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1967

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Altes Testament

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351

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 5

352

tigung und bleibende Bedeutung der mythischen Rede im Neuen
Testament muß geklärt werden.

Einen interessanten Einblick in die theologische Situation
zu Anfang unseres Jahrhunderts vermittelt ein Beitrag über
„Die ,konsequente Eschatologie' Albert Schweitzers im Urteil
der Zeitgenossen" (328—339), der im vorliegenden Sammelband
zum ersten Mal in deutscher Sprache veröffentlicht wird. Nach
A. Schweitzers Überzeugung steht im Zentrum des paulinischen
Denkens die naturhafte Umwandlung des menschlichen Seins
durch eine sakramentale Mystik. In einer Auseinandersetzung
mit dieser .Mystik des Apostels Paulus' weist Kümmel in
engem Anschluß an Bultmanns Paulusinterpretation überzeugend
nach, daß „Die Bedeutung der Enderwartung für die Lehre des
Paulus" (36—47) darin besteht, die Geschichtlichkeit des Heilshandelns
Gottes herauszustellen.

Von dieser Geschichtlichkeit des Heilsgeschehens ist auch
„Der Glaube im Neuen Testament" (67—80) bei Jesus, Paulus
und Johannes, die zum Glauben als zur Verwirklichung der in
Jesu Sendung ermöglichten eschatologischen Existenz aufrufen,
gleicherweise bestimmt. Dieses eschatologische Verständnis des
Glaubens halten der Verfasser des Hebr., Jak. und die Past,
auf die sich die rk. Glaubensauffassung deshalb mit Grund berufen
kann, nicht mehr fest, während Luther an diesen Schriften
berechtigte Sachkritik übte.

Lassen die beiden zuletzt genannten Arbeiten aus den
30er Jahren einen deutlichen Einfluß der Paulusdeutung Bultmanns
erkennen, so setzt Kümmel sich in „Mythische Rede und
Heilsgeschehen im Neuen Testament" (15 3—168) und „Mythos
im Neuen Testament" (218—229) mit Bultmanns Entmythologi-
sierungsprogramm kritisch auseinander. Seine Lösung ist vermittelnd
. Er möchte dem Kerygma adäquate und deshalb notwendige
sowie ihm inadäquate und deshalb preiszugebende
Mythen im NT unterscheiden. Damit führt er freilich einen
anderen Begriff von Mythos ein, als Bultmann ihn gebrauchte,
und bestreitet die notwendige Beziehung von Mythologie und
Weltbild. Da er zudem seine Entmythologisierung nicht als
Interpretation, sondern als Eliminierung des (inadäquaten)
Mythos durchführt, stellen diese Aufsätze keinen echten Beitrag
zum Gespräch mit Bultmanns Programmschrift dar.

Fünf besonders wertvolle Aufsätze behandeln exegetische
Einzelfragen:

„Das Gleichnis von den bösen Weingärtnern"
(Mk. 12, 1-9) (207-217) stellt eine Allegorie dar, die nicht
Jesu Selbstbewußtsein erhellt, sondern ein wichtiges Zeignis für
das Geschichtsbewußtsein des Urchristentums darbietet.

Mit Rm. 3,25 f. beschäftigt sich ein Beifrag zum Verständnis
der paulinischen Rechtfertigungslehre unter der Überschrift
„TlägEoig und erdeten;" (260—270). Diese exegetische
Untersuchung ist noch immer wichtig, obschon sie von der inzwischen
erfolgten Entdeckung, daß Paulus in Rm. 3, 25 f. ein
Traditionsstück verwertet, in vielem überholt wurde.

„Die älteste Form des Aposteldekrets" (278—288) bietet
Kümmel zufolge der vierteilige ägyptische Text. Die Warnung
vor Götzenopferfleisch, Unzucht, Ersticktem und Blutgenuß soll
die dämonische Befleckung der Heidenchristen verhindern — eine
unnötig umständliche Deutung —, um so die Gemeinschaft von
Juden- und Heidenchristen zu ermöglichen.

Mit dem umstrittenen Passus 1. Kor. 7, 36—38 befaßt
Kümmel sich unter der Überschrift „Verlobung und Heirat bei
Paulus" (310-327). Er weist völlig überzeugend nach, daß
Paulus in den genannten Versen von dem Verhalten des Bräutigams
zu seiner Braut spricht und die Frage klärt, ob bzw.
unter welchen Voraussetzungen eine Verlobung zur Ehe fortgeführt
werden soll.

„Das literarische und geschichtliche Problem des ersten
Thessalonicherbriefes" (406-416) hatte K.-G. Eckart lösen
wollen, indem er den 1. Thess. als Kompilation aus zwei echten
Briefen des Paulus und unechten Zusätzen des Redaktors ererklärte
. Kümmel zeigt, daß die Argumente Eckarts ganz unzureichend
sind, übersieht aber die fruchtbaren Ansätze des
kritisierten Aufsatzes und versteht seine berechtigte Kritik deshalb
unberechtigterweise als Beweis für die Integrität des
Briefes.

Ein mit 16 Bildtafeln vesehener Aufsatz über „Die älteste
religiöse Kunst der Juden" (126—152) macht den Leser in instruktiver
Weise mit den Denkmälern dieser Kunst bekannt,
die, wie Kümmel überzeugend nachweist, unsere aus den zeitgenössischen
schriftlichen Dokumenten erwachsene Kenntnis des
Judentums bestätigt. Dieser Aufsatz, seiner Thematik nach ein
Unikum im vorliegenden Band, ist der Sache nach besonders geglückt
.

Schließlich muß noch der Nachruf „Martin Dibelius als
Theologe" (192—206) genannt werden, mit dem der mit dem
hier besprochenen Aufsatzband selbst Geehrte seinem Lehrer ein
schönes Denkmal setzt.

Marburg Walter S ch m i t ha 1 s

G i n s b e r g , Ernst, u. Herbert Meyer [Hrsg.] : Die Weltweite
des Christentums. Ein Umriß mit Beispielen. Hamburg: Furche-
Verlag [1966]. 76 S. kl. 8°. DM 2.50.

Robert, J.-D.: Approches methodologiques des problemes poses
par la distinction et les rapports de droit entre disciplines scienti-
fiques et disciplines philosophiques (Sciences Ecclesiastiques XIX,
1967 S. 169—213).

Scholl, Robert: „Durch Denken religiös werden". Über Frömmigkeit
und Denken bei Albert Schweitzer (ZW 3 8, 1967 S. 294—309).

Streng, Frederick J.: Is there a Gospel in Non-Christian Religions?
(dialog 6, 1967 S. 123—130).

Timm, Hermann: Das „Ende der Metaphysik" und das Generationsproblem
in der neueren Theologie (DtPfrBl 67, 1967 S. 201-204).

ALTES TESTAMENT

T e x t u s. Annual of the Hebrew University Bible Project. Vol. V,
ed. by S. T a 1 m o n. Jerusalem: Magnes Press, The Hebrew University
1966. VI, 145, IV, 1 (= 10) S., 11 Taf. gr. 8°. Lw. $ 6.—

Der 5. Band von „Textus", dessen Bände 1—4 in ThLZ 86,
1961, Sp. 752 f.; 88, 1963, Sp. 422; 90, 1965, Sp. 263; 92.
1967, Sp. 25 gewürdigt worden sind, bringt auf S. 1—144
zwölf Aufsätze, die alle irgendwie die alttestamentliche Textkritik
angehen, auf S. 145 einen "Report on the Hebrew University
Bible Project 1965-1966 und auf S. i—N (= 1-10)
hebräische Zusammenfassungen der zwölf Aufsätze. Diese sind:
Y. Ya d i n , Another Fragment (E) of the Psalms Scroll from
Qumran Cave 11 (11 QPsa) (S. 1-10. Taf. I-V); S. T a 1 m o n ,
Pisqah Be'emsa' Pasuq and 11 QPsa (S. 11-21); M. H.
Goshen-Gottstein, The Psalms Scroll (11 QPsa): A
Problem of Canon and Text (S. 22-33); S. Iwry, SOtöSn -
A Striking Reading in 1 QIsa (S. 34-43); C. Rabin,
Noserim (S. 44-52); M. H. Goshen-Gottstein, A
Recovered Part of the Aleppo Codex (S. 5 3—59. Taf. I—III);
B. Keller, Fragment d'un Traite d'Exegese Massoretique
(S. 60—83. Taf. I—III); S. Esh , Variant Readings in Mediaeval
Hebrew Commentaries; R. Samuel Ben Meir (Rashbam) S. 84—
92); Y. Ratzabi, Massoretic Variants to the Five Scrolls
from a Babylonian-Yemenite MS (S. 93—113); H. Zinger,
The Bible Quotations in the Pesikta de Rav Kahana (S. 114—
124); H. S. Gehman, Adventures in Septüagint Lexico-
graphy (S. 125—132) und J. Shunary, Avoidance of
Anthropomorphism in the Targum of Psalms (S. 13 3—144). Wie
man sieht, sind nicht weniger als ein Viertel dieser Aufsätze
der 1965 von J. A. Sanders, The Psalms Scroll of Qumran Cave
11 (11 QPsa) veröffentlichten Psalmen-Rolle aus der Qumrän-
Höhle 11 zugewendet. Yadin bringt ein ihm zugekommenes
Fragment mit Ps 118,24-29; Ps 104,1-6; Ps 104,22-35;
Ps 147, 18—20; Ps 105, 11—12, das sicher zu der im übrigen
von Sanders veröffentlichten Rolle gehört, zwischen dessen
Fragment D und Kol. I seinen Platz hat und darum von Yadin
mit E bezeichnet wird. T a 1 m o n zeigt, daß die außerkanonischen
Stücke in 11 QPs'S insbesondere Ps 151, das noch
nicht eindeutig erklärte Phänomen des pisqah be'emsa' pasuq
in neue Beleuchtung rücken. Goshen-Gottstein will
in seinem 11 QPsa behandelnden Aufsatz diese Rolle nicht als
Zeugin einer neben unserem biblischen Psalmbuch stehenden