch
geprüft werden, ob Bartsch das wirklich leistet. Dazu muß darauf
geachtet werden, was jeder der beiden Verfasser eigentlich
will.

Marxsen unterscheidet sehr genau zwischen historischem Urteil
und Glaubensurteil.

Er geht davon aus, daß es bei der Diskussion über Ostern
„speziell um das Verhältnis des Historischen zum Theologischen
und des Theologischen zum Historischen geht" (7). Für unser
durch die Aufklärung geprägtes Denken liege dieses Problem

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 8