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Ausgabe:

1967

Spalte:

433-434

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Koch, Günter

Titel/Untertitel:

Die Heilsverwirklichung bei Theodor von Mopsuestia 1967

Rezensent:

Schäferdiek, Knut

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433

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 6

434

zusammenfassend wiedergegeben. Zunächst werden die eindeutigen
Zitate zusammengestellt. Das ausführlichste findet sich
in der Vita Constantini des Ignatius von Selybria (leider zitiert
W. die griechischen hagiographischen Viten fast immer nur nach
ihren Nummern in Fr. Halkin, Bibliotheca Hagiographica Graeca
[= BHG] - ein Verfahren, das nicht gerade zu einer lebendigen
geschichtlichen Darstellung beiträgt). Diesem Zitat steht eine
fast wörtliche Parallele in der Vita Metrophanis et Alexandri
zur Seite; beim Textvergleich sind einige kleine Versehen in
der drucktechnischen Hervorhebung unterlaufen. Diese Vita
Metr. et AI. ist für die Rekonstruktion des gelasianischen Werkes
sehr wichtig und bedarf schon deshalb einer Neuedition
(vgl. dazu die oben genannten Arbeiten W.s). Sie ermöglicht es
auch, die Unzuverlässigkeit der Zitate aus Gelasius von Caesarea
bei Gelasius von Cyzicus, einer ebenfalls wichtigen Quelle für
die Rekonstruktion, zu erkennen. Ebenso wie sie geht auch
Sokrates (v. a. in der ersten Auflage seiner Kirchengeschichte)
auf Gelasius v. Caes. zurück. Bei der Untersuchung der Abhängigkeit
von verschiedenen Quellen kommt W. freilich gelegentlich
zu etwas komplizierten Ergebnissen; man vgl. etwa
S. 3 7 f., wo die Annahme doch näher liegt, daß Gelasius von
Cyzicus sich in einem ganzen Abschnitt an Gelasius v. Caes.
anschließt, als daß er ein kurzes Stück einschiebt, zu dem er die
Anregungen Sokrates entnimmt. Im ganzen stellt dieser Abschnitt
in sorgfältiger Weise die Quellen dar und kommt hinsichtlich
ihrer Zuverlässigkeit zu überzeugenden Ergebnissen. Soweit es
sich erkennen läßt, umfaßte die Kirchengeschichte des Gelasius
v. Caes. die Zeit des Consfantius Chlorus, Konstantins des Großen
und des arianischen Streits.

Abschließend untersucht W. die Frage nach dem Verhältnis
des gelasianischen Werks zu den Büchern X und XI von Rufins
Kirchengeschichte (III. S. 70—102). Hier übersetzt Rufin nicht
mehr Euseb, sondern behauptet, selbständig ältere Überlieferungen
mit eigener Kenntnis zusammengearbeitet zu haben. Die
dieser Behauptung entsprechende Angabe des Photius, nach der
Gelasius von Rufin abhängig ist, scheitert schon am Todesdatum
des Gelasius (vor 400; vgl. S. 71 f.). Im Anschluß an A. Glas
und in Auseinandersetzung vor allem mit E. Honigmann kommt
W. deshalb zu dem Ergebnis, daß Rufin von Gelasius abhängig
ist. Stilverglciche können für keine der beiden Lösungen ins
Feld geführt werden (S. 77—94); die Stellen bei Rufin, an denen
er von Informationen aus erster Hand spricht, machen eine Abhängigkeit
von Gelasius nicht unmöglich (S. 72—76). W.s Argument
gegen Honigmanns Lösung, nach der zwei Werkfassungen
— „Rufin-Gelase" und „Rufin grec" — nebeneinanderstehen (was
W. für unnötig kompliziert erklärt), ist nun allerdings nicht besonders
einleuchtend; denn seine Lösung ist ähnlich kompliziert.
Jedoch vermag W. alle Schwierigkeiten mit seiner Lösung zu erklären
: nach ihr ist Rufin im X. Buch von Gelasius abhängig,
während er das XL selbständig verfaßt hat. Ein Späterer, der
die Parallelität von Gelasius und Rufin X erkannte und eine das
ganze 4. Jahrhundert umfassende Kirchengetchichte zusammenstellen
wollte, fügte dann an Gelasius eine Übersetzung von
Rufin XL 4 ff. an, so daß zwei Werke nebeneinander umliefen:
Gelasius und Gelasius + Rufin XL 4 ff.

Es liegt hier eine sorgfältige und weiterführende Untersuchung
zu Gelasius vor. Es ist zu hoffen, daß ihr die Rekonstruktion
(zusammen mit der Edition der Vita Metrophanis
et Alexandri) wie auch die Edition der Vita Constantini bald
folgen werden.

Reutlingen-Betzingen Wolfgang Huber

Koch, Günter: Die Heilsverwirklichung bei Theodor von Mopsue-
stia. München: Hueber 1965. XII, 242 S. gr. 8° = Münchener
Theologische Studien, II. Systematische Abt., 31. Band. DM 22.—.

Sicherlich eines der bewegtesten Kapitel in der pätristischen
und dogmengeschichtlichen Arbeit der letzten drei Jahrzehnte
wird durch den Namen Theodor von Mopsuestia gekennzeichnet.
Dazu hat vor allem beigetragen, daß seit den dreißiger Jahren
ein ebenso umfangreicher wie wesentlicher Teil seiner literarischen
Hinterlassenschaft wiedergewonnen werden konnte. Wie
entsprechend der Rolle, die Person und Werk Theodors in den

christologischen Kämpfen des fünften und sechsten Jahrhunderts
gespielt haben, zu erwarten war, hat sich das Interesse in besonderem
Maße seiner Christologie zugewandt, und die Diskussion
um ihre Deutung und dogmengeschichtliche Bedeutung
zeigt, wie sehr dabei die Vorstellungen ins Fließen gekommen
sind. Daß jedoch trotz der beherrschenden Stellung, die die
Auseinandersetzung mit den Problemen der Zwei-Naturen-Lehre
in Theodors theologischer Arbeit einnimmt, die Konzentration
auf seine Christologie allein nicht hinreicht, das volle Profil
seiner eigenen theologischen Individualität hervortreten zu
lassen, macht die als Würzburger theologische Dissertation entstandene
Monographie von K. deutlich. Sie sucht Theodor als
Theologen unter dem umfassenderen Blickpunkt seiner Soterio-
logie zu erschließen und ihn von daher verstehen zu lehren.

K. geht davon aus, daß das christliche Heil sich „in einem
Gefüge von Verbindung und Einung" von Menschheit und
Einzclmenschen mit Gott verwirkliche. Wie weit diese Voraussetzung
an sich vertretbar ist — Rechtfertigung und Versöhnung
ist etwas anderes als Einung und Verbindung —, steht hier nicht
zur Debatte. Als Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung
mit einem griechischen Theologen der Wende vom vierten zum
fünften Jahrhundert ist sie sicherlich sachlich berechtigt, und als
solche bewährt sie sich auch im Vollzug der Untersuchung K.s.
Die für Theodor zentralen Begriffe der christologischen Einung
in der Einwohnung des Logos im angenommenen Menschen und
der avvä<peia der zu Erlösenden und Erlösten als Gliedern der
Kirche mit Christus, hier wie dort unter der Wirkung der Gnade
des Geistes als dem Effizienz der Einung gesehen, finden so ihr
gemeinsames Bezugssystem. K.s eigentliche Absicht und Leistung
besteht darin, das zweite Moment dieses Zusammenhangs
, Theodors Vorstellung von der Kirche, in und an der er
sich die Verwirklichung des Heils in dem von ihm sehr intensiv
empfundenen eschatologischen Spannungsfeld seiner Gegenwärtigkeit
und Zukünftigkeit vollziehen sieht, als wesentliches und
wirksames Element im theologischen Denken des Antiocheners
herausgearbeitet und im soteriologischen Bezugssystem neben
seine Christologie gestellt zu haben, während er sich für diese
auf eine Auswertung der seit der Entdeckung der katechetischen
Reden geführten Diskussion beschränkt hat. K. hat damit auf
jeden Fall einen positiven Beitrag zum Bilde des so umstrittenen
antiochenischen Theologen geliefert, aber seine Arbeit ist
dabei sachlich unversehens auch über den Rahmen der beabsichtigten
Spezialuntersuchung hinausgewachsen und zu einer lesenswerten
Einführung in die theologische Denkwelt Theodors
überhaupt geworden. Dabei hat er Theodors Konzeption nicht
einfach in der Distanz historischer Analyse belassen, sondern ist
immer wieder in einer unmittelbaren Weise, wie sie vielleicht
nur auf dem Boden des katholischen Traditionsbegriffes möglich
ist, von seiner eigenen Position aus in die Auseinandersetzung
mit ihr eingetreten, was allerdings zuweilen dazu geführt
hat, daß Kategorien für die Darstellung der Denkweise Theodors
erst an dieser Auseinandersetzung gewonnen worden sind
(so etwa Begriffe aus der scholastischen Gnadenlehre), die historisch
unangemessen erscheinen.

In einem Kapitel, das K. der Auffassung Theodors von der
Erlösungsbedürftigkeit der Schöpfung widmet (S. 58ff.)> kommt
notwendig auch das Problem des Nebeneinanders der beiden
Vorstellungskomplexe, die sich dazu bei Theodor finden, zur
Sprache: einerseits das Theologoumenon von Fall und Ursün-
denfolge und andererseits die Katastasenlehre, die Vorstellung
von zwei aufeinanderfolgenden Verfassungszuständen der Schöpfung
, auf die hin Gott sie von Anfang an angelegt habe. K. betrachtet
beide Komplexe als unvereinbar nebeneinanderstehende
, je unter anderem Aspekt gewonnene Gedankenreihen (S.
7lf.). Es wäre jedoch zu fragen, ob diese Annahme berechtigt
und notwendig ist. Möglicherweise ergibt sich die Katastasenlehre
für Theodor als Durchdenkung und systematisch-theologische
Verarbeitung der biblisch-traditionellen Vorstellung, die
Schöpfung, Fall und Erlösung in eine Gesamtschau göttlichen
Handelns zu bringen sucht.

SLegburg Knut Schüfer cl i r k