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Ausgabe:

1967

Spalte:

466

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Walkenhorst, Karl-Heinz

Titel/Untertitel:

Der Sinai 1967

Rezensent:

Walkenhorst, Karl-Heinz

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465

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 6

465

Mk. 11,10 parr; Lk. 1,42). Zu den berichteten Doxologien ist außer
Mk. 14,&1; 1. Kor. 14,16; Jak. 3,9f.; Lk. 24,52; 1,64; 2,28 auch
Lk. 2,34 zu zählen. Die Sammlung für Jerusalem 2. Kor. 9,5f. ist do-
xologisch als „Dankesgabe" zu verstehen, die folgende Präpositional-
konstruktibn als adverbielle Wendung „dankbar". Neunmal steht der
Stamm eulog- für das Dankgebet bei Mahlzeiten. Dabei ist es analog
zu dem parallelen eucharistein zu verstehen. Das gilt auch für 1. Kor.
10,16. Die konsekratorische Bedeutung „weihen" ist hier ausgeschlossen
.

Der dritte Teil gibt eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse
und deutet Konsequenzen für den Bereich der Liturgik an: Das Segnen
ist der Fürbitte ein- und unterzuordnen. Jede Überordnung ist
als ungerechtfertigt abzuweisen. Ein Segnungsakt gehört nicht zu den
unentbehrlichen Wesensbestandteilen eines christlichen Gottesdienstes.

03er Druck der Arbeit ist bei der Evang. Verlagsanstalt Berlin
in der Reihe der Theologischen Arbeiten geplant).

Seebaß, Gottfried: Das reformatorische Werk des Andreas
Osiander. Diss. Erlangen 1965. XXVI, 534 S.

Bereits die biographischen Nachträge zu W. Möllers vor beinahe
hundert Jahren erschienenen Osianderbiographie in der Monographie
von E. Hirsch über die Theologie Oslanders wiesen darauf
hin, daß wir immer noch eine höchst lückenhafte Kenntnis von dem
Werk dieses Reformators haben. Hier möchte die vorliegende Dissertation
Abhilfe schaffen. Im ersten Teil (A) ergab ein kurzer Überblick
über die bisherige Forschung (I), daß gerade die sechsundzwanzig
Jahre, die Osiander in Nürnberg als bedeutendster Prediger dieser
Stadt verbrachte, stark vernachlässigt worden sind. Durch umfangreiche
Arbeiten in Nürnberger und anderen Archiven konnte ein Verzeichnis
der Werke Oslanders in chronologischer Ordnung zusammengestellt
werden (II), welches weit mehr als das bisher bekannte
Material enthält. Dabei sind von besonderer Bedeutung und die
Hauptmasse bildend die Quellen aus den Nürnberger Jahren (1522—
1 548). Für die Lebensjahre Oslanders in Königsberg (1549—1552)
ergaben sich nur wenige neue Quellen. Doch gelang es, die bei
Möller angeführten Königsberger Archivalien größtenteils im Herzoglichen
Briefarchiv (jetzt im Staatlichen Archivlagcr, Göttingen) wiederaufzufinden
.

In einem zweiten Teil (B) wurde versucht, die Quellen historisch
und sachlich einzuordnen. Da die Dissertation als Vorarbeit zu
einer Theologie Oslanders gedacht ist, wurden große sachliche
Komplexe gebildet. In sedis Abschnitten sind behandelt: Theologische
Studien und wissenschaftliche Liebhabereien; Auseinandersetzung mit
dem Katholizismus in Nürnberg; Auseinandersetzung mit den
schwärmerischen Bestrebungen in Nürnberg; Teilnahme an den
Religionsverhandlungen im Deutschen Reich; Einfluß auf die Durchführung
der Reformation im weltlichen und kirchlichen Bereich; Theologische
Streitigkeiten. In diesen Abschnitten ist es in oft recht mühsamer
Kleinarbeit gelungen, die Entstehungsgeschichte der Quellen,
ihre Aufnahme und Wirkung zu kennzeichnen.

Aus der Fülle der Einzclergebnisse, die für den künftigen Biographen
Osianders wichtig sein werden, greifen wir nur einige heraus.
Die Gutachten und Ratschläge zeigen Osiander in einem bisher nicht
bekannten Ausmaß an allen reformatorischen Maßnahmen beteiligt,
die vom Rat der Stadt Nürnberg vorgenommen wurden. Ohne Zweifel
muß man in ihm den eigentlichen Reformator dieser für die Reformationsgeschichte
so wichtigen Stadt bezeichnen. Auch muß sein Einfluß
auf die Endgestalt der nürnbergisch-brandenburgischen Kirchenordnung
von 1533, die bekanntlich Quelle für einen ganzen Zweig
reformatorischer Kirchenordnungen wurde, höher veranschlagt werden.
Daß Osiander alleiniger Verfasser der mit dieser Ordnung verbundenen
Katechismuspredigten ist, konnte zweifelsfrei bewiesen werden.
An Hand des vorliegenden Materials wäre es dringend notwendig,
die Vorgeschichte dieser Kirchenordnung erneut zu untersuchen.

Vielfältig sind die Hinweise für eine bessere Erfassung der
osiandrischen Theologie. So ließ sich zeigen, daß seit 1528 ein
Dissensus zwischen Osiander und den Wittenbergern besteht,
der immer wieder an verschiedenen Stellen aufbricht (Widerstands-
frage; Allgemein«. Absolution; Konditionaltaufe: Beurteilung der
Kabbala). Daß E. Hirsch in seinem Werk den Einfluß des Erasmus auf
Osiander zu gering veranschlagte, ist bereits früher gesehen worden.
Wichtiger ist. daß der Einfluß Picos und der kabbalistischen Tradition
auf Osiander nicht erst seinen späteren Jahren angehört. Es ergab
sich, dtrß das Werk Picos Osiander bereits 1529 recht vollständig
bekannt gewesen sein muß. Die Wurzeln der eigenartigen Theologie
Osianders müßten also von neuem untersucht werden.

Man hat in Osiander bisher hauptsächlich den Streittheologen
der beginnenden Frühorthodoxie gesehen. Man wird in ihm nach
dieser Arbeit zunächst einmal den eigenständigen Reformator
einer der wichtigsten Reichsstädte erblicken.

Da die Dissertation sehr viel Material zur Territorialkirchengeschichte
Nürnbergs enthält, wird sie im Selbstverlag des Vereins
für bayerische Kirchengeschichte in der Reihe: Einzelarbeiten aus der
Kirchengeschichte Bayerns vermehrt um ein ausführliches Sach- und
Namenregister erscheinen.

Walkenhorst, Karl-Heinz: Der Sinai im liturgischen Verständnis
der deuteronomistischen und priesterlichen Tradition. Kath.
Dissertation Rom 1965.

Das eigentliche Ziel der Arbeit ist ein theologisches. Es soll versucht
werden, die beiden Hauptströme der Pentateuchüberlieferung
daraufhin zu untersuchen, wie sie das Sinaiereignis für den israelitischen
Kult werten, und welches theologisches Verständnis vom Kult
sien damit ergibt. Eine neue Untersuchung dieser Frage ist gefordert,
denn einerseits muß sich die Kirche in ihrem Streben nach liturgischer
Erneuerung auf die Urkräfte zurückbesinnen, aus denen sie geworden
ist, andererseits aber können die bisherigen Arbeiten über alttesta-
mentliche Liturgie kaum diesem Bedürfnis Rechnung tragen, sei es,
weil sie die Probleme der Quellenscheidung überhaupt ingnoriert haben
, sei es, weil sie den Hauptteil von Ex 25- Nm 10,28 zu einfach
als „Priesterkodex" aufgefaßt haben, der, in der babylonischen Gefangenschaft
oder später entstanden, eine neue Konzeption von Priester
und Kult entworfen und dabei nicht mehr viel von bereits früher fixierten
Geschiditsüberlieterungen und Gesetzesformulierungen getreulich
kopierend weitergegeben habe. So gesehen wäre es ein aussichtsloses
Unterfangen, ältere Formen herausanalysieren zu wollen, wie es
etwa R. Rendtorff für die Opferthora und H. Graf Reventlow / R.
Kilian für das Heiligkeitsgesetz unternommen haben. Bezüglich der
Stoffverteilung meiner Arbeit muß gesagt werden, daß ich mich so
sehr mit den textkritischen und tormanalytischen Problemen der
Weihe- und Opferrituale von Ex 29 und Lv 8f. eingelassen habe, daß
die deuteronomistische Tradition nur sehr kurz damit konfrontiert
werden konnte und das Ziel einer theologischen Besinnung auf das
Wesen des Sinaikultes nur in zwei, allerdings wichtigen Punkten erreicht
wurde, nämlich: kultischer Ort und liturgischer Segen.

Kurz zusammengefaßt ist das Ergebnis folgendes: Das jetzt in
Ex 29, Lv 8 f. vorliegende Material ist zu sehr verschiedenen Zeiten
entstanden. Die neuere Form in Ex 29 steht neben der älteren in Lv
8 und der noch älteren in Lv 9. Sie sind überliefert nadi Art einer
durch viele Jahrhunderte arbeitenden Tradition, die ihren Sitz am
Heiligtum hat und in ihrer streng konservativen Sprache Überliefertes
weitergibt und Neues hinzufügt. Wir nennen sie „priesterliche Tradition
". Die Weiherrituale vor allem in Lv 9 scheinen in ihrer ältesten
Form als „Ritualerzählungen" weitergegeben worden zu sein. Die Abfassungszeit
der in Lv 8f. enthaltenen älteren Rituale liegt den ältesten
Teilen der Opferthora noch voraus, die jedenfalls in der Königszeit
Geltung gehabt und schon fixiert gewesen sein müssen. Mit Hilfe
der Opferthora ergibt sich die Möglichkeit — von Übergangsformen
abgesehen — die ältere priesterliche Überlieferung der Priesterweihe
von den jüngeren Überlieferungen zu scheiden, welche die Opferthora
voraussetzen. Für die ältere priesterliche Überlieferung ergibt sich
nun, daß der Opferaltar als Bundesaltar im Zentrum der Priesterweihe
steht. Sie ist Weihe auf den Altar hin. Als Höhepunkt der Erstopfer
gehört die Erzählung vom Segen zur älteren priesterlichen Überlieferung
. In der jüngeren priesterlichen Überlieferung tritt der Altar gegenüber
dem Tempelzclt als ganzem zurück, zu dem die Priesterweihe
durch Salbungen in Beziehung gesetzt ist. Die ältere Überlieferung
wird „vervollkommnet". Der Sinai, mit dem auch die ältere Überlieferung
durch den Bundesaltar die Priesterweihe verbindet, steht nun
im Zentrum des ganzen Pcntateuchs und die Priesterweihe im Zentrum
des Sinaigeschehens.

Damit ergibt sich das Problem der deuteronomistischen Überlieferung
: Sie schweigt von der Priesterweihe am Horeb und hat auch
in ihren älteren Teilen kein Wort über den priesterlichen Segen, wiewohl
sie so viel vom Segen zu sagen weiß und die Bedeutsamkeit des
einen kultischen Ortes für die Opferdarbietung so sehr einschärft.
Dennoch ist nicht notwendig zu folgern, daß sie die ältere priesterliche
Tradition vom Sinai nicht gekannt habe. Untersuchungen der „Ma-
qömformel" und der Stellen in Dt 26/27, wo an sich die Erwähnung
des liturgischen Segens zu erwarten gewesen wäre, ergeben Hinweise,
daß die priesterliche Überlieferung zwar gekannt aber nicht genannt
wird, um so nachdrücklicher das Gesetz als Ganzes zu fordern und
den Segen mit allen Heilsgütcrn ins Zentrum der Predigt zu rük-
ken. Abschließend wird umrissen, wie im Hebräerbrief die deuteronomistische
Tradition weiterwirkt: totale Gehorsamsforderung und
kein „Ersatz" für die irdische Glorie des Sinaikultcs, — und die priesterliche
: Laßt uns hinzutreten; — als wäre schon jetzt der Zugang
zum himmlischen Heiligtum unmittelbar frei. Für die liturgische Erneuerung
der Kirche wird schließlich gefordert, daß sie nicht einseitig
geschehe, sondern die Impulse beider Traditionen voll aufnehme.