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1967

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Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 5

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keit, 6at6zt]s), untersucht die metaphysischen Grundlagen der Kardinaltugenden
und die innere Beziehung zwischen Kardinal- und christlichen
Tugenden. Die beiden letzten Abschnitte stellen die christlichen
Tugenden (Glaube, Hoffnung, Liebe) und, zusammenfassend, das Ziel
des Tugendlebens bei Gregor dar.

Bewußt beschränkt der Autor den philosophie- und theologiegeschichtlichen
Teil seiner Arbeit (S. 37 ff.) auf verhältnismäßig kurze
Überblicke; dafür findet der Leser auch im systematischen Teil zur
Aretologie Gregors immer wieder wichtiges Vergleichsmaterial.
Konstantinou verkennt keineswegs die Unterschiede zwischen antikheidnischen
Vorstellungen einerseits und den aretologischen Spekulationen
der Alexandriner und Gregors andererseits, doch überwiegt
für ihn durchweg im Denkgebäude Gregors die ziemlich nahtlose
Kontinuität, „eine harmonische Verbindung von philosophischem und
christlich-theologischem Denken" (S. 188).

Ohne Zweifel handelt es sich bei dem vorliegenden Buch
um eine überaus fleißige und mit viel liebendem Einfühlungsvermögen
in die Gedanken des Nysseners geschriebene Untersuchung
. Um ihr gerecht zu werden, wird man nicht ohne weiteres
die Maßstäbe der deutschen historisch-kritischen Sprach-
und Geschichtswissenschaft — speziell der Religions- und Philosophiegeschichte
— anlegen dürfen. Was nach diesen Maßstäben
als Mangel der Arbeit zu gelten hat — das Fehlen kritischer Distanz
zum behandelten Objekt —, macht andererseits ihren besonderen
Reiz aus; der Leser denkt mit dem Autor die Gedanken
Gregors nach und erlebt, besonders im einleitenden Kapitel
'(S. 17ff.), den erregenden Kampf der gnostischen, montanistischen
, manichäischen, arianischen, mazedonianischen und apollinaristischen
Häresien gegen die kirchliche Orthodoxie, die in
Gregor schließlich als die gute und richtige Sache über die ketzerischen
Verirrungen den Sieg davonträgt. Daß jedoch auch von
Schismatikern und Häretikern — vorab von Montanisten, Aria-
nern und Pneumatomachen — mancherlei echt neutestamentlich-
urchristliches Gedankengut vertreten worden ist, vermag der
sich mit der Orthodoxie identifizierende Verfasser nicht zu erkennen
.

Uberhaupt ist — abgesehen von gelegentlichen Stellenangaben
— das Neue Testament mit seinen Tugend- und Lasterkatalogen
nicht in den Blick des Autors getreten; S. Wibbings
Abhandlung (BZNW 25, 1959) erscheint einmal in anderem Zusammenhang
(S. 65, Anm. 12), fehlt aber im Literaturverzeichnis
, das doch offenbar vollständig sein soll. In den historischen
ersten Teil des Buches wurde kein Abschnitt über die Tugendlehre
des Neuen Testaments aufgenommen; den Artikel uQFTtj
von O. Bauernfeind (ThW I, 193 3, S. 45 7-461) hat der Verfasser
überhaupt nicht benutzt. Wer vom Titel der Abhandlung
her Material zur jüdisch-christlichen Aretologie erwartet, wird
enttäuscht; ebensowenig wie das Neue Testament, das ja doch
wohl zur „jüdisch-christlichen Tradition" gehören müßte, hat der
Komplex nachkanonischer jüdischer Schriften — ich erinnere nur
an das reiche aretologische Material der Zwölfertestamente —
das Interesse Konstantinous gefunden. Als einzigen jüdischen
Autor hat der Verfasser Philo, als einzige christliche Schriftsteller
vor Gregor Clemens und Origenes aufgenommen; der Titel
des Buches hieße also richtiger: „Die Tugendlehre Gregors
von Nyssa im Verhältnis zur philosophischen Tradition des antiken
Heidentums und zur theologischen Tradition Alexandrias".

Allzu großzügig ist leider das Verhältnis des Autors zu der
von ihm benutzten Primär- und Sekundärliteratur.

Bei den einzelnen Origenesbänden (GCS) müßten die verschiedenen
Herausgeber genannt werden. Ein Beispiel sträflicher Fahrlässigkeit
ist die Anführung der Werke Philos (S. 15); die Ausgabe (Loeb
Classical Library) wird verschwiegen, desgleichen alle Übersetzer
(z. B. G. H. Whitaker, J. W. Earp, R. Marcus) außer F. H. Colson
(dessen Magistertitel wiederum Konstantinou hätte weglassen können),
und die Bandzahl stimmt so nicht: es sind nicht 11 durchgezählte
Bände, sondern 10 Bände und 2 Supplementbände! Auch das
Erscheinungsjahr („1950" für alle Bände!) ist falsch. Hätte der Verfasser
bei der Heranziehung altkirchlicher Literaturgeschichten sich
nicht auf B. Altaner und O. Bardenhewer beschränkt, sondern auch
O. Stählin (bei W. v. Christ II, 2, 1924) eingesehen, hätte er hier
u. a. wissenschaftliche Textausgaben gefunden, wo er sich mit Migne
begnügt hat. Die von Konstantinou benutzten ThW-Artikel sollten
nicht in cumulo unter G. Kittel, sondern einzeln unter dem Namen
ihrer Verfasser mit Stichwort und Seitenzahlen angegeben werden.

Der RE-Artikel von F. Loofs trägt das Stichwort „Gregor von Nyssa",
was Verf. unterschlägt; v. Balthasar heißt „H. U.", nicht H. v. Balthasar
! Bei R. Seebergs Lehrbuch der Dogmengeschichte (11,1959) handelt
es sich nicht um eine Erstauflage des Jahres 1959, sondern um den
Nachdruck der 3. Auflage von 1923; das müßte man vermerken. Daß
ein Doktorand die Sekundärliteratur nicht vollständig aufarbeiten
kann, versteht sich von selbst; trotzdem sollten in einer Abhandlung
über die Tugendlehre des Nysseners das Werk von W. Vollert („Die
Lehre Gregors von Nyssa vom Guten und Bösen", 1897) und die
Arbeiten von J. Danielou, von denen Konstantinou nur „Platonisme
et theologie mystique" (und auch dies nur in der 1. Aufl 1944;
2. Aufl. 1954!) kennt, nicht fehlen.

Schließlich würde es der Leser des Buches begrüßen, wenn
in der Aufführung der Kardinaltugenden sprachliche Einheitlichkeit
herrschte, also entweder für Weisheit, Tapferkeit usw.
auch (wie bei oa(OT)??) die griechischen Äquivalente oder für
6oi6vrq ebenfalls eine deutsche Übersetzung gewählt worden
wären.

Trotz solcher formaler Schönheitsfehler, die sich — besonders
in der Bibliographie — leicht hätten vermeiden lassen, verdient
die Abhandlung Konstantinous Beachtung als die erste systematische
Untersuchung der Aretologie Gregors von Nyssa.
Schon allein dank der Sammlung und Ordnung der Belege aus
den Schriften des Nysseners und der Parallelen aus Philo, Clemens
und Origenes wird die Dissertation Konstantinous einen
Platz in der Gregorforschung behalten.

Mainz Otto Bücher

Klein, Karl Kurt: Gotenprimus Wulfila als Bischof und Missionar
(Geschichtswirklichkeit u. Glaubensbewährung. Festschrift für Bischof
Friedrich Müller. Stuttgart: Ev. Verlagswerk 1967 S. 84—107).

Thurian, Max: L'organisation du ministere dans l'Eglise primitive
Selon saint Ignace d'Antioche (Verbum Caro XXI, 1967 S. 26-38)..

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Reiter, Ernst: Martin von Schaumberg, Fürstbischof von Eichstätt
(1560—1590), und die Trienter Reform. Münster: Aschendorff
[1965]. XII, 361 S. gr. 8° = Reformationsgeschichtl. Studien ff.
Texte, hrsg. v. H. Jedin, 91/92. Kart. DM 48.—.

Die anzuzeigende, aus der Schule von Hubert Jedin hervorgegangene
Arbeit faßt, wie es der Titel vermuten läßt, vor allem
die geistliche Wirksamkeit des Fürstbischofs ins Auge und berücksichtigt
infolgedessen kaum seine Stellung und Tätigkeit im
Reich und im Fränkischen Reichskreis. Trotzdem muß sie aber
hochpolitische Fragen des 16. Jahrhunderts darstellen, nämli ,-h
die Auswirkungen des Augsburger Religionsfriedens und insbesondere
dessen Bestimmung, daß die Augsburger Konfession den
Ständen des Reiches freigestellt, diesen die Ordnung des Kirchenwesens
für ihre Untertanen anheimgegeben sei. Die Frage,
wer in den einzelnen Dörfern für die kirchenpolitische Entscheidung
zuständig sein sollte, fällt nun, wie Reiter zeigt, dort, wo
die Landesherrschaft zwischen dem Bischof und seinen fürstlichen
oder reichsstädtischen Nachbarn strittig ist, in der Regel zugunsten
des Inhabers der hohen Obrigkeit, wenn auch da und dort
die Bauern in ihrer religiösen Haltung dem Beispiel ihres Grundherrn
, des Inhabers der Dorfherrschaft, folgen. So bleibt es eine
unerklärte Ausnahme, wenn der Markgraf von Brandenburg in
den Pfarreien Burgoberbach, Elbersroth, Rauenzell und Veifsau-
rach von seinem Reformationsrecht keinen Gebrauch macht, obwohl
ihm die hohe Obrigkeit zusteht. Indem sich Bischof Martin
von Schaumberg an die im Religionsfrieden gegebene Faustregel
hielt, erscheint er kaum als Gegenreformator im klassischen
Sinne des Wortes; er betrachtet aber auf Grund seines landesherrlichen
Reformationsrechts den Kirchenpatronat von Protestanten
als erloschen oder arrondiert seine Rechte durch weitere
Erwerbungen und sucht so dem konfessionellen Kleinkrieg, bei
dem hüben und drüben auf die Mitwirkung von Reisigen nicht
verzichtet wurde, ein für ihn günstiges Ende zu bereiten.

So wie sich Martins kirchlicher Jurisdiktionsbereich — abgesehen
von den im Herzogtum Bayern gelegenen Teilen seiner
Diözese — auf das weltliche Territorium, das Hochstift Eichstätt,
beschränkte, so ist überhaupt auch sein Verhalten gegenüber
dem Konzil von Trient durch seine Pflichten als Reichsfürst ein-