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1967

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Systematische Theologie

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381

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 5

382

Textvarianten in den verschiedenen Ausgaben finden, was
durchaus möglich wäre.

Der Verf. ist ein bekannter katholischer Theologe und Soziologe
, der gleich zu Beginn seiner Einleitung schreibt: „Die
Religionssoziologie ist eine jener neuen Wissenschaften, die Zukunft
haben." Und weiter: „Das vorliegende Werk will der
Weiterentwicklung der religionssoziologischen Wissenschaft und
Forschung dienen, indem es die Einzelerkenntnisse in den großen
Rahmen der Sozialtheologie stellt und die Fruchtbarkeit
dieser neuesten Disziplin für das Verständnis von Mensch und
Umwelt aufweist" (S. 11). Als Gegenstand der Religionssoziologie
bezeichnet H. sehr richtig „die Wechselbeziehungen zwischen
der Religion und den gesellschaftlichen Verhältnissen".
Wenn der Verf. weiterhin (S. 31) auf den Ökumenismus und die
besondere von Johannnes XXIII. ausgehende Geistesrichtung des
U. Vatikanischen Konzils eingeht, so gibt er damit die Grundhaltung
seiner Untersuchung an. Dabei kommt er zu dem Ergebnis
: „Nicht aus irgendwelchen Anwandlungen von Indifferentismus
, sondern aus der Kraft der Glaubensgemeinschaft
kommt auch die echte Befähigung zu einem verbindenden Dialog
mit allen Menschen guten Willens" (S. 31). Diese Gedanken
finden sich bereits im ersten Hauptteil, der den „theologischen
Grundfragen zur Religionssoziologie" (S. 21—79) gewidmet
ist und fünf Kapitel („Religion als Gemeinschaft und als
gemeinschaftsstiftende Macht", „Verhältnis von Reich Gottes
und Welt", „Kirche und Staat", „Religionssoziologie im Lichte
des biblischen Begriffes kairös" und „Theologie des Milieus")
umfaßt. In diesem Zusammenhang sei vor allem darauf aufmerksam
gemacht, daß H. den kairös als die „von Gott bereitete
Heilsstunde" (S. 61) darstellt und aus dieser Erkenntnis seine
Folgerungen zieht.

Der zweite Hauptteil geht in fünf Kapiteln auf die „Kernprobleme
der Religionssoziologie" (S. 81—242) ein. Hier werden
„Religion und Gesellschaft im allgemeinen", „Elite und Masse
in religionssoziologischer Sicht", „Religion und Staat", „Religion
und Wirtschaft" sowie „Religion und Kultur" dargestellt.
Ein „Stichwortverzeichnis" und ein „Personenverzeichnis" beschließen
das Werk. Die vom Verf. verarbeitete und sehr vielfältige
Literatur ist jeweils am Ende eines Kapitels verzeichnet.

Die Arbeit von H. ist vom katholischen Standpunkt aus
geschrieben, was auch nicht anders zu erwarten war. Ob dabei
immer alles in den richtigen Proportionen gesehen wird, ist zu
fragen. Der Rezensent ist der Ansicht, daß man z. B. von evangelischer
Auffassung her manches anders im Verhältnis von
Glauben und Welt beurteilen und der Christ in der Umwelt des
Sozialismus auch hinsichtlich des Marxismus zu anderen Ergebnissen
kommen würde. Bei einer rein sachlichen Beurteilung des
Marxismus wäre es für ihn wohl kaum möglich, den Marxismus
als „Religionsersatz" zu beurteilen, wie es Sätze wie der fol-
eende tun: „Der ungeheuchelte, geradezu prophetisch anmutende
Zorn von Karl Marx über die LIngerechtigkeit der gesellschaftlichen
Verhältnisse des 19. Jahrhunderts ist letztlich ja
auch nicht ein Ergebnis naturwissenschaftlicher Erkenntnis, sondern
einer im Grunde doch auf letzte Wahrheiten und Werte
bezogenen Einstellung: Es ist ein ethischer Prophetismus im Gewände
des wissenschaftlichen Sozialismus" (S. 18 3).

„Die Wechselbeziehungen zwischen der Religion und den
gesellschaftlichen Verhältnissen" werden sich also für den „Menschen
guten Willens" in einer sozialistischen Umwelt — auch
für den Christen in dieser Umwelt — auf jeden Fall anders darstellen
. Das gilt für viele Partien des Buches von H., für die sich
eine gründliche Analyse lohnte, die in der gebotenen Kürze
einer Rezension nicht angängig ist. Immerhin sind wir für viele
Anregungen und Gedanken dankbar, die sich aus der Lektüre
dieses Werkes ergeben, nicht zuletzt für die klare Sicht, die sich
aus dem Satze herauslesen läßt: „Eine Religionssoziologie, die
die Tatsachen unbefangen (!) sprechen läßt, muß ein mächtiger
Anruf werden zur religiösen Erneuerung und Vertiefung, zu
apostolischem Einsatz aller Christen und zu echter (!) Anpassung
an die gesellschaftlichen Formen der Umwelt" (S. 17). Ob
es andererseits glücklich ist, Rauschnings „Gespräche mit Hitler"
(S. 115) in ein Buch von heute einzuarbeiten, ist zu bezweifeln,

selbst wenn es in dem Zusammenhang geschieht, wo der Verf.
über „Elite und Masse in religionssoziologischer Sicht" (S. 114—
121) handelt. So gibt es manches, was noch anzumerken wäre,
ohne dabei den Wert des Werkes in irgendeiner Weise herabsetzen
zu wollen.

„Macht und Ohnmacht der Religion, Religionssoziologie
als Anruf" sind von Bernhard H. ohne Frage von seiner Sicht
her klar und unmißverständlich herausgearbeitet worden. Es
geht wirklich um die Probleme, die einerseits in den Sozialenzykliken
Leos XIII. (Rerum novarum) und Pius' XL (Quadra-
gesimo anno) bis hin zu der Enzyklika „Pacem in terris" von
Johannes XXIII. und in den Erklärungen des II. Vatikanischen
Konzils andererseits vorliegen.

Kurt W i e I n e r -J-

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Scheffczyk, Leo: Von der Hcilsmacht des Wortes. Grundzüge
einer Theologie des Wortes. München: Hueber 1966. 307 S. 8°.
Lw. DM 19.80.

Der Verfasser will mit diesem Buch das neu erwachte Verständnis
für die Wirklichkeit des Wortes in der katholischen
Kirche theologisch begründen und seine Stellung im Glaubensbewußtsein
festigen (vgl. S. 9). Es fügt sich den von vielen
Seiten aus angestellten Bemühungen um das Wort und die
Verkündigung der Kirche ein und berücksichtigt am Schluß auch
die im Vaticanum II enthaltene Lehre von der Verkündigung.

Scheffczyk untersucht in der Einleitung zunächst die Motive
einer Theologie des Wortes heute und nennt neben der Neubesinnung
auf die Heilige Schrift und den Anregungen der liturgischen
Bewegung den Dialog mit der evangelischen Theologie.
Dies Buch ist wie viele theologische Veröffentlichungen ein
Beweis für die Bereitschaft, Motive von Seiten der Reformation
aufzunehmen. Luther hat nach S. mit seiner betonten Wendung
zum Worte als medium salutis dem neuzeitlichen Lebensgefühl,
das durch den Vorrang des Personalen vor dem Sachhaften, des
Dynamischen vor dem Statischen gekennzeichnet ist, Anerkennung
verschafft. Zu einer Neubesinnung auf die Theologie
des Wortes sieht S. die katholische Theologie schließlich auch
durch die Wirkungen des geschichtlichen Bewußtseins der
Moderne genötigt. Er nennt F. Ebner und M. Buber, die den
responsorischen Charakter der menschlichen Person herausgearbeitet
und mit der Worthaftigkeit der menschlichen Existenz
in Verbindung gebracht haben (vgl. S. 17).

Von besonderem Interesse für den evangelischen Leser
sind die methodischen Überlegungen im letzten Abschnitt der
Einleitung (S. 22 ff.). S. setzt nicht bei dem „menschgewordenen
Worte Jesus Christus" ein — er deutet, wohl kaum zutreffend,
K. Barths Christozentrik als den supranaturalen Beginn einer
Theologie des Wortes (S. 22) —, sondern er geht — man muß
hier an den alten Grundsatz: gratia perficit naturam denken —
von der „Weltwirklichkeit" des menschlichen, geschaffenen
Wortes, d. h. von der irdischen Realität der Sprache aus. Ein
anderer Weg scheint ihm der „Zuordnung von Schöpfungs- und
Erlösungswirklichkeit" zu widersprechen, die „Entwicklungstendenz
der Heilsgeschichte" unbeachtet zu lassen (vgl. S. 2 3)
und dem Wesen der Theologie nicht Rechnung zu tragen, insofern
sie die Offenbarung für den geschichtlichen Menschen auslegen
und an ihn vermitteln soll (vgl. S. 2 5).

Von daher ergibt sich der Aufbau des Buches folgerichtig:
Das 1. Kapitel behandelt: Das Wort als geschöpfliche Wirklichkeit
(S. 27-107), das 2. Kapitel: Das Wort in der Heilsgeschichte
(S. 108—169) und das 3. Kapitel: Das Wort in der
Kirche (S. 170—286).

Das 1. Kapitel — man könnte es die philosophische
Propaedeutik zu einer Theologie des Wortes nennen — bringt
u. a. eine Übersicht der verschiedenen Theorien zur Entstehung
der Sprache und vor allem die thematische Entfaltung der Bedeutung
des Wortes für die menschliche Seinsverwirklichung
(S. 82 ff.). Damit will der Verfasser das Verständnis für die
theologische Erörterung vorbereiten, die klären soll, „daß und