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1967

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Praktische Theologie

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547

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 7

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Raum des modernen Unglaubens", 80 ff). Angesichts dieser Darbietung
des Ertrages der katholischen katechetischen Bewegung
wird gerade der evangelische Leser mit seinem Dank nicht sparen
dürfen. Und das nicht nur, weil ihm (ohne Absicht) gezeigt
wird, wie nahe katholische Katechetik der evangelischen
kommen kann, sondern auch, weil er sich noch einmal mit Positionen
konfrontiert sieht, die für viele im eigenen Bereich
schon seit Jahren als nicht mehr besetzbar gelten. War es wirklich
nötig, war es wirklich evangelisch, diese Positionen zu
räumen? Er gerät in die Selbstkontrolle. Aus der Fülle nur
eine Linie. Katechese ist «Dienst am Glauben" (58ff), genauer:
.Dienst am Ereignis des Glaubens, das sich vollzieht zwischen
dem sich offenbarenden Gott und dem zum Glaubensgehorsam
gerufenen Menschen" (58). Sie ist Verkündigung. Sie hat »den
einzelnen Christen in der Gemeinschaft der Gläubigen für die
personale Begegnung mit Gott zu bereiten" (eb). Mithin ist der
schulische Religionsunterricht keineswegs die Form, in der sie
sich am angemessensten verwirklicht. Das Prinzip »personale
Katechese" widerstreitet sowohl der dort naheliegenden Einengung
auf die religiöse Information als auch der Ausgrenzung
des Vor- und Nachschulalters. Recht verstanden lebt der Christ
.in dauernder Katechese" (75). Daraus und gerade auch aus
dem Brauch der Kindertaufe folgt die Forderung der Erwachsenenunterweisung
: Sie hat vor der üblichen »grundsätzlichen
Vorrang" (78)! Damit ist der Weg .vom schulischen Religionsunterricht
zum Katechumenat" (139) gewiesen. Der Katechume-
natsbegriff des Verf. meint nicht mehr eine Institution, sondern
eine Funktion. An Weite läfjt er sich im evangelischen Raum
wohl nur noch mit dem vergleichen, was bei O. Hammelsbeck
(der ja den Begriff bewußt vermeidet) .der kirchliche Unterricht
" heißt. Und auch sachlich ist ganz Ähnliches gemeint. Die
Glaubensunterweisung kann nur von der Glaubensgemeinschaft
getragen werden. Nicht nur, daß die Isolierung des schulischen
Religionsunterrichts überwunden werden muß. Sondern »Katechese
als Katechumenat ist erst dort verwirklicht, wo die ganze
Gemeinde, ein jeder auf seine Weise, sowohl an der religiösen
Erziehung der Kinder wie an der Vertiefung der Glaubensgemeinschaft
insgesamt Anteil hat" (155)!

S. 26, Z. 20 lies: den eigentlichen; S. 69, Z. 15 lies: Jahrsiebent; S. 120,
Anm. 34 lies: Wolfhart; S. 126 ist Anm. 37 vor Anm. 38 zu rücken; S. 162, Z. 32
lies: Hermeneutik; S. 173, Z. 12 lies: Glaubensentscheidung.

Petershagen b. Berlin Jürgen H e n k y s

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Friedel, Erich: Handlanger auf Gottes Bauplatz. Ein Handbuch
für die Mitarbeiter der Kirche zur Gestaltung des Gemeindelebens
. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1965). 412 S. 8".

Friedel legt eine umfangreiche Studie vor, die versucht, alle
praktischen Probleme der Gemeinde von heute auf lutherischer
Grundlage zu behandeln und zu lösen. Man könnte das umfangreiche
Werk gut einen Kommentar zur Lebensordnung der
VELKD nennen. Im Vorwort bezeichnet F. das beschriebene Bild
der Gemeinde als das .Bild der Gemeinde volkskirchlicher Prägung
" (13), und damit dürfte er das Thema des Buches exakter
formuliert haben als im Titel. Es geht in der Tat um die Gemeinde
volkskirchlicher Prägung, wie sie - das wird durch
ein Vorwort des thüringischen Landesbischofs Mitzenheim unterstrichen
- gegenwärtig besonders zum Programm der thüringischen
Kirche gehört. Dabei werden nicht eigentlich neue Positionen
beschrieben oder eingenommen. Vielmehr wird das auf
lutherischem Boden Gesagte sorgfältig registriert und erläutert.
F. nimmt den Ausgangspunkt seiner Erörterungen bei der
Kirche, die er als Gabe und Aufgabe schildert, und beim
Amt, das als Amt der Gemeindeleitung verstanden wird
(= Hirtenamt) und dem heutigen Pfarramt entspricht. Alle
praktischen Fragen bekommen von daher konsequent und folgerichtig
ihre Antworten. Sie setzen ein bei der Bedeutung der
Predigt und des Altarsakramentes, behandeln dann Fragen des
Strukturwandels, inner- und übergemeindlich, und schließlich
werden in weitem Bogen die Gemeinde als Heimat, konkrete
Glaubenshilfen, Haushalterschaft, Besuchsdienst, Kirchenzucht

und seelsorgerliche Fragen durchgesprochen. Abschließend behandelt
F. in zwei Kapiteln die »Missio Dei" und Fragen der
Gesamtkirche.

F. hat sich ein großes Arbeitspensum gestellt und es bewältigt
. Literaturverzeichnis, Stichwortverzeichnis und Bibelstellenregister
sowie ein Fremdwortverzeichnis machen den Fleiß dieses
Buches deutlich. Es dürfte kaum ein Begriff bzw. eine Sache
fehlen, die in der Praxis volkskirchlichen Gemeindelebens der
Gegenwart unter den Verhältnissen des kirchlichen Lebens in
der DDR eine Rolle spielt^ ob es sich um die Heranbildung von
Mitarbeitern, die Parochialgemeinde, um eine Klärung des Verhältnisses
von Evangelisation und Volksmission, um Schaukastenarbeit
, Rüstzeiten oder die Gestaltung eines Pfarrhauses
handelt. F. nennt sein Buch an einer Stelle »eine Frucht detr
Begegnung mit der Haushalterschaftsbewegung" (241). Dies ist
es in der Tat, wenn man für alle Anregungen, die die Haushalterschaftsbewegung
für den Gemeindeaufbau fruchtbar gemacht
hat, getreu der lutherischen Tradition das in den frühkatholischen
Schriften des Neuen Testamentes angelegte Bild von Hirt
und Herde als Pfarrer (bzw. Bischof) und Gemeinde zugrundelegt
. Von daher gesehen ist das Buch gründlich und richtig und
wird jedem gute Dienste leisten, der diese Voraussetzungen
teilt. Darüber hinaus bringt es für jeden, der hauptberuflich
und nebenberuflich im Dienste der Kirche steht, eine Fülle von
wertvollen Einzelanregungen.

Trotzdem könnte ich mir denken, daß auch der lutherisch
geprägte Pfarrer zuletzt dieses Buch mit einer leisen Resignation
aus der Hand legt. Meiner Ansicht nach hat das drei Gründe,
die im Folgenden erläutert werden sollen.

1) Es liegt alles am Pfarrer! »Da das Hirtenamt eindeutig
das Amt der Gemeindeleitung ist, laufen in der Hand des Pastors
alle Fäden des Gemeindelebens zusammen" (69). »Wir
dürfen Gott um diese Gabe (= der Gemeindeleitung) bitten
und sollten das unablässig tun; denn ohne sie ist alles, was
zur Erhaltung und Erneuerung der Gemeinde getan wird, beständig
wieder in Frage gestellt" (71; Sperrung vom
Rez.). Auch dort, wo Aufgaben an Mitarbeiter abgegeben werden
sollen - und es sollen viele Aufgaben abgegeben werden,
damit der Pfarrer seinem eigentlichen Dienst, der Wortverkündigung
und Sakramentsverwaltung, zurückgewonnen wird (71
u. ö.) - bleibt die letzte Verantwortung für alles beim Pfarrer.
Das bedeutet, daß alles Versagen, alle Schwächen und Fehler
der Gemeinde auf sein Konto kommen. Sie kommen auch auf
sein Konto, weil er der entscheidende Vermittler des Geistes
ist! Hier ist es nicht ohne Belang, daß in dem reichen Literaturverzeichnis
gerade Eduard Schweizers wichtige Schrift „Gemeinde
und Gemeindeordnung nach dem Neuen Testament",
Zürich 1959, sein Aufsatz „Die Kirche als Leib Christi in den
paulinischen Antilegomena" in ThLZ 1961, 241, und E. Käsemann
, »Amt und Gemeinde im Neuen Testament" aus „Exegetische
Versuche und Besinnungen", Band 1, München 1963,
S. 109 ff fehlen. Es fehlen unter den Bibelstellen auch diejenigen
, in denen der Gemeinde das Amt des „Prüfers" bzw. des
„Prüfens der Geister" nicht nur zugestanden, sondern auferlegt
wird: Römer 12,2 (48 zitiert, aber nicht im Blick auf das Prüfen
); Epheser 5,10 (37 zitiert, aber nicht im Blick auf das Prüfen
); 1. Thess. 5,21; 1. Joh. 4,1. Die Forderungen an den Pfarrer
wachsen ins Ungeheure, wenn er „gelassen" bleiben soll (84),
für Frau und Familie genug Zeit haben soll (83), wenn aber
trotzdem das Pfarrhaus „beispielgebendes Modell der christlichen
Familie als Hausgemeinde" sein soll (82) und der Pfarrer
nie „privat lebt, sondern immer in und für seine Gemeinde"
(86). Von der oekumenischen Praxis her gesehen könnte die
Verarbeitung von zwei instruktiven Beispielen hilfreich sein, die
auf lutherischer Grundlage einen anderen Amtsbegriff praktizieren
als den von F. dargelegten: das sind einmal die evangelischen
Studentengemeinden innerhalb lutherischer Landeskirchen
, wo der Pfarrer nicht Vorsitzender des Kirchenvorstandes
(bzw. des Vertrauenskreises) ist, und das von Vicedom in seiner
Schrift „Kirche in der Entscheidung", Neuendettelsau 1949,
S. 43-48 dargestellte Leben der Gemeinden in Neuguinea,
einem lutherischen Missionsgebiet Löhescher Prägung.