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1967

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Systematische Theologie: Allgemeines

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449

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 6

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Applikation bleibt umklammert von der römischen legalistischen
Versöhnungslehre.

Diese Gefahr befürchtet Koch auch für die auf evangelischer
Seite erfolgten Versuche einer Theologie der Repraesentatio.
Ausgehend von Luther, Melanchthon, der Konkordienformel
hält er eine Repraesentatio-Lehre für lutherische Theologie für
entbehrlich (S. 110). Mit der Realpräsenz Christi im Gottesdienst
als dem unverfügbaren Urdatum des Für-Euch-Geschehens
macht sich zugleich eine anamnetische Repraesentatio überflüssig,
ja verbietet sich, denn sie tendiert dazu, die Abwesenheit
Christi vorauszusetzen und ein konkreatorisches Verständnis
des Stiftungsbefehles zu bewirken. Der Gottesdiensttyp der
Christusanamnese ist ein Geschehen, das vom versöhnten Menschen
mitbestimmt ist. Damit sieht K. die Versöhnungslehre
durch die Repraesentatio-Thcologie verfälscht. Nach reformatorischem
Verständnis ist der Gottesdienst durch die Begriffe
sacramentum und sacrificium eucharisticum gekennzeichnet. Das
Opfer Christi ist Veranstaltung Gottes zum Heile der Menschen
. Alles sakrifizielle Handeln der Gemeinde im Gottesdienst
kann nur Folge des empfangenen sakramentalen Handeln Gottes
sein. Die Vergegenwärtigung des Opfers Christi ist ein Stück
des soteriologischen, auf den Menschen zielenden Handelns
Gottes (S. 48). Die in der Repraesentatio-Theologie behauptete
..eucharistische actio ecclesiae bedeutet kraft Repraesentatio des
Werkes Christi aktives Hineingenommenwerden in das Werk
■der Versöhnung". Damit ist „die für die lutherische Rechtfertigungslehre
zentrale Aussage des extra nos unserer Gerechtigkeit
(SD III 55) aufgegeben worden" (S. 143). Das Opfer
der Gläubigen wird bei der Repraesentatio-Theologie kausativ,
aber nicht, wie lutherisch allein möglich, konsekutiv mit dem
Opfer Christi verbunden (S. 131).

Mit großem Scharfsinn und logischem Zwang untersucht K.
die Entwürfe P. Brunners, W. Hahns, Wilhelm und Rudolf
Stählins, Plachtes, Asmussens u. a. und sieht sie alle weniger
oder mehr diesem Trend erlegen. Aus feinsten Wendungen werden
Linien schwerer Abweichungen von der reformatorisch-
lutherischen Lehre ausgezogen. Das beginnt mit dem Vorwurf
an Brunner, bei ihm habe die sakramentale Seite des Gottesdienstes
nur vorlaufenden, uneigentlichen Rang vor dem
sakrifiziell-eucharistischen Geschehen, das auf den neuen pneumatischen
Menschen bezogen ist und über dem sakramentalen
Geschehen dominiert (S. 66). Folge davon ist z. B. die Abwertung
des Missionsgottesdienstes vor dem Abendmahlsgottesdienst
(S. 64) und die Auflösung des Verhältnisses von Gesetz
und Evangelium zu einem genetischen. Bei der Berneuchener
Theologie wird der häretische Tatbestand erhoben (S. 100),
daß das Sakrament zum Instrument und Ort eines auf Gott gerichteten
sakrifiziellen Handelns Christi und der Kirche wird.
Bei K.s Ablehnung eines sacerdotal verstandenen allgemeinen
Priestcrtums muß auch Asmussens Versuch, das Christusopfer
in das Opfer der Gemeinde zu transformieren, als „die lutherische
Lehre vom allgemeinen Priestertum in ihr häretisches
Gegenteil" verkehrend verurteilt werden.

Für die Gestaltung des Gottesdienstes erscheint K. nach
allem die Form A der Lutherischen Agende I als im höchsten
Grade angemessen (S. 132). Ein Vergleich von Brunners
Eulogia, der Form B der Lutherischen Agende I und der eucha-
ristischen Feier der Berneuchener ergibt, daß erstere beiden zwar
'".och nicht unangemessen sind, aber ein Gefälle dahin bergen
(S. 13 5). Die Berneuchener Messe als Zusammcnschau des versöhnenden
Opfers Christi mit dem eucharistischen Opfer der
Kirche überschreitet die gebotene Grenze. — Den Versuch, ökumenische
Tradition lutherisch zu absorbieren, als was K. die
evangelische Repraesentatio-Theologie richtig empfindet, sieht
er mißlingen, „weil ökumenische Gemeinsamkeit an einer Stelle
gesucht wird, der das Luthertum nur mit einer scharf profilierten
eigenen Ordnung und Theologie widerstehen kann" (S. 142).
Daher muß man auch in Kauf nehmen, daß mit der Form A der
Lutherischen Agende I die lutherische Kirche das Formprinzip
der ökumenischen Gemeinsamkeit durchbricht. Die lutherische
Kirche kann und muß hier „die Reinheit der ihr anvertrauten
Gabe nur in der Isolation bewähren und bezeugen" (S. 134).

K. möchte mit seiner Arbeit das Gespräch weiterführen, in
dem nach seiner Meinung die Lutherische Agende I mit ihren
beiden Formen A und B steckengeblieben ist. Schon das ist zu
begrüßen. Ferner freut man sich über die Klarheit, in der Position
genommen ist; die Gesprächspartner sind gefordert. Daß
bei aller Schärfe der Argumentation K. stets bemüht bleibt,
auch das Anliegen der Gegenseite zu verstehen, erhöht den Wert
der Arbeit. Für den Fortgang des Gespräches wird man, nachdem
nun das Thema so deutlich gestellt ist, den Kreis der Teilnehmer
weiter stecken müssen. Auf katholischer Seite könnten
zur Frage des Opfers die Arbeiten R. Grosches und N. Rocholls,
aufgenommen und vertieft von Y. Congar, auflockernd wirken
auf das ausschließende Gegenüber, das bei K. der Mysterientheologie
hinsichtlich des Opfers und des sacerdotalen Ranges
des allgemeinen Priestertums zugewiesen wird (Congar, Der
Laie, Stuttgart 1957, besonders seine Unterscheidung von Sühnopfer
Christi und Opfer der Vollendung nach Hebr. 10, 7, so
S. 242 ff., 273, 299). Neutestamentlich wäre das im Hebr. offenbarte
ständige Intercedieren des Ewigen Hohenpriesters vor
Gott nach seiner Bedeutung für den irdischen Gottesdienst zu
befragen in dem Sinn, ob das Neue Sein der himmlischen Liturgie
antezipatorische Bedeutung habe. Auf die Versöhnungslehre
bezogen: ob der von K. mit so starker Eindringlichkeit ver-
fochtenen Reihenfolge mortificatio — sakramentales Empfangen
— sacrificium Iaudis der Gläubigen nicht auch zu entsprechen
habe die Folge sanatio — Hineingenommenwerden in euchari-
stisches Handeln — sacrificium laudis, konsekutiv, aber nicht
minder beteiligt. Es wird sich zeigen, ob das mysterion des
Abendmahles allein rational angemessen beschrieben werden
kann. — Für die Agendendebatte bliebe zu bedenken, was es bedeutet
, daß schon die innerlutherische Ökumene den Gottesdiensttyp
der Form A der Lutherischen Agende I nur zum geringen
Teil pflegt; das schwedische und das amerikanische
Luthertum mit den von ihnen her entstandenen Jungen Kirchen
haben eine Praxis, die der Form B der Lutherischen Agende I
entspricht und darüber hinausgeht. — Diese Anmerkungen mindern
nicht den Wert des Buches, das mit seiner Besinnung auf
die Grundpositionen von keinem übersehen werden sollte, der
sich mit dieser Materie befaßt.

Pönitz bei Leipzig Christoph Michael Haufe

Beer, Theobald: Die Ausgangspositionen der lutherischen und der
katholischen Lehre von der Rechtfertigung (Catholica 21, 1967
S. 65—84).

Beinert, Wolfgang: Wahrheit — Dogma — Konfessionen. Ein Versuch
zur Ortsbestimmung unserer Verkündigung (Catholica 21, 1967
S. 28—46).

Breuning, Wilhelm: Offenheit und Selbstentäußerung der Kirche

als Heilsgeschichte (TThZ 76, 1967 S. 65—83).
Dupre, Wilhelm: Der Primat als dialogisches Prinzip (TThZ 76,

1967 S. 84—100).

Füssinger, Albert: Eschatologie und Verkündigung (ThGl 57,
1967 S. 187—197).

Girardi, Jules: Reflexionen über die religiöse Indifferenz (Concilium
3, 1967 S. 197—201).

Hödl, Ludwig: Die Kirche Gottes und der dialogische Personalismus

(Wissenschaft und Weisheit 30, 1967 S. 109—117).
Krusche, Werner: Die Gemeinde Jesu Christi in der Welt (PBI

107, 1967 S. 322—327).
Mo eil er, Charles: Zur Theologie des Unglaubens als Grundlage

für die Prinzipien des kirchlichen Heilswirkens (Concilium 3, 1967

S. 180—189).

Nastainczyk, Wolfgang: Anwesenheit vor dem abwesenden
Gott (TThZ 76, 1967 S. 101—110).

Rah n er, Karl: Die Forderung nach einer „Kurzformel" des christlichen
Glaubens (Concilium 3, 1967 S. 202—207).

— Zur Lehre des II. Vatikanischen Konzils über den Atheismus (Concilium
3, 1967 S. 171—180).

Schmidt, Ernst Walter: Gott im Gewissen (PBI 107, 1967 S.
327—338).

Wacker, Paulus G.: Aktuelle Fragen zur christlichen Eschatologie

(ThGl 57, 1967 S. 162—163).
Winklhofer, Alois: Zur Frage der Endentscheidung im Tode

(ThGl 57, 1967 S. 197-210).