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Ausgabe:

1967

Spalte:

401-414

Autor/Hrsg.:

Ott, Heinrich

Titel/Untertitel:

Glaube und Vernunft 1967

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©ijeologtfdje itteraturjettung

i^onat0fd)nft für Da* gefamte ©ebtet ber Cijeolooje und ^eltgton^öjiffenfdjaft

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
HERAUSGEBER: PROFESSOR D.ERNST SOMMERLATH, LEIPZIG

NUMMER 6 92. JAHRGANG JUNI 1967

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Glaube und Vernimf* Koch G. ■ Die Heilsverwirklichung bei Börse, U.: Der Kolosserbrieftcxt des

Von 5! Ott ',1)1 Theodor von Mopsuestia (K. Schäferdiek) 433 Pelogius ................. 455

Koch, O.: Gegenwart oder Vergegen- Gynz-Rckowski, G. v.: Der Marien-

wiirtigung Christi im Abendmahl? (.Ch.-M. tcppich im Dom zu Hnlberstadt..... 457

Beckmann, J. [Hrsg.], mit P. W. Bühl- Haufe ....................a . .

mann u. J. Spcckcr: Die Heilige Schrift in Krötke W • Das Problem „Gesetz und Je""' R-: Tlle 1 au,lnc Anthropologie«!

den katholischen Missionen (A. Lehmann) 451 Evangelium" bei W. Eiert und P. Alt- _ lerms ...................ob

(Berkouwer, G. C.:] Ex Auditu haus (W. Andersen) .......... **B Kandier, K.-H.: Die Abendmahlslehre

_<'rl,i. Festschrift f. G. C. Berkouwer z. Krügel, S.: Hundert Jahre Graul-Inter- Kardinal Humberts und ihre Bedoutung

-•'jähr. Professur (C. Augustijn) .... 413 pretation' (W. Günther) ......... 442 für das gegenwärtige Abendmahlsgespräch 460

Best, E. E.: Christian Faith ond Cultural Lötz, J. B.: Einübung ins Meditieren Polster, M.: Die geschichtliche Entwick-

i.risis The Japanese Case. (G. Bosen- am Ncuen Testament (F. Melzer) .... 4-J Jung dcr warUembergisclien Rettungshaus-

Marcus, W.l Der Suboidinnlianismus pädagogik in ihrer Bedeutung für die

Borgen, P. j Bread from Hcaven {G. 1 Adam) ............... ^ evangelisclie Heimerziehung heute . . . 462

Delling) .................. North, Ch. R.: The Second Isaiah (K.-Il. Preuß, II. D.: Jahveglaube und Zukunfts-

»rinktrine, J.: Die Lehre von den Bernhardt) ................ 419 erwartung ................ 463

Letzten Dingen — Die Lehre von der Kirche F„„ncitin,. tat Iba Hook

(G. Sauter)................ 446 R u s t , E. A : An Exposition on the Book S c h e n k , W.: Der Segen im Neuen Testa-

t> - . , . ... of Esther (II. Bardlke)......... iu mPnt 464

Buhlmann, W.. s. Beckmann. J. . . «1 g c h a r „ e r t , j .: Die Propheten Israels men'

•-lasen, S.: Franziskus — Engel des bis ■jqq v q^t (y. Herrmann)..... 420 SeebaB, G.: Das reformatorischc Werk

sechsten Siegels [H. Grundmann) .... 435 ... u r> v,i m a f.tl ,lps Andreas Osiander.......... 465

n , , ° . ... Simojoki, M., s. Dahl, N. A..... «Jl

V i ■ -,A- D'etzfelbinger, II Simojoki. S neck er J s Beckmann J..... 451 W I 1 k e n h o r s t , K.-IL: Der Sinai im

U Stefanie E. A. u. M. Hang: Kurze Specker, J., s. Beckmann, j. liturgischen Verständnis der deuterono-

Auslegung des Epheserbriefes (E. Stange) 431 Steimlc, E., s. Dahl, N. A...... 431 mjstischcn un<1 prtesterlieben Tradition . 466

D a m e r a u . R.: Die Abendmahlslehre des w i d e n g r e n , G.: Die Religionen Irans

^'ominalismus. insbesondere die des Gabriel (H. Humbach) .............. 417

Biel (E.-w. Kohls)........... 437 w i n k e l m a n n , F.: Untersuchungen 'zur Von den Theologischen Fakultäten . . . 467

uietzfelbinger, H., s. Dahl. N. A. 431 Kirchengeschichte des Gelasios von Kaisa-

Farmer. V. R.: The Synoptic Problem reia (W. Huber) ............ 431

r W' ^''""iihals)............ . 434 Berichte und Mitteilungen:

koY- E': Dor EPheserbnct (P Po" ,„ Referate über theologische Dissertationen _ . . _ , _ .

korny) .................. 427 . » Preisausschreiben J967 der Tevlers God-

Ceyer, H.-G.: Von der Geburt des wah- ln Maschinenschrift: geleerd Gcnootschap zu Ilaarlem .... 473

ren Menschen {A. Sperl)......... «0 „ . , . , , . , .

u *^ ' B o n t e n g , O. A.: An Insight into the

»aug, M.. s. Dahl. N. A........ 431 Africnn Musical Culturc through Ghana „.. .

Kleve, K.: Gnosis Thecn. I. (H. Dörrie) 428 Gates................... 455 Neue Bucher................ 473

Glaube und Vernunft

Von Heinrich Ott, Basel

I

Im Jahre 1794 erreichte es die radikale Gruppe im französischen
Revolutionskonvent, daß das Christentum offiziell abgeschafft
und statt des Gottes der Christen die Göttin „Vernunft
" in den Kirchen von Paris verehrt wurde. Diese Sache
hatte nur kurze Beine und wird wohl zu allen Zeiten kurze
Beine haben. Denn die Gottheit „Vernunft" gibt es nicht. Nirgends
gibt es die Vernunft an sich und als solche, die Vernunft
als Einheit und als hypostasierte Macht, als Eigenbereich, abgegrenzt
gegen andere.

Was es gibt, sind vernehmende Menschen, d. h.
Menschen, die denken und miteinander reden, und zwar je von
einem spezifischen Thema, Menschen, die in dieser geistigen
Auseinandersetzung des Nehmens und Gebens eine eigentümliche
Gemeinschaft erfahren und entwickeln, so also, daß das Vernehmen
nicht nur Sache isolierter Einzelner ist, sondern jeweils
eine gemeinschaftliche Erfahrung — doch immer eine
Erfahrung von Menschen, niemals etwas, das als selbständige
Macht oder Prinzip vor dem Menschen wirklich und wirksam
wäre.

Vernunft ist wirklich und greifbar nur
als die faktisch vernehmende Vernunft, als
ein Akt des menschlichen Denkens, nicht aber als „Möglichkeit
". Der Mensch ist nicht das zum Denken befähigte
Wesen, sondern er ist das Wesen, das faktisch denkt.

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Der zum Denken „befähigte" Mensch ist kein Phänomen, das
wir antreffen und an dem wir einen Anhalt hätten, um das Wesen
des Denkens, der Vernunft, zu studieren. (Denn unsere Erörterungen
und Analysen müssen ja doch stets einen phänomenalen
Anhalt haben: wir müssen immer genau wissen, wovon
wir reden. Das müssen wir uns gerade in der Theologie besonders
merken. Sonst entfernt sich unser Denken von der Wirklichkeit
und wird gänzlich leer. Auch wenn wir über Glauben
und Vernunft nachdenken, müssen wir uns an die Phänomene
halten. Nicht irgendeinem überlieferten Denkschema dürfen wir
uns überlassen, sondern in jedem Punkte haben wir uns genau
zu überlegen, ob unseren Gedankengängen, Begriffen, Argumenten
auch ein wirkliches Phänomen entspricht.)

Halten wir uns also ans Phänomen: wo treffen wir die „Vernunft
"? - Wir treffen sie nicht als eine Fähigkeit des Menschen.
Als das denk-fähige Wesen ist allenfalls der Säugling zu bezeichnen
, weil er seine „Fähigkeit" noch nicht entwickelt hat, weil aber
zu erwarten ist, daß er eines Tages denken wird. Aber wir werden
das Wesen der Vernunft wohl schwerlich am Säugling studieren
wollen. - Was wir als das Phänomen Vernunft antreffen, ist z. B.
das Vernehmen und Verstehen der Schüler, die dem Lehrer zuhören
. Sie verstehen, was er ihnen sagt, stellen Fragen, lernen
Aufgaben lösen usw. Ich begegne dem Phänomen Vernunft,
wenn ich ein Buch lese, wenn mir aufgeht, was der Verfasser
sagen will und eventuell: wenn mir aufgeht, daß es sich wirklich
so verhält, wie er sagt. Ich begegne dem Phänomen Ver-

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