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Ausgabe:

1967

Spalte:

575-579

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Initiation 1967

Rezensent:

Rudolph, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 8

576

der die hauptsächlich durch die Stichworte der „Sendung" und
„Geschichte" zu markierenden Konsequenzen der eschatologischen
Hoffnung des christlichen Glaubens umfaßt, die kräftige Tendenz
zu einer vollständigen Korrelation abzuzeichnen, und zwar
hier zwischen Eschatologie und Theologie im engeren Sinne,
d. h. als Darlegung des Wissens von Gott oder als Lehre von
Gott. Vielleicht läßt sich diese eschatologisch-theologische Korrelation
sub specie der Folgen christlicher Hoffnung mit zwei Sätzen
andeuten, von denen der erste etwa zu lauten hätte: Als
Wahrnehmung der Offenbarung Gottes im Verheißungsgeschehen
der Auferweckung Jesu Christi qualifiziert die eschatologische
Hoffnung des christlichen Glaubens jede gegenwärtige Erfahrung
von Welt und Mensch als Erfahrung von Geschichte in der
.Differenz der Entäußerung" mit dem Ziel identischer Totalität,
darin Gott „alles in allem' sein wird. Entsprechend würde der

zweite Satz etwa heißen müssen: Die Geschichte der Welt im
Prozeß der „Differenz der Entäußerung" des Menschen auf Versöhnung
hin ist als reale und ideale Folge aus dem „Verheißungsgeschehen
der Auferstehung" das einzig möglithe Ele(-
ment oder Medium für die theologische Darstellung bzw. Auslegung
der Offenbarung Gottes in der Auferweckung Jesu Christi.
Ob einer Theologie (gemeint ist nicht der Theologe!), in der die
Tendenz auf diese Korrelation hin akut bleibt, am Ende das
Schicksal einer folgerichtigen Verwandlung in utopisierende
Identitätsphilosophie erspart bleiben kann, sei die letzte Frage
an das gedankenreiche Buch J. Moltmanns, von dem ich gerne
bekenne, daß ich auch nach mehr als einem Jahr intensiver Lektüre
mit seinem Verständnis noch nicht zum Ende gelangt bin,
weshalb der vorgelegte Versuch einer „Besprechung" nur ein
Zwischenbericht sein kann und will.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Bleeker, C. J., Prof. Dr. [Ed.] Initiation. Contributions to the
Theme of the Study-Conference of the International Association
for the History of Religions, held at Strasburg, September 17th
to 22nd 1964. Leiden: Brill 1965. VII, 309 S., 2 Taf. gr. 8Ü =
Studies in the History of Religions (Suppl. to Numen), X. Lw.
hfl. 48.-.

Es ist ein löbliches Zeichen der modernen „Kongreßgeschichte
", daß man auch in den Geisteswissenschaften in letzter
Zeit vorwiegend Studienkonferenzen oder Kolloquien über
ein gestelltes Thema veranstaltet. Damit wird der internationalen
Forschung auf einem Fachgebiet ein wichtiger, weiterführender
Dienst geleistet. Dies gilt in besonderem Maße auf dem
Gebiet der Religionsgeschichte bzw. Religionswissenschaft. In
unserem Falle handelt es sidi um das Thema „Initiation", zu
dessen Behandlung die „Internationale Gesellschaft für Religionsgeschichte
" jauf einer Tagung in Straßburg Sept. 1964
eingeladen hatte (sie war bewußt auf die europäischen Mitarbeiter
der Gesellschaft beschränkt gewesen). Die dort zum
Thema gehaltenen Referate sind in dem vorliegendem Band
von C. J. Bleeker vereinigt worden. Es sind 28 Stück von
unterschiedlicher Quantität und Qualität. Der Herausgeber hat
im Vorwort und im Anschluß an die Ausführungen von
M.( E 1 i a d e (S. 2f) die drei Hauptaspekte der weltweit anzutreffenden
Initiationsriten aufgeführt:

I. Die eigentlichen „Rites de Passage (nach van Gennep's
berühmtem Buch von 1909), d. h. Pubertäts-, Stammesaufnahme-
und Alterklassenriten.

II. Initiationsriten im strengen Sinn, d. h. Aufnahmeriten in
eine geschlossene religiöse Gemeinschaft oder einen Bund.

III. Initiationszeremonien im weiteren Sinne als Einführung in
die „Geheimnisse" einer Religion, religiösen Gemeinschaft oder
eines religiösen Standes bzw. Berufes, wozu vielfach eine mystische
Berufung und persönliche Erfahrung (Ekstase) gehört
(z. B. bei den Schamanen s. S. 5).

Über die Abgrenzung dieser Typen kann man streiten. So
hängen II und III oft zusammen, ebenso I und II. Eine stärkere
Aufgliederung in sechs Typen hat Bleeker selbst in seinen
„Some roductory Remarks on the Significance of Initiation"
(15-20) vorgenommen (18f.). „Formale Initiation" (= rite de
pasage) und „Informale Initiation", d. h. Einführung in eine
fremde Religion ohne Aufgabe einer anderen, scheidet H. H.
Presler (S. 87). Der notwendigen Forderung nach genaueren
Unterscheidungen, nach einer exakten Terminologie und einer
gesunden historischen Methode bei der Untersuchung der Initiationsriten
verleiht A. B r e 1 i c h, „Initiation et Histoire" (222-
231) Nachdruck, indem er dies an dem Fortleben „primitiver'
Initiationszeremonien in den höheren Gesellschaften (z. B. in
Griechenland) demonstriert.

Eine Einordnung der Beiträge in die genannten Typen wird
zeigen, daß hier manche Überschneidungen in Kauf genommen
werden müssen, z. B. der enge Zusammenhang zwischen religiöser
und sozialer Initiation im Parsismus (Zoroastrismus),
Buddhismus, Judentum und Islam (vgl. Widengren S. 305). Leider
macht sich auch bei diesem Überblick stark bemerkbar, daß
manche Bereiche entweder überhaupt nicht oder nur schwach
behandelt wurden bzw. vertreten waren. So die sogen, „schriftlosen
Kulturen" (davon streng genommen nur ein Beitrag!), die
ja in diesem Fall gerade stark abgehört werden müßten und
wo es alte und moderne hervorragende Arbeiten gibt (worauf
Eliade S. 5ff. verweist), dann der Alte (Vordere) Orient, die
europäischen alten Volksreligionen (Germanen, Kelten, Römer)
und Ostasien (Japan); der Buddhismus taucht nur am Rande
auf1, ebenso die spätantike Sektenwelt, von der mittelalterlichen
Konventikel- und Sektenbewegung ganz zu schweigen. Auf
einige dieser Lücken hat auch Widengren in seinem Schlußvortrag
schon nachdrücklich hingewiesen (298f.).

Probleme mehr allgemeinen Charakters haben etwa elf der
Referate zum Inhalt:

M. Eliade, LTnitiation et le monde moderne" (1-14), gibt
außer der erwähnten Bedeutungsanalyse und einer kurzen
Phänomenologie einen instruktiven Überblick über literarwis-
senschaftliche und psychologische Forschungen zum Initiationscharakter
gewisser Literaturwerke (9ff.) und hebt daran anschließend
die Bedeutung des Initiationsmotivs für die moderne
Welt hervor (in Gestalt von unbewußten Symbolen und Initiationsszenarien
). - Dem Problem, wie ein „uneingeweihter" Religionswissenschaftler
das Initiationswissen oder den verborgenen
Kern einer Religion erforschen bzw. erkennen kann, ganz
besonders wenn es sich um alte Religionen und Mysterien handelt
, geht u. a. Bleeker (s. o.) nach. - Zur Illustration dieser
Fragestellung sei gleich auf den Beitrag von A. Antweiler
verwiesen, der an Hand des Katholizismus und vom katholischen
Standpunkt aus einen Einblick in eine „Religion als
Einweihung" einschließlich einer Phänomenologie des „Unreligiösen
" (= Uneingeweihten, Sich-Ausschließenden, Nichtzugelas-
senen, Gleichgültigen), bietet (232-260). - Hingegen ist das,
was M. Vereno über „Einweihung und spirituelle Nachfolge"
(261-270) schreibt, wenigstens den Formulierungen nach mehr
als merkwürdig (den Tod als „Urphänomen" der Religion hinzustellen
geht völlig an der Sache vorbei, wie der Beitrag selbst
lehrt, ist es das „Leben"). - Einen Zusammenhang zwischen osi-
rianischem Totenritual und christlicher Taufe sieht S. G. F.
B r a n d o n, „The Significance of Time in some Ancient Initia-
tory Rituals" (40-48) im gemeinsamen Ziel, den Menschen von
der Zeit und der Vergänglichkeit (dem Tod) zu befreien. - „La
signification psychologique de l'Esoterisme" nach seiner kollektiven
, sozialen und individuellen Seite hin, d. h., letztlich eine
Psychologie der Minoritäten, behandelt E. Rochedieu (209-
213). - Der soziologischen Bedeutung der Initiation widmet
sich E. M Mendelsohn, „Initiation and the Paradox of
Power" (214-221); sie liegt in der Eröffnung eines Ausgleichs
zwischen Individuum und Gesellschaft: durch Selbstprüfung,

') Der Vortrag von H. Hoffmann über „Initiation in Lote Buddhism" ist
leider nicht aufgenommen (S. 308, Anm. 4).