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1967

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Liturgiewissenschaft

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2) F. hat die Absicht, die volkskirchliche Gemeinde zu erhalten
und zu stützen. Für einen radikaleren Neubau scheint
ihm die Zeit noch nicht reif zu sein (13;254). Obwohl er eine
ganze Reihe von neuen Wegen stichwortartig nennt oder beschreibt
(Hausbibelkreise 200; neue gottesdienstliche Ordnungen
158; Gespräch 214; „radikaler Strukturwandel" 330; Rüstzeiten
105 f; Besuchsdienst 244), sind sie bei ihm letztlich nur Mittel
zum Zweck der Erhaltung des Bewährten. Man hat bei der
Lektüre des Buches den Eindruck, als ob die Mangelerscheinun-
9en des Gemeindelebens heute keine grundsätzlichen Ursachen
hätten, sondern dafj lediglich das Bewährte nicht richtig gehandhabt
worden sei. So legt sich F. immer wieder selbst Zügel an,
wenn er neue Wege vorschlägt. Vgl. etwa, wie er vor musikalischen
und sprachlichen Experimenten im Gottesdienst warnt
(152 - 154)! Auf diese Weise beschreibt das Buch, was schon
viele Pfarrer in den letzten Jahrzehnten versucht haben, ohne
dafj die wenigen Beispiele, die auf gemachte praktische Erfahrungen
Schliefjen lassen, in der Lage wären, die eben aus der
Praxis des Althergebrachten rührende Skepsis dieser gerade
durch Krieg und Nachkriegszeit neubekehrten und neugewonnenen
Pfarrer zu überwinden. Das liegt vermutlich an dem

3) Grunde, der kritisch zu erwägen wäre. F. hat eine Aversion
gegen Methodik überhaupt (337,340). Durch das ganze
Buch zieht sich die Angst, die Methode könne dem Geist den
Weg versperren. Ob hier nicht etwas auseinandergerissen wird,
was seit der Menschwerdung unteilbar zusammengehört? Die
Inkarnation ist doch nichts anderes als Gottes eigene Methode
zur Übersetzung seiner Liebe für Menschen, genauer: für Sünder
. Die Menschwerdung gehört zur Sache, sie ist nicht blofj
die Methode einer hinter oder über ihr liegenden
Sache, die an sich durch sie nur verdorben oder verdunkelt
werden könnte. Das Evangelium ist Gottes Methode! Und seitdem
sind alle methodischen Überlegungen geheiligt, weil sie
nichts anderes sind als ein Stück der Liebe Gottes, die in Jesus
Christus offenbar geworden ist und an der alle Menschen teilhaben
sollen. Das Neue Testament kennt deswegen innerhalb
seiner einzelnen Schriften auch keine solche Generalisierung und
Allgemeingültigkeit, wie wir sie heute oft gern kennen wollen
und wie sie auch F.'s Buch uns nahezulegen scheint: dafj man
bei sorgfältiger Überlegung allen alles recht machen könnte!
D;e Schriften des Neuen Testamentes (vgl. etwa Johannes und
iVLatthäus! Paulus und Jakobus!) sind in sich immer einseitig,
weil sie - .methodisch" - das Evangelium in eine ganz bestimmte
, begrenzte Situation und Zeit hinein verkündigen und
übersetzen wollen! Brauchten wir nicht auch heute für die
Situation der Kirchen des Abendlandes eine Art fruchtbarer Einseitigkeit
? Müfjte nicht die Frage, welches Gemeindeverständnis
und, im Zusammenhang damit, welche Gemeindestrukturen
Gott von uns in unserer Situation fordert, exakter, radikaler
und einseitiger gestellt werden als sie von F. gestellt worden ist?

Karl-Marx-Stadt Dietrich Mendt

Dolores, Marian: Entfaltung der Persönlichkeit im Ordensleben
. Eine Psychologie der religiösen Gemeinschaft. Übers,
v. P. F. Port mann. Luzern-Stuttgart: Räber Verlag [1965].
188 S. 8°. Lw. DM 14.80.

Die Verfasserin ist Amerikanerin, ehemalige Studentin der
katholischen Universität Löwen, Dr. phil. der Loyola-Universität
Chicago, Klosterfrau und Dozentin für Psychologie an der Uni-
sersity of Windsor in Kanada. Ihrem Werk würde wohl nur ein
Rezensent gerecht werden, der sowohl die amerikanische psychologische
Literatur wie die inneren klösterlichen Verhältnisse
Amerikas kennt. Der Unterzeichnete hat solch Wissen nicht. Er
vermag folgende Hinweise zu geben: 1. Die neuthomistische
Schule, die auch in der Universität Löwen ein wichtiges Zentrum
hat, hat eine reiche psychologische Literatur entwickelt. Das
erste grundlegende Kapitel bei Dolores ist „Gnade und Natur"
überschrieben. - 2. Dolores bietet, wie der Untertitel sagt,
eine Psychologie der religiösen, näher gesagt: der klösterlichen
Gemeinschaft. Da das Buch in einem Minimum theoretisiert,
vielmehr ganz auf praktische Seelenführung ausgerichtet ist,
setzt es einerseits die klassische Literatur zur mönchischen Le-

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bens- und Seelenführung fort, bis hin zu E. Przywaras Exerzitienkommentar
„Deus Semper major" (s. ThLZ 91, 1966, Sp.
685), reiht sich aber andererseits als religiöses Gegenstück in die
modern-säkulare Betriebs- und Milieupsychologie ein, die bekanntlich
als brauchbares praktisches Instrument der Menschenführung
in Fabrik, Betrieb, Schule, Hochschule dienen soll. -
3. Da ein wissenschaftlicher Apparat fehlt - und das ist in
einem praktischen Hilfsbuch der Seelenführung für leitende
Ordensobere voll berechtigt -, ist die Frage nach dem Einflufj
moderner psychologischer Schulen kaum beantwortbar. Nach
unserem Eindruck ist der Einflufj deutscher, schweizerischer und
Wiener Schulen sehr gering. Die Tiefenpsychologie spielt nur
eine beigeordnete Rolle. Man spürt überall den Geist des praktischen
amerikanischen Christentums. Unseres Wissens ist die
psychologische Gebrauchsliteratur in Amerika besonders weit
entwickelt.

Bei dieser Lage der Dinge dürfte es sich fast erübrigen, Einzelheiten
hervorzuheben. Interessant war uns u. a. die Beurteilung
der Wachträume; sie gelten im Ordensleben als die „hartnäckigste
Form des Sichdrückens" (66). Der Unterschied zwischen
ihnen und der Meditation wird scharf herausgearbeitet.
„Beim Meditieren sollte der Geist nicht auf die eigene Tugendleistung
gerichtet sein, sondern auf die Tugend, wie sie nur
von Christus und seinen Heiligen vorgelebt wurde" (69). „Ohne
Rücksicht auf die wirklichen Verhältnisse kann ein Ordensmitglied
sich vorstellen, er sei ein großer Heiliger oder Held"
(66). Die Mentalreservationen werden verworfen, als .hinterlistige
Tricks" in einer „antisozialen Methode" und als meist „in
Ausreden gekleidete Lügen" (129). Größtes Gewicht fällt auf die
gegenseitige Hilfe und die echte soziale Anpassung. Im übrigen
ist selbstverständlich, dafj von Unterdrückung, Verdrängung,
Kompensierung, Überkompensierung und andern modernen Kategorien
gehandelt wird, immer mit dem Aufweis praktischer
Wegleitung.

Ein entsprechendes evangelisches Werk fehlt wohl, jedenfalls
im deutschsprachigen Bereich. Es würde in der Hand von Oberinnen
, Vorstehern von Brüderhäusern, Leitern von Predigerseminaren
, Konvikten und anderen Wohnheimen wichtige
Dienste tun können.

Rostock Gottfried H o I t z

LITURGIEWISSENSCHAFT

Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie, hrsg. v. K. Ameln,
Chr. Mahrenholz u. K. F. Müller. 9. Bd. 1964. Kassel:
Stauda-Verlag 1965. XV, 271 S. m. Notenbeispielen, Textabb.,
10 Taf. gr. 8°. Hlw. DM 44.-.

- desgl. 10. Bd. 1965. Ebda. 1966. XVI, 309 S. m. Abb., 6 Taf..

1 Beilage, gr. 8°.

Im 9. Band = Jahrbuch 1964 nimmt die Hymnologie im Vergleich
zu den Beiträgen aus dem Gebiet der Liturgik einen wesentlich
größeren Raum ein. Man mag das als Zeichen dafür
werten, dafj auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Hymnologie
ein Nachholbedarf besteht. Wie auch die Beiträge dieses Jahrbuches
wieder zeigen, kommt es gegenwärtig darauf an, durch
Einzeluntersuchungen gesicherte Grundlagen zu scharfen, ehe
eine neue zusammenfassende Darstellung gewagt werden kann.
Der liturgische Hauptbeitrag vom Mitherausgeber Karl Ferdinand
Müller steht unter dem Thema: „Das Gebet im Leben der
Gemeinde". Hier ist eine Studie weiterbearbeitet worden, die als
Studiendokument Nr. 9 der vierten Vollversammlung des Lutherischen
Weltbundes in Helsinki 1963 vorlag. Diese Arbeit will
nicht nur eine Dokumentation über das Gebetsleben sein. Sie
zeigt darüber hinaus die Möglichkeiten des Gebetes in der versammelten
Gemeinde wie für das Leben des einzelnen und verfolgt
auch den praktischen Zweck, auf Grund von Erfahrungen
hilfreiche Anregungen zu vermitteln. Ihr Gesamttenor ist durch
die Erkenntnis bestimmt: „Liturgisch fest formulierte Gebete
sind unaufgebbar; aber sie werden problematisch, wenn sie
nicht zum freien Gebet erziehen und diesem genügend Raum
lassen" (S. VI). Der Verfasser glaubt, einen „Wendepunkt irr.

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 7