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Ausgabe:

1967

Spalte:

448-450

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Koch, Ottfried

Titel/Untertitel:

Gegenwart oder Vergegenwärtigung Christi im Abendmahl? 1967

Rezensent:

Haufe, Christoph Michael

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 6

44H

den Tod des Menschen und darüber, was unmittelbar und endgültig
auf ihn folgt.

Der Tod zerstört die Einheit von Leib und Seele, die forma
corporis bleibt. Sie wird dann sofort einem „besonderen Gericht"
unterworfen (26 ff.), das über ihr Schicksal entscheidet: sogleich in die
ewige Seligkeit einzugehen und Gott zu schauen oder im Fegefeuer
gereinigt zu werden oder der Verdammnis zu verfallen. Entspricht das
besondere Gericht der Individualität, so fordert die Zugehörigkeit des
Einzelnen zur Menschheit das Weltgericht, das der wiederkommende
Christus am Jüngsten Tage vollzieht. Voraus geht die Auferstehung
des Leibes, d. h. die Vereinigung der Seele mit dem Körper (76), der
(in nicht befriedigend zu bestimmender Weise) mit dem Todesleib
„identisch" gedacht werden soll (84 ff.). Das allgemeine Gericht dehnt
das Urteil des ersten Gerichts auf die neugeschaffene Einheit des
Menschen aus; dadurch wird dieses Urteil erst eigentlich wirksam. Die
„auf die Auferstehung folgenden Zustände" (120 ff.) sind also die
definitiven: Himmel und Hölle, während das Purgatorium als Durchgangsstadium
keine Rolle mehr spielt.

Das skizzierte Bild ist offensichtlich aus Teilstücken zusammengefügt
, die nicht immer recht zueinander passen wollen.
Auferstehung und Jüngstes Gericht werden im Grunde nur eingeführt
, um die Erneuerung des Leibes als notwendig zu erklären
. Vollends beziehungslos bleiben Weltuntergang und Weltvollendung
(114 ff.). Stattdessen bemüht sich der Verf., die Verbundenheit
der „Armen Seelen" mit den „Gläubigen hier auf
Erden" und „den Engeln und Heiligen des Himmels" (61) vom
Charakter der Gemeinschaft der Heiligen, also vom Verständnis
der Kirche her zu rechtfertigen. Die Belege aus Schrift und
Tradition können kaum verbergen, daß die einzelnen Motive
nicht gleichwertig sind. Und die Einheitlichkeit des Bildes wird
nur erreicht, indem wichtige biblische Texte je nach Forderung
des Schemas buchstäblich oder symbolisch verstanden werden —
also um den Preis eines einheitlichen hermeneutischen Kriteriums.
Am wenigsten überzeugt die Auslegung von 2. Kor. 5, 6 ff. (als
Beweis für die Gottesschau unmittelbar nach dem Tode; 3 3);
2. Makk. 12, 39—45, Matth. 12, 32 und 1. Kor. 3, 11-15 (Fegfeuer
; 47 f.); 1. Kor. 15,41 f. (verschiedene Grade der Seligkeit
; 129). Religionsgeschichtliche Parallelen bekräftigen die Eindeutigkeit
der theologischen Aussage und werden nicht als
Probleme empfunden (z. B. 52, 75 n. 1, 116, 155 f.).

Brinktrine stellt eingangs fest, daß „im Protestantismus"
„die Eschatologie in vielen Punkten noch ziemlich ungeklärt ist"
(5). Das geht einmal auf die anthropologischen Prämissen (Unsterblichkeit
der Seele), an die er sich bereits in früherem Zusammenhang
gebunden hat (hierzu werden C. Stange, A. Schlatter
und P. Althaus kritisiert; 14). Zum anderen vermißt er die Fegfeuerlehre
und Heiligenverehrung; das sind (leider!) die einzigen
Punkte, in denen sich der frühe Protestantismus lehrmäßig abgesetzt
hat, ohne im übrigen der Eschatologie besonderes Interesse
zu schenken. Diese Schwäche soll nicht verschwiegen werden
. Aber desto mehr muß zu denken geben, daß der Locus
De Novissimis in der altprotestantischen Dogmatik — von den
genannten Motiven abgesehen — sich in seinen Grundzügen kaum
von Brinktrines Darstellung unterscheidet. Allerdings nimmt der
Verf. den eschatologischen Neuansatz der protestantischen Theologie
seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts nicht zur Kenntnis;
er würde es wohl erlauben, eine Gegenrechnung aufzustellen.
Nur wenige evangelische Autoren werden genannt (Kliefoth,
R. Seeberg, Barth, T. E. Torrance); bedauerlicherweise fehlen in
der Regel exakte Zitate (besonders fragwürdig das Referat
S. 157), so daß sich die Gründe für die Ablehnung kaum kontrollieren
lassen.

Für die „Lehre von der Kirche" muß der Verf. nur noch
den im engeren Sinne dogmatischen Aspekt (den Heilscharakter
der Kirche) berücksichtigen, nachdem die Kirche in apologetischer
Hinsicht (Kirche als Beweggrund zum Glauben) und in fundamentaltheologischer
Beziehung (Kirche als Kriterium der Erkenntnis
und des Glaubens) schon in früheren Teilbänden beschrieben
worden war.

Nach dem Willen Jesu ist die Kirche die societas perfecta schlechthin
. Aus dieser Grunddefinition lassen sich die weiteren Bestimmungen
ableiten (25): die Vollkommenheit verlangt Einheit, Katholizität und
Apostolizität (als Merkmale des Exklusiven und des räumlich wie zeitlich
Umfassenden); die Struktur dieser Gesellschaft fordert eine genaue

Regelung der Zugehörigkeit, m. a. W. die kirchliche Hierarchie. Sie ist
von der Sakramentsverwaltung (hierarchia ordinis) und von der Lehr-
und Hirtengewalt (hierarchia iurisdictionis) her verstanden, und zwar
so, daß aus der Taufe als dem grundlegenden Sakrament und seiner
Spendung die gesamte kirchliche Rangordnung entwickelt wird — bis
hin zum päpstlichen Primat. In einer Stufenfolge (43 ff., 54 ff.) weist
die Taufe, die auch ohne Priester gültig sein kann, auf die Firmung
hin, diese auf die Eucharistie, sie wiederum auf das Priestertum,
dieses schließlich auf die Ordination, die jurisdiktionell geordnet sein
muß. Die Spitze dieser Pyramide ist die „Autorität des Römischen
Papstes" (47). Aufs letzte gesehen wird nur durch sie das „Wesen der
Kirche" garantiert; alle anderen Bestimmungen betreffen zwar Eigentümlichkeiten
der Kirche, nicht aber ihr eigentliches Unterscheidungsmerkmal
(55 ff.).

Mit dieser in sich schlüssigen Konstruktion erreicht es der
Verf., daß eine denkbar breite Basis der Zugehörigkeit und der
(notfalls latenten) Zuordnung zur Kirche („subditus Ecclesiae";
42) anschaulich gemacht wird, ohne davon abzugehen, daß nur
die römisch-katholische Kirche als der mystische Leib Christi im
wirklichen Sinne angesprochen werden darf (21 ff.). Denn
„Wesenskonstitutiv" der Kirche ist ihre Sichtbarkeit (25), die
definitionsgemäß nur in der Einen Kirche zutage tritt, deren
Einheit wiederum allein durch die Einigkeit der Lehrverkündigung
gewährleistet sein kann (49). Und diese Einigkeit ist daran
gebunden, daß einer es ist, der die Offenbarung verbindlich auszusprechen
vermag: der Papst. Koordinierung und Unfehlbarkeit
würden einander ausschließen. Auch „die Ökumenizität eines
Konzils ist letztlich durch den Papst garantiert" (49).

Die Frage, ob di ese Auffassung der Kirche als repräsentative
katholische Lehrmeinung gelten kann, muß wohl auch nach dem
Vaticanum II noch offenbleiben. Kontroverstheologisch bleibt zu
bedenken, daß zumindest im 16. Jahrhundert auf evangelischer
Seite die Katholizität der Kirche nicht als eine Qualität empfunden
wurde, die durch jurisdiktioneile Akte zu entscheiden
war; solche Akte wurden vielmehr zum Anlaß, über das „Wesen
der Kirche" erneut nachzudenken und an der eigenen Katholizität
nachdrücklich festzuhalten. Brinktrine notiert indessen für
Luther lediglich eine extreme Spiritualisierung des Kirchenbegriffs
, wobei er sich auf W. Eiert und E. Kinder beruft (24).
Die inneren Spannungen von CA VII (24 n. 1) werden ebensowenig
akzeptiert wie Luthers Bemühen, die Verborgenheit der
Kirche und ihre phänomenologische Seite, die notae ecclesiae,
gleicherweise auszudrücken.

Göttingen Gerhard Sau le r

Koch, Ottfried: Gegenwart oder Vergegenwärtigung Christi im
Abendmahl? Zum Problem der Repraesentatio in der Theologie der
Gegenwart. München: Claudius Verlag [1965]. 149 S. gr. 8".
Kart. DM 14.50.

In diesem aus seiner Dissertation erwachsenen Buche zeichnet
K. die Repraesentatio-Theologie nach, wie sie auf röm.-
kath. Seite von O. Casel und G. Söhngen, auf evangelischer
Seite von P. Brunner bis Berneuchen entwickelt worden ist, und
sucht sie zusammen mit ihren Ausformungen in die neuesten
Agendenwerke nach lutherischem reformatorischem Maß zu beurteilen
. Dem entsprechen die drei Teile des Buches der Darstellung
des Problems der Repraesentatio, ihrer Beurteilung und
ihrer Konsequenzen für die lutherische Abendmahlsgestaltung.

In der röm.-kath. Mysterientheologie findet K. wohl evangelisch
anmutende Züge. G. Söhngen gilt u. a. als Beleg, wie die
auf den Menschen zielende applikative Bewegungsrichtung
der Messe als Strukturelement evangelischen Denkens innerhalb
des konkreatorischen Denkens der röm.-kath. Gnadenlehre
wirken kann (S. 5 6). Als Hauptvorwurf bleibt aber bestehen,
daß durch die Einbeziehung der Kirche als corpus Christi
mysticum in die Opferdarbringung „nicht mehr von der Darbringerschaft
Christi allein geredet werden kann" und so zumindest
ein additives Verhältnis zwischen Christus und der
Kirche besteht, und daß zum Opfer Christi das Selbstopfer der
Kirche ergänzend hinzukommt. Christus und die Kirche werden
als Subjekt des Opfers zusammengeschaut. „So ist die Teilhabe
am Meßopfer synergistische Mitbeteiligung am grundlegenden
Versöhnungsgeschehen" (S. 5 3). Die evangelische Tendenz der