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Ausgabe:

1967

Spalte:

428-429

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kleve, Knut

Titel/Untertitel:

Gnosis Theon 1967

Rezensent:

Dörrie, Heinrich

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427

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 6

428

Gau gl er, Ernst: Der Epheserbrief. Zürich: EVZ-Verlag [1966].
VIII, 292 S. 8" = Auslegung neutestamentlicher Schriften von
E. Gaugier. Aus dem Nachlaß hrsg. v. M. Geiger und K. Stalder, 6,
Lw. DM 23.80.

Die Auslegung des Epheserbriefes schrieb der verstorbene
Professor Gaugier für die Vorlesung. In der vorliegenden Fassung
ist sie um die Behandlung der Einleitungsfragen aus einem
anderen Manuskript bereichert und als Anhang sind das Referat
„Heilsplan und Heilsverwirklichung nach Epheser 1,3 — 2,10",
das Gaugier im Jahre 1930 auf der ost-westlichen Theologenkonferenz
in Bern hielt, und eine Predigt über Eph. 5,14 veröffentlicht
.

Ähnlich wie die im Jahre 1964 herausgegebene Auslegung
der Johannesbriefe ist die Auslegung des Epheserbriefes ein
biblisch-theologischer Kommentar im vollen Sinne dieses Wortes
. Der Verfasser setzt sich zwar an einzelnen Stellen auch
mit dem religionsgeschichtlichen Material auseinander, aber
vor allem bietet er eine ausgearbeitete Analyse der inneren
Struktur einzelner Abschnitte und eine Auslegung wichtiger
theologischer Begriffe (z. B. änoXvrQawis, ihtlg, xecpaXrj, alon')
aus dem gesamtbiblischen Kontext. Die paulinische Verfasserschaft
hält er für suspekt, aber doch für wahrscheinlich (S. 13).
In dem Kommentar wird die ausgedehnte Kenntnis der Auslegungsgeschichte
und der modernen Diskussion zur Geltung gebracht
. Sowohl zu dem Werk von E. Percy als auch zu den religionsgeschichtlichen
Arbeiten von M. Dibelius, E. Käsemann
und H. Schlier bezieht Gaugier einen differenzierten Standpunkt
, auch wenn er von den letzteren viele Einzelergebnisse
übernimmt, besonders was die gnostische Terminologie betrifft.

Die Bedeutung des Kommentars beruht vor allem in der
näheren Auslegung des ekklesiologischen Anliegens des Briefes.
Der Grundgedanke sei der, daß „die Universalkirche aus Juden
und Heiden durch den Tod des Christus zusammengefügt, unter
ihm als dem Haupt einen einheitlichen Leib bildet" (S. 7). Weiter
, in der Auslegung von Eph. 1,23 und bes. in dem Referat
über den Heilsplan, hebt der Verfasser den instrumentalen Charakter
der Kirche hervor. Die Existenz der Kirche ist kein
Selbstzweck (S. 245). Die Kirche ist der Leib und die Fülle des
Erhöhten, der jedoch gleichzeitig alles in allem erfüllt (1,23) und
einmal zusammenfassen soll (1,10).

Den zweiten Vorteil des Kommentars stellen die Ausführungen
über diejenigen Probleme dar, die nicht nur für den
Epheserbrief bezeichnend sind. Es sind vor allem die Gedanken
über die paulinische Rechtfertigungslehre und besonders über
das Verhältnis von Rechtfertigung und Vergebung.

Die biblisch-theologischen Kommentare (im technischen Sinne
dieses Wortes) haben jedoch auch ihre Nachteile. Gaugier
befragt die Aussagen des Epheserbriefes zwar auf ihren Zusammenhang
innerhalb des Briefes und der Bibel, aber weniger auf
ihre Funktion innerhalb der geschichtlichen Lage der Kirche
und auf ihren historischen und religionsgeschichtlichen Kontext.
Die Frage nach dem Anlaß der Verfassung, die für die Exegese
sehr wichtig ist, wird nicht behandelt. Die Ausführungen wirken
deshalb manchmal ein wenig allgemein.

Den vieldeutigen Begriff der Heilsgeschichte benutzt Gaugier
sehr oft, auch wenn er, besonders in dem Referat über den
Heilsplan, sowohl die dualistische als auch die gegenständliche
Deutung dieses Begriffes vermeidet. Besonders wichtig ist seine
Bemerkung über das Verhältnis zwischen der Heilsgeschichte
und der Weltgeschichte (S. 23 5).

Die kritischen Bemerkungen, die mehr die ganze Gattung
der biblisch-theologischen Kommentare betreffen, sollen die Bedeutung
des vorliegenden Bandes nicht überschatten, der besonders
glücklich den Kommentar von H. Schlier ergänzt. Es ist nur
zu bedauern, daß Gaugier den Kommentar von Schlier nicht von
Anfang seiner Arbeit an verfolgen konnte. Erst von Kap. 4,17
wird der damals offensichtlich eben erschienene Kommentar von
Schlier durchlaufend zitiert und bearbeitet.

Prag Pe1r P o k o r n y

Kleve, Knut: Gnosis Theon. Die Lehre von der natürlichen Gotteserkenntnis
in der epikureischen Theologie. Ausgangspunkt der
Studie: Cicero, De natura deorum I. Oslo: Universitetsforlaget
1963. 142 S. gr. 8° = Symbolae Osloenses Fase. Supplet. XIX.

Der Verf., zuvor schon durch mehrere, Detailfragen berührende
Aufsätze als tüchtiger Kenner Epikurs ausgewiesen, legt
hier eine größere synthetische Arbeit vor; nach des Verf. Absicht
(7) ist sie „die erste in einer Reihe von Abhandlungen
über die epikureische Theologie". Mit vollem methodischem
Recht stellt er sich (10) die Aufgabe, „zu einer Klarheit darüber
zu kommen, was dieEpikureer über die Gotteserkenntnis gelehrt
haben"; dabei aber, in negativer Abgrenzung, versagt er
es sich (ebda), „diese Lehre in ein Verhältnis zu anderen Schulen
oder Strömungen einzuordnen". Für einen diesen Forschungen
fern stehenden Leser hätte nun wohl ein Wort eingefügt
werden müssen, daß damit das vom Verf. oft verwendete Wort
„Theologie" ausschließlich im Sinne Epikurs und seiner Schule
verstanden wird. Darum muß ein jedes .Vorverständnis' von
Theologie, das aus anderem Bereiche — also etwa dem christlichen
— gewonnen wurde, in dieser Forschung beiseite bleiben.
Diese Vorbedingung hält der Verf. folgerichtig inne.

Überhaupt ist seine Arbeit durch Folgerichtigkeit und
durch Gründlichkeit ausgezeichnet. Er gewinnt das notwendige
Verständnis von der Gotteserkenntnis der Epikureer aus erschöpfender
Interpretation solcher Texte, deren Verfasser sich
als Schüler Epikurs bekennen. Mit dieser Beschränkung entgeht
K. der Gefahr, von den Strudeln der epikur-feindlichen Polemik
erfaßt zu werden. In den Kontroversen moderner Forschung, soweit
sie sein Thema betreffen, bezieht K. nach sorgsamem Abwägen
bisher vorgetragener Argumente meist mit großer
Behutsamkeit Stellung. Seine Forschung geht von Cicero's erstem
Buche de natura deorum aus, in dem eine sehr exakte
Ausarbeitung über die Lehren der Epikureer über die Götter
vorliegt; in allem wesentlichen wird — unter Zuziehung einschlägiger
Fragmente — eine Interpretation von Cicero, nat.
deor. I gegeben.

Es verdient volle Anerkennung, daß sich K. den oft diskutierten
Schwierigkeiten dieses Textes stellt und daß er zu eindeutigen
Entscheidungen hinstrebt. Dabei fehlt keineswegs die
Einsicht, daß Alternativen, von modernen Theoretikern herausgearbeitet
, im Denken der Epikureer nicht notwendig unvereinbar
waren (so gut 31). Indes ist K. der Gefahr, überscharfe Abgrenzungen
zu treffen, nicht völlig entgangen (3 5ff.)- Gerade
an der für K.s Thema entscheidenden Stelle nat. deor. I 49 verzichtet
Velleius'Cicero auf letzte Präzision der Darstellung
Iretus intelligentia vestra dissero brevius quam causa de-
siderat. Lind es muß gefragt werden, ob authentische epikureische
Lehre auf alle modernen Kontroverspunkte eindeutige Antwort
gegeben hätte. Vermutlich war der intelligentia einzelner
Hörer und Leser ein wohl bemessener Spielraum gelassen,
sofern nur ausgeschlossen war, daß schädliche Irrtümer Platz
griffen.

Der eigentliche Fortschritt, den die Forschung dieser Arbeit
verdankt, besteht in folgender Feststellung, die (soviel ich
sehe) bisher nicht formuliert wurde: Die Erkenntnis der Götter
wird nicht durch die Sinnesorgane vermittelt. Wohl kann
auch diese Erkenntnis nur dadurch bewirkt werden, daß sich Bilder
von den Göttern ablösen; indes sind diese Bilder so klein
(K. 4 2), daß sie ohne anzustoßen durch alle Poren in den Körper
strömen. Darum sind Götter nicht sinnlich wahrnehmbar,
sondern sie gehören zu den votftd. Daß der Mensch sich ein
vorläufiges Verständnis von ihnen bildet — rroo/.nyii — ist
nur möglich, wenn er ein besonderes Organ (in der Nähe des
Herzens oder im Herzen) dafür hat, das durch solche nicht-sinnlichen
Bilder „angestoßen" zur Reaktion gebracht wird. Den
Tieren wird ein solches Organ abgesprochen (K. 32). Den beiden
hauptsächlichen Thesen, über die hier referiert wurde: a)
Von den Göttern lösen sich Bilder ab, die auf das Zentrum der
Seele wirken; b) die Gottesvorstellung (K.: Begriff!), die sich
die Seele bildet, — sind die beiden Hauptkapi'ccl der Arbeit gewidmet
(IV und V).