Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1967

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

M3 Theologische Literaturzeit

tischen Wert besitzt. Diese Frage drängt sich umso mehr auf,
wenn man bemerkt, daß dieser Ausführlichkeit auf der einen
Seite eine erhebliche Reduktion der Variantenzahl auf der anderen
Seite entspricht. Abermals wird dem Urteil des Benutzers
vergegriffen, insofern der Blick nur auf eine sehr begrenzte, von
den Herausgebern offenbar allein für wichtig gehaltene Zahl von
Varianten fällt. Ganz offensichtlich soll die neue Ausgabe nicht
eigentlich der textkritischen Forschung, sondern der Festlegung
eines quasi ökumenischen Standardtextes dienen.

Dieser eben genannte Eindruck wird bestätigt, wenn man im
Vorwort liest, daß das hier vorliegende team-work einerseits
nicht mit anderen modernen Ausgaben, z. B. der von Nestle-
Aland, konkurrieren will, und daß es andererseits in erster Linie
den Bedürfnissen weltweiter Bibelübersetzung gerecht werden
soll. Als Hilfe für die Übersetzungsarbeit ist offensichtlich die
Gesamtanlage des Werkes gedacht. Dth- Urtext ist also nicht
mehr Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Man muß zweifellos
diese begrenzte Aufgabenstellung vor Augen haben, um
der mühevollen Kleinarbeit der Herausgeber die rechte Einschätzung
widerfahren zu lassen. Es wäre unfair, sie an Maßstäben
zu messen, an denen sie selbst gar nicht gemessen werden wollen
.

Leipzig Günter Haufe

Schniewind, Julius: Zur Erneuerung des Christenstandes,
hrsg. v. H.-J. Kraus u. O.Michel. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht [1966]. 101 S. 8° = Kleine Vandenhoeck-
Reihe 226/27. DM 3.80.

Die kleine Schrift enthält eine Reihe von Vorträgen und
Aufsätzen des 1948 verstorbenen Hallenser Neutestamentiers,
die in verschiedenen Zeitschriften erschienen sind, nun aber in
der Kleinen Vandenhoeck-Reihe gesammelt vorliegen. Sie behandeln
1. Grundfragen der christlichen Existenz (Metanoia,
Neugeburt, Heilsgewißheit, Heiligung) und erörtern 2. das Verhältnis
von Theologie und Pfarrerstand unter den Gesichtspunkten
: Der Verkündigungscharakter der Theologie, Theologie
und Seelsorge, Die geistliche Erneuerng des Pfarrerstandes. Die
erste Gruppe zeigt Sehn, als hervorragenden Exegeten, der auf
das biblische Wort hört und die Tiefe der in ihm zum Ausdruck
kommenden göttlichen Wahrheit zu ergründen sucht; die
zweite läßt erkennen, wie stark ihn die Frage nach der rechten
Theologie und der geistgewirkten Verkündigung bewegte. Theologie
und Kirche könnten nur dann ihre Aufgabe erfüllen,
wenn sie von der theologia crucis bestimmt sind. Das Wort
vom Kreuz und die Lehre von der Rechtfertigung sind für
Sehn, die articuli stantis et cadentis ecclesiae. Darin besteht
nach seiner Auffassung eine völlige Übereinstimmung zwischen
der apostolischen Didache und der reformatorischen Theologie.
Von dieser grundlegenden Erkenntnis aus entfaltet Sehn, seine
Gedanken über die geistliche Erneuerung des Pfarrerstandes, die
in der Verkündigung zu einer Wiedererweckung der urchristlichen
Charismatik (Prophetie, Lehre und Seelsorge) führen muß.
Sehr beachtlich sind seine Vorschläge für die Ausbildung der
zukünftigen Pfarrer. Das Theologiestudium müsse von Kirche
und Kerygma her gestaltet werden, damit es bei dem Theologen
zu einer wahrhaft eschatologischen Existenz kommt.

Der Sammlung der Aufsätze ist ein Vorwort vorausgeschickt,
in dem H.-J. Kraus den Leser über die Persönlichkeit und den
Lebensweg Schn's unterrichtet. Das abschließende Nachwort von
O. Michel gibt ein eindrucksvolles Bild von der theologischen
Bedeutung Schn's.

Berlin Johonnes Schneider

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Ritter, Adolf Martin i Das Konzil von Konstantinopel und sein
Symbol. Studien zur Geschichte und Theologie des II. ökumenischen
Konzils. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1965].
316 S. gr. 8°. = Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte
, 15. DM 36.-.

g 92. Jahrgang 1967 Nr. 7 514

Die ziemlich zahlreichen konzilsgeschichtlichen Veröffentli|-
chungen, die im Gefolge des II. Vaticanum an den Tag gegeben
wurden, sind als zumeist eilig kompilierte Buchbindersynthesen
für die Wissenschaft bisher von geringer Förderung gewesen
. Anders steht es mit dieser Heidelberger Dissertation, die
eine ernsthaft zu nehmende Arbeit ist, mit der sich ein urteilsfähiger
Mann den Mitarbeitern auf dem Felde der Patristik vorstellt
.

Ritter legt eine reichhaltige Monographie über Verlauf und
Ergebnisse des später sog. „II. Ökumenischen Konzils" vor, in
der die mit ihm verbundenen Probleme umfassend erörtert werden
. Notwendigerweise kommt er dabei auf viele weitere Fragen
aus der Theologiegeschichte des 4. Jh.s zu sprechen. Das
geschieht mit anerkennenswerter Behutsamkeit und ist fa(sitf
immer anregend. Aufbau und Argumentation sind übersichtlich
und klar; das reine Deutsch verdient, erwähnt zu werden.

Natürlich betritt niemand Neuland, der es unternimmt, die
Synode des Jahres 381 darzustellen, da neue Quellen nicht gefunden
wurden. Vor allem Ed. Schwartz hat in bahnbrechenden
Untersuchungen die Hauptfragen erkannt und im wesentlichen
beantwortet. Freilich stellt das strenge und knappe Raisonnement
des Meisters an Kenntnis und Scharfsinn des Lesers derart hohe
Anforderungen, daß es schon aus diesem Grunde zu begrüßen
ist, wenn dem Konzil eine eigene Untersuchung gewidmet wird,
in der Für und Wider ausführlich zu Wort kommen und die
Probleme breiter entfaltet und vorgetragen werden.

Im ersten Hauptteil (19-131) werden „Vorgeschichte und Geschichte
des Konzils" behandelt. Das Konzil ist das Konzil des
Kaisers Theodosius, und es ist das Konzil des Antiocheners Mele-
tius und seiner Anhänger.1 Der Tod des Meletius, nicht lange
nach der Eröffnung der Synode, bildet eine Zäsur. Indem Ritter
vor allem die Schriften des dem Meletius in der Leitung des
Konzils folgenden Gregor von Nazianz zur Vergegenwärtigung
der synodalen Verhandlungen heranzieht, gewinnt er ein anschauliches
Bild von den Vorgängen. Immer noch bleibt unsere
Kenntnis des Konstantinopler Konzils vergleichsweise dürftig,
aber Ritter hat doch den nicht unparteiischen Äußerungen des
Nazianzeners soviel an Kunde abgewonnen, als irgend möglich
ist. Seine Rekonstruktion des Konzilsverlaufs ist folgende: Der
seit Frühsommer 380 bestehende Plan des Kaisers, auf einer
Synode die kirchlichen Verhältnisse des Ostens zu ordnen, wozu
in erster Linie die Regelung der Bischofsfrage in Konstantinopel
gehörte,2 wird im Frühjahr 381 unter tatkräftiger Beteiligung
des Meletius ins Werk gesetzt.3 Die Anfang Mai zusammentretende
Synode, die sich im wesentlichen aus den Anhängern des
Meletius zusammensetzte, nahm als ersten Verhandlungspunkt
die Bischofsfrage vor. Der vom Kaiser bereits im November 380
demonstrativ in die Apostelkirche eingeführte Führer der Nicäer,
Gregor von Nazianz, wird als Bischof inthronisiert.'1 Schon jetzt

') Ritter schätzt Schwortzens Charakteristik des Meletius nicht, doch geht er
nicht auf die Vorgänge ein, die dem Urteil zugrunde liegen (55). Ich fürchte,
der Charme des Armeniers übertraf ein wenig seine Heiligkeit. Leider erneuert
Verf. (ebd., Anm. 1) Tillemonts irrige Interpretation der von Gregor von Nyssa
in seiner Rede auf Meletius erwähnten drei Exile des Bischofs.

2) Wie die Frage auf S. 29, Anm. 2 zeigt, vermag Verf. bedauerlicherweise
nicht einzusehen, daß neben der Bischofsangelegenheit die Abrogierung der
offiziell noch geltenden Beschlüsse von 359/60 die raison d'etre der Synode und
der Symbolaufstellung war, wie von Schwartz herausgestellt ist.

3) Meletius traf vor den übrigen Synodalen in der Hauptstadt ein. Er wird
schon beim Erlaß des Edikts vom 10. 1. 381 seine Hand im Spiel gehabt haben,
was Ritter freilich leugnet, weil Meletius zu diesem Zeitpunkt angeblich noch
nicht in Konstantinopel sein konnte, da er mit dem General Sapor Verhandlungen
über die Rückgabe der antiochenischen Kirchen führte (35 f., doch vgl. 77). Aber
diese Verhandlungen fanden wohl bereits 378/9 statt (Schwartz, Gesammelte
Schriften IV (1960) 91). So wird die „kappadozische" Formulierung im Edikt auf
Meletius zurückgehen. Für den von Ritter vorgeschlagenen Spiritus rector, Gregor
von Nazianz, spricht nichts (am wenigsten die Tatsache, daß er .der größere
Theologe" als Meletius warl)

') Gregors Äußerung, er sei nicht ohne den Willen des Basilius als Leiter
der Orthodoxen nach Konstantinopel gegangen, so ernst zu nehmen, wie Ritter
es tut (46), erscheint gewagt. Basilius kannte doch seinen Freundl Die Bemerkung
steht zudem in der Gedächtnisrede auf Basilius, in die sie aus verständlichen
Gründen leicht einfließen konnte (or. 43, 2). übrigens ist Gregor
am 27. 11. 380 nicht deswegen in die Apostelkirche geführt worden, weil sie die
„Kathedrale" war (42 f., 48, 108). Die Hauptkirche war offenbar die später
Sophienkirche genannte „Große Kirche" (A. M. Schneider, D. altchrlstl. Blsdiofs-
und Gemeindekirche und ihre Benennung, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen,
phil.-hist. Kl. 1952, 7, S. 157), »die Kirche von Konstantinopel" (E. Honigmann,
Trois memoires posthumes, Subsidia hagiographica 35, 1961, 25). Gregor wurde,
so muß man folgern, deshalb in die Apostelkirche geführt, weil er noch nicht
offiziell Bischof der Stadt war. In die Apostelkirche konnte Theodosius Ihn