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1967

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Religionssoziologie

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 5

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Themas im Hauptteil nur noch wenig mit den Thesen in der
Vorbemerkung zur Kritik der Forschungssituation. Das ist jedoch
nur ein kleiner Mangel angesichts der reichen Information,
die eine ausführliche Zitation und systematische Gruppierung
der zeitgenössischen kontraremonstrantischen Literatur bietet.

Eine relativ kurze „Skizze der remonstrantischen Lehren"
(S. 35—43) gipfelt in einer Äußerung des Kontraremonstranten
Trigland, der den „entscheidenden Streitpunkt hervorhebt":
„Nach der Überzeugung der Remonstrartten .können' ... die
Gewalt der Kirche und die Gewalt der weltlichen Obrigkeit
nicht nebeneinander bestehen, ohne daß eine Gewalt der anderen
untergeordnet wird. Weil mit Recht die Unterordnung der
politischen Gewalt unter die Kirchengewalt, wie sie das Papsttum
eingeführt hat, verworfen wird, deshalb muß nun umgekehrt
die Kirchengewalt der politischen Gewalt untergeordnet
werden'" (S. 43).

Das Schwergewicht der Arbeit liegt auf der Darstellung der
kontraremonstrantischen Position. Conring zieht dazu vornehmlich
Voetius, Apollonius, Trigland und Acronius heran. Die
Disposition ist an folgenden Punkten orientiert: Kirche und
weltliches Gemeinwesen als Grundthema reformierter Kirchenrechtswissenschaft
; die sichtbare, gestalthafte Kirche und der
Kirchenbegriff bzw. die Kirchenregierung; die Stellung der
souveränen Obrigkeit neben der Kirche; die Zuordnung von
Kirche und weltlichem Gemeinwesen; das Widerstandsrecht der
Kirche gegenüber einer tyrannischen Obrigkeit.

Die Kapitelüberschriften lassen in etwa schon die Thesen des
Verfassers erkennen. Weltliches Gemeinwesen und Kirche erscheinen
nach der Bibelexegese des kontraremonstrantischen Schrifttums „als zwei
durchaus verschiedene Lebensbereiche",.....in denen deshalb unterschiedliche
Ordnungen und Gewalten bestehen" (S. 47). An dieser
Stelle hat der theologische Gegensatz zu den Remonstranten seine
Ursache, wie Trigland und Voetius (s. hier Anm. 24) betonen.
Conring entdeckt besonders bei Voetius eine Konzentration in der
Lehre vom regnum speciale auf das Spezifische des Kirchenbegriffs,
was etwa in der Frage der Kirchenregierung folgenden Ausdruck
findet: „Sacra Ecclesiae Politia, quae proximum et oUeiov Politicae
Ecclesiasticae objectum, intellegi nequit sine subjecto suo, hoc est
Ecclesia" (S. 51). Der Verfasser erinnert daran, die Lehre von der
Kirche habe seit Calvin im Mittelpunkt der reformierten Theologie
gestanden; dieses habe nun auch für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts
in den Niederlanden seine kirchenrechtlichen Konsequenzen
gezeitigt, nachdem die englischen Theologen Amesius und Parker
neben anderen zur Ausgestaltung des Kirchenbegriffs nach seinen
empirisch faßbaren Merkmalen beigetragen haben.

Aus der Fülle der den Quellen entnommenen Aspekte kann nur
Weniges angemerkt werden. Conring bemüht sich, von den entscheidenden
Begriffen her das Ganze seiner Thematik einsichtig zu
machen. Unter dem Kirchenbegriff versteht er die Grundlagen der
kirchlichen Gemeinsdiaft, unter dem Begriff der Kirchenregierung „den
Vorgang, wie Kirche regelmäßig geschichtlich existent wird. Ohne die
Herleitung aus dem Kirchenbegriff entbehre die sichtbare, gestalthafte
Kirche der Mitte und des tragenden Fundaments; ohne den Begriff der
Kirchenregierung bliebe der regelmäßige Prozeß der Gestaltwerdung
der Kirche unberücksichtigt" (S. 59). In Ablehnung jeglicher Herrschaftsansprüche
aus dem Bereich weltlichen Gemeinwesens kann man
angesichts dieses Zueinanders von Kirchenregierung und Kirchenbegriff
nur vom „Recht Christi über seine Kirche auf der einen" und von
der „Freiheit der Gläubigen im Gehorsam gegen den Willen Gottes
auf der anderen Seite" sprechen. „Wer von außen in diese Lebensfunktionen
einzugreifen sucht, fügt der Kirche auf Erden Schaden zu,
freilich ohne letztlich ihre in diesen Lebensfunktionen beschlossene
Eigenständigkeit aufheben zu können" (S. 59/60). An diesem Punkt
meinen die Kontraremonstranten wiederum, einen Mangel remon-
strantischer Lehren sehen zu müssen, deren humanistisch-natur-
rechtlich-kollateral angelegte Tendenzen Rechte und Freiheiten der
Kirche gegenüber dem Staat gefährlich aufs Spiel setzten. (Zum
Begriff der Kollateralität cf. den einflußreichen remonstrantisdien
Schriftsteller Uytenbogaert auf S. 37, Anm. 10.)

In der Zusammenfassung aller Einzelbcobachtungen zu den
oben genannten Themen ergibt sich für Conring folgendes
Bild: Das kontraremonstrantische Kirchenrechtsdenken „geht
kaum von geltendem Recht aus und ist um so mehr auf die
grundsätzliche Ordnung und Stellung der Kirche bezogen. Es
orientiert sich daneben beinahe ausschließlich an der theologischen
Doematik, um auf dieser Grundlage eine umfassende

Konzeption kirchlicher Ordnung und darüber hinaus menschlichen
Gemeinschaftslebens zu entwerfen. Sowenig es dem
rationalen Naturrecht verwandt ist (Hugo Grotius stand auf
Seiten der Remonstranten!), sowenig kann es auch die Theorie
des Kollegialismus vorbereitet haben" (S. 187). „Der hier (d. h.
in dem kontraremonstrantischen Schrifttum) aufgezeigten theo-
kratischen Ordnung liegt die Verschiedenartigkeit von kirchlicher
und obrigkeitlicher Gewalt ebenso zugrunde wie ihr
Zusammenstehen im Dienst unter einem Herrn. Die theo-
kratische Ordnung nach der biblischen Offenbarung zu entfalten
und der Kirche wie der Obrigkeit ihre Stellung und Verantwortung
innerhalb dieser Ordnung anzuzeigen, ist nach
kontraremonstrantischer Überzeugung die Aufgabe einer recht
verstandenen Kirchenrechtswissenschaft" (S. 191 f.).

Der große Vorzug der Conringschen Arbeit ist eine ausgezeichnete
Information in systematischer Ordnung. Wer nach
der inhaltlichen Füllung mancher theologischen Begriffe fragt,
kommt allerdings nicht immer auf seine Kosten. Es ist z. B.
kaum ausreichend genug in der Gesamtdarstellung belegt, wenn
der Verfasser von der ausschließlichen Orientierung des kontraremonstrantischen
Kirchenrechtsdenkens an der „theologischen
Dogmatik" oder von theokratischer Ordnung redet. Gerade der
letztere Terminus ist in sich so schwierig, daß er nicht ohne
exakte Definition eingeführt werden sollte. Der Calvinismus
mancher kontraremonstrantischen These ist bisweilen auch mehr
behauptet als beim Reformator belegt worden. Aber all diese
etwas offengebliebenen Wünsche mindern den Dank nicht, den
Conrings Buch aus den aufgezeigten Gründen verdient.

Berlin__Joachim Rogge

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UELIGWNSSOZIOLOGIE

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Dieser Band ist als Lizenzausgabe des Otto Müller Verlages
in Salzburg herausgegeben, wo er bereits 1956 erschienen
ist. Die mehrfachen Hinweise auf das II. Vatikanische Konzil
scheinen freilich auf eine gründliche Umarbeitung der bei Otto
Müller in 1. und 2. Aufl. erschienenen Ausgabe hinzudeuten,
was allerdings aus keiner Stelle des Herder-Bandes ersichtlich
ist. Deshalb ist es auch schwer zu beurteilen, ob sich wesentliche