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Ausgabe:

1967

Spalte:

429-430

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lotz, Johannes Baptist

Titel/Untertitel:

Einübung ins Meditieren am Neuen Testament 1967

Rezensent:

Melzer, Friso

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 6

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Die Untersuchungen, die diese beiden Thesen erhärten, sind
sorgsam geführt und durch reiche, oft überreiche Bezeugungen
gestützt, die durchweg dem Lehrgedicht des Lucrez und dem
Referat des Velleius bei Cicero, nat. deor. I, entnommen sind.
Die Übereinstimmung dieser Zeugnisse erscheint als so triftig,
daß kein Zweifel darein gesetzt werden kann: Epikureer cicero-
nischer Zeit vertraten in der Tat eine solche Theorie von der
nicht-sinnlichen Erkenntnis der Götter, die allein den Menschen
vo-.behallen ist.

K. verzichtet darauf, dies Ergebnis in einen historischen
Rahmen zu stellen, d. h. zu fragen, ob Epikur selbst eine solche
These explicite vertreten hat. Das ist eine verständliche Beschränkung
. Einerseits hat Epikur die Erkenntnis der Götter als
IraQyifö = evident bezeichnet; andererseits ist die ungemeine
Festigkeit epikureischer Traditionen bekannt, so daß Rückschlüsse
von der Lehre jüngerer Epikureer auf die des Schulgründcrs
meist berechtigt sind.

Blickt man freilich auf die recht detailliert dargelegte Begründung
der yvatOK decöv, so bedauert man den Verzicht K.s,
»diese Lehre in ein Verhältnis zu anderen Schulen . . . einzuordnen
" (10): Da ist die These von der Sonderstellung des Menschen
unter den £Vjja — der Mensch allein hat das Organ der
Gotterkenntnis. Ja, im heranwachsenden Menschen muß sich dies
Organ erst festigen; das Kleinkind nimmt die Götterbilder nicht
wahr, obwohl diese ihm ebenso gegenwärtig sind, wie dem Erwachsenen
. Das sind Einzelheiten, die wie ein Widerhall und
wie Weiterbildungen stoischer Vorstellungen wirken — Vorstellungen
, zu denen Stellung zu nehmen die Schule Epikurs in jüngerer
Zeit genötigt war. Durchaus bemerkenswert ist die intellektuelle
Brillanz der Begriffsfindung in einem Bereich, der eigentlich
der Aussage entzogen sein müßte. Vieles scheint auf
einen klugen Kopf unter den jüngeren Epikureern hinzuweisen.
Ob man nicht getrost den Namen des Philodemos von Gadara
nennen sollte?

Münstcr/Westf. Heinrich Dörrie

Lötz, Johannes B., S. J.: Einübung ins Meditieren am Neuen Testament
. Frankfurt M.: Knecht [1965]. 288 S., 8 Taf. 8°. Lw. DM 16.80.

Mit dem vorliegenden Bande führt Prof. Lötz die Arbeit
weiter, die er mit seinem Buche „Meditation im Alltag" begonnen
hatte (vgl. unsere Rezension der 2. Auflage in ThLZ
1959, Nr. 10, Sp. 742). Er hat das neue Buch in zwei Teile gegliedert
: L Hinführung zu den Übungen (17—151); II. Die
Übungen selbst (153—282). Dazu treten noch 32 Anm. (283—
287). In einer Tasche findet der Benutzer 8 Bilder beigegeben
im Maßstab 11 zu 8 cm. welche die Übungen hilfreich unterstützen
. Lötz bezeichnet das erstgenannte Buch von 1959 (jetzt
schon in 3. Aufig., 1963) als „unentbehrlich" auch für den, der
„in den nunmehr gebotenen neuen Band wahrhaft eindringen
will", denn es gibt die für seine Auffassung „grundlegende
Darstellung" (13).

Der Fortschritt von jenem Buch zu diesem neuen verdankt
Lötz Meditationstagen auf der Insel Reichenau. Leider verfährt
er nicht wie Rezensent, der in seiner „Anleitung zur Meditation
" (1959") zahlreiche Zeugnisse der Teilnehmer solcher Meditationskurse
mit Eigen-Übungen veröffentlicht hat: diese zeigen
dem Benutzer, wie es gehen kann, wie Übungen gelingen,
wie und warum sie aber auch stecken bleiben können. Durch
solche Beispiele wird der Übende ermutigt, denn er sieht, anderen
ist es ähnlich ergangen. Wird ihm dagegen nur Gelungenes
vorgesetzt (oder nur Besinnungen über Übungen, die der Lehrer
anstellt), dann kann er leicht entmutigt werden.

Was Lötz im zweiten Teil bietet, sind nach der Ausdrucksweise
des Rezensenten nur „Besinnungen", also Vorbereitungen zu Meditationsübungen
. Lötz gliedert sie in Wortmeditationen (Vater-Unser,
Anima Christi), Bild- und Symbolmeditationen (das Meditationsbild
des hl. Nikiaus von Flüe, das Kreuz), Meditation der Begegnung (die
Wandlung des Petrus, der Magdalena usw.).

Lötz versichert dem Leser: das hier Gebotene „ist nicht
in erster Linie für die Nachahmung bestimmt", die Darlegungen
seien vielmehr als „Vorbilder und Anregungen" zu verstehen
(15 5). Dennoch ist zu befürchten, dadurch werde die innere
Freiheit des Übenden eingeengt, werde eine eigene freie Übung
fast unmöglich gemacht.

Wie immer einer auch zu den Übungen des zweiten Teils
stehen mag, wichtig ist für jeden mit Meditation Befaßten der
erste Teil.

Lötz geht von der Grundeinsicht aus, „Meditation sei
nichts anderes als der ausdrückliche Vollzug und die volle Entfaltung
dessen, was der Mensch zuinnerst ist" (22). Dabei grenzt
er sich deutlich gegen die östlich-asiatischen Wege ab: „Christliche
Meditation ist wesentlich ein personales Geschehen oder
tritt in den Raum des personalen Dialogs ein" (25). Anregend
und erleuchtend sind seine „vier Gegensatzpaare" (30—3 3):
Verwurzeln des Vielen in dem Einen — Rückbinden des Komplizierten
in das Einfache — Vordringen vom Abgeleiteten zum
Ursprünglichen — Eingehen von der Armut in den Reichtum.
Er nimmt Augustins Wort von der „Rückkehr zum Herzen" auf
(35) und bezeichnet Meditation mit einem Rilkewort als „Herz-
Werk" (39).

Lötz kennt auch (zumal seit Ph. Dessauers „Naturaler Meditation
") vor-religiöse Meditation (vgl. Kap. 15); wichtiger ist
ihm jedoch die religiöse Meditation. In ihr geschehe „die personale
Einigung des personalen Menschen mit dem personalen
Gott" (45). „Die Meditation ist nichts anderes als die dem
Wort des göttlichen Partners entsprechende Ant-wort des
menschlichen Partners, eine Ant-wort, in der der Mensch sich
selbst gewinnt, indem er sich in Gott hinein verliert, in der er
im Andern als dem Nicht-andern er selbst wird" (50). Hier
fällt auch die Wendung von der „Ver-gött-lichung des Menschen
" (50). Lotzens Aussagen erscheinen uns als zu seinshaft,
scheinen nicht ernsthaft genug den Abfall von Gott zu bedenken
(spricht Lötz doch davon, daß der Mensch im „Scelengrund
immer schon mit dem Seinsgrund oder dem absoluten Sein geeint
ist", 45).

Doch bleiben wir bei den Unterscheidungen, welche die
Meditation des näheren betreffen. Lötz unterscheidet vorrationales
, rationales und überrationales Verhalten (Kap. 8, S.
52—58) und richtet sich vor allem auf die christliche Meditation
, die er als „eine Entfaltung des Glaubens" versteht, „in die
aber all das eingeht, was früher als zum menschlichen Meditieren
gehörig umschrieben wurde" (61). Wir stimmen ihm bei:
„die Meditation entfaltet sich zwischen der vorwiegend rationalen
Betrachtung und der mystischen Kontemplation" (64), nur
können wir nicht „Betrachtung" sagen, denn diese ist — nach
der Besinnung — die andere Vorstufe zur Inncrung (bei der wir
vier Stufen unterscheiden). Die 5. und 6. Stufe der Innerung
wäre etwa mit der Kontemplation gleichzusetzen. Es ist schade,
daß Lötz sich nicht die Mühe macht, seine Erfahrungen und Linterscheidungen
mit denen zu vergleichen, die Rezensent begrifflich
abgrenzend seit langem vorgelegt hat. Durch solches Vergleichen
kämen wir besser miteinander ins Gespräch. Das 20.
Kap. endlich bringt „Winke für den Vollzug der Meditation"
(141—151), dabei erneut betonend: „Die religiöse Meditation
aber ist ihrem innersten Wesen nach stets Dialog mit Gott und
daher auch Gebet" (150).

So anregend das ganze Buch auch auf den Leser wirkt, zum
Schluß wird er heftig erschreckt: In Anm. 32 nennt Lötz als „eine
wertvolle Ergänzung zu den hier gebotenen Darlegungen" das Buch
von Dr. med. G. Volk „Entspannung — Sammlung — Meditation"
(1963). Hier muß Rezensent erneut seinen Einspruch anmelden (vgl.
dazu seine Rezension in „Wege zum Menschen" XVI 11,442 =
Nov. 1964): Volk unterscheidet nicht zwischen Meditation und bloßer
Assoziation (was er S. 74 f. etwa über das Ei darbietet, ist Stoffsammlung
zu einem Schulaufsatz, hat mit Meditation nichts zu tun).
Und schließlich sind seine Anweisungen auf der vierten Seite seiner
zweiten Schallplatte einfach unmöglich: mit jedem Atemzug ein-zwei
neue Begriffe zu bedenken, das ist unmöglich, ist falsch. Damit sei
das Richtige, was das Buch auch enthält, nicht geleugnet, nur — ohne
Kritik kann es nicht empfohlen werden. Wir stehen noch immer am
Anfang des Meditierens und müssen behutsam vorgehen, können
dabei nicht ehrlich und kritisch genug sein!

Gcislingcn/.Steige Friso M elzer