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Ausgabe:

1967

Spalte:

305-306

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Dietzfelbinger, Hermann

Titel/Untertitel:

Zum Selbstverständnis des Pfarrers heute 1967

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Seite 1

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305

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 4

306

ner Mitmenschlichkeit" —, und informiert sodann über „die sozialpsychologischen
Untersuchungsmethoden", Umfragen, Tests
usw. Sehr interessant wird hier dargelegt, wie man z. B. die
Gründe zur Arbeitsfreude oder Arbeitsunlust in einem industriellen
Betrieb psychologisch geschickt und systematisch durch geeignete
Interviews usw. erforschen kann. Es folgt ein grundlegendes
erstes Kapitel über „die Person", ein zweites über „das Ich und
der Andere", beide mit vielen Beispielen aus der Wirklichkeit,
aber auch aus der modernen Philosophie. Das drifte Kapitel über
„die soziale Rolle" wirft u. a. die Frage auf: „Welches Verhalten
erwartet der Andere von uns auf Grund unserer sozialen Position
?" Im vierten Kapitel „der soziale Raum" wird der psychologische
Abstand zwischen den Individuen und die „perspektivische
Betrachtung des sozialen Raumes" eingehend erörtert. Hier
findet sich u. a. eine interessante Tabelle zur Berechnung des Sozialstatus
eines Individuums. Das fünfte Kapitel „die soziale Lebensordnung
" behandelt in lebensnaher Weise das „System der
sozialen Normen und Sanktionen". Das sechste Kapitel „Wir —
Sie — Man" leitet die Betrachtung der „Gruppenphänomene" ein,
die dann im siebenten „die Gruppe", ausgehend von der Familie,
ur|d im achten „die Konfiguration der Gruppe" eingehend behandelt
werden. Hierbei wird auch der Begriff der „Soziometrie"
durch bemerkenswerte Tabellen auf Grund von Erhebungen über
Sym- und Antipathien zwischen Kindern in Schulklassen erläutert
. Das neunte Kapitel klärt „die Führung", z. T. an Hand von
„Soziogrammen", das zehnte handelt von „der Moral". Bei dem
allen steht der Verfasser seiner eigenen Wissenschaft, die ja auch
Möglichkeiten zu erheblichen Irrwegen und Fehlschlüssen enthält,
und den wissenchaftlichen Ergebnissen seiner Fachkollegen durchaus
nicht unkritisch gegenüber. Aus der eindrucksvollen „Schlußbetrachtung
" ist es vor allem wichtig hervorzuheben, daß „die
Sozialpsychologie von selbst in eine Ethik einmündet", —
daß sie zu den „normativen Wissenschaften" hinführt. So zeigt
sich hier auf Grund der stets ehrfurchtsvollen Einblicke und oft
geradezu weise zu nennenden Einsichten des Verfassers das rätselhafte
Geheimnis der menschlichen Person und ihres Lebens in der
Welt in seiner ganzen Tiefe —, und deshalb kann wie jeder andere
Leser so auch der Theologe vom Studium dieses wertvollen
Buches zweifellos größten Gewinn haben.

Neustadt/Aisch Karl-Heinz Becker

Bernard. Charles-A.: Psychologie de la gräce (Gregorianum XLV1I,

1966 S. 763—769X

Read, Herbert: C. G. Jung und seine Psychologie (Universitas 22,

1967 S. 133—141).

Satura, V.: Die Genese des Gewissens psychologisch gesehen
(ZKTh 89, 1967 S. 51-58).

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Dictzfelbinger, Hermann: Zum Selbstvcrständnis des Pfarrers
heute. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn [1965]. 68 S.
8° = Handbücherei für Gemeindearbeit, hrsg. v. A. Funke, W.
Hahn, A. Niebergall, H.-W. Surkau, 33. Kart. DM 4.80.

Die Pastoraltheologie ist heute vernachlässigt, das Heft
Dietzfelbingers aber ist eine Verheißung an die Zukunft. In ihm
sind biblische Theologie, gegenwärtige kirchliche Verantwortung
und Fragen aus dem modernen Leben des Geistlichen fest verwoben
. Der frische Ton, die reichen lebensvollen Zitate (nicht nur
aus Büchern, auch aus Briefen, mündlichen Äußerungen, Pfarrausschreibungen
), die geistig-geistliche Bescheidenheit des Verfassers
, die darum überzeugend ist, weil sie aus geistlicher Weite
und Überlegenheit kommt, machen die Lektüre zum rechten spi-
ritualen Exerzitium des Pfarrers unserer Tage. Wir können uns
schwer denken, daß der rechte Pastor das Heft ohne geistliche
Bewegtheit, ja Erschütterung aus der Hand legen wird. Möchte
er es auch an seinen Mitbruder weitergeben! Der Inhalt ist in
die fünf Hauptteile Amt, Gemeinde, Werk, Bruderschaft, Mensch
gegliedert; aus den schönen Untergliederungen seien als Stichworte
Ordination, Kirche und moderne Gesellschaft, Amtsbruderschaft
, Ehemann und Vater hervorgehoben. Wichtiger als eine
dürre Inhaltsangabe dürften Proben zur Lcbensfülle sein. Ein

Gemeindeglied „sucht die Liebe Christi — und findet Gemütlichkeit
". „Viele meinen, die Predigt werde konkret durch Hinweise
auf Bücher, die man gelesen, oder Filme, die man angesehen
hat. . . Aber vielleicht hat echte Konkretheit noch tiefere Wurzeln
. Sie hängt wohl mit der priesterlichen Nähe zum Menschen
zusammen". „Es gibt ein pfäffisches Amtsbewußtsein, das unerträglich
wirkt im Ton, im Gang, im Anspruch vor den Menschen
". Der Blick ist stets fest auf die Wirklichkeit in Pfarrhaus,
Gemeinde und Kirche gerichtet. Die christlichen Antworten werden
aus der Schrift gewonnen, erfreulicherweise ohne Bemühung
der großen, sonst oft zum Überdruß zitierten Namen aus
der modernen Theologengalerie. In theologischen Problemen
der Gegenwart, z. B. der Ordination, begegnen keine Schärfen
oder extreme Urteile, sondern biblische Lauterkeit. Das Ganze —
ein weises bischöfliches Wort an die Pfarrerschaft unserer Jahre!
Rostock Gottfried Holtz

Richtlinien für das Verhalten von Gemeinde und Pfarrer im Gottesdienst
. Hrsg. v. d. Lutherischen Liturgischen Konferenz Deutschlands
. Berlin-Hamburg: Lutherisches Verlagshaus 1965. 60 S. 8°.
DM 3.20.

Bei der gegenwärtig in Theologie und Kirche vorherrschenden
Atmosphäre ist es gewiß ein undankbares, von vielen mitleidig
belächeltes Unternehmen, den evangelischen Gemeinden
und ihren Geistlichen so etwas wie ein „Riten- und Rubrikenbuch
" anbieten zu wollen. Die Lutherische Liturgische Konferenz
Deutschlands hat jedoch den Spott der Modernen und den
Zorn der Eiferer nicht gescheut und nun endlich — nach langjähriger
, intensiver Vorarbeit — in den „Richtlinien" eine längst
fällige, notwendige und hilfreiche Ergänzung zum vierbändigen
lutherischen Agendenwerk vorgelegt. Da die „Richtlinien" zwar
vom Plenum der Konferenz, vorerst aber nicht von irgendwelchen
kirchenleitenden oder synodalen Gremien gebilligt und verabschiedet
wurden, kommt ihnen natürlich nicht die gleiche kir-
chenamtliche Autorität zu wie den offiziell eingeführten Agendenbänden
. Sie können lediglich den Charakter von Empfehlungen
für sich beanspruchen; nach der Intention der Herausgeber
sollen sie als ein „Ratgeber" Pfarrern und Gemeinden zu einem
richtigen und sachgemäßen Vollzug der agendarischen Ordnungen
helfen.

Den eigentlichen Richtlinien für die gottesdienstliche Praxis
sind die bei solchen Anlässen anscheinend unvermeidlichen
„Grundsätzlichen Vorbemerkungen" vorangestellt, die den (angesichts
der zur Verfügung stehenden Seitenzahl) verzweifelt anmutenden
Versuch unternehmen, ein solch waghalsiges Vorhaben
wie ein lutherisches „Rituale" theologisch und liturgisch umfassend
zu begründen. Es folgen sehr nützliche, wenn auch nicht
gerade umwälzend neue Bemerkungen über die allgemeine geistige
und geistliche Grundhaltung, aus der heraus allein ein wirklich
fruchtbarer und sinnvoller Vollzug des Gottesdienstes möglich
wird. Ausführliche Erwägungen zu den einzelnen Formelementen
der liturgischen Feier schließen sich an (Umgang mit den
gottesdienstlichen Büchern, Sprechen und Singen, Haltung und
Bewegung, Gebärden, Kleidung). Den Abschluß bilden gesonderte
Hinweise für den Ritus der Taufe, der Abendmahlsfeier und
des Begräbnisses, sowie für ein etwaiges „gemeinsames Handeln
mehrerer Amtsträger".

Im großen und ganzen beschränken sich die „Richtlinien"
darauf, die bescheidenen Reste geregelten liturgischen Brauchtums
, wie sie sich im deutschen Luthertum noch finden, zu registrieren
und — gemäß den Leitgedanken der neuen Agenden —
zu ordnen und vor weiterem Verfall zu schützen. Verdienstvoll
ist es, daß in diesem Zusammenhang immer wieder nachdrücklich
auf anscheinend unausrottbare liturgische Angewohnheiten und
Laster hingewiesen und deren sinnzerstörender Charakter aufgedeckt
wird (S. 13ff., 16f., 21 ff. 24ff., 29, 3lf., 36f., 41, 45,
53, 55, 58, u. ö.). Ökumenisches liturgisches Brauchtum, das den
Rahmen des im deutschen Protestantismus Üblichen überschreitet
, wird von den „Richtlinien" nur in einem sehr bescheidenen
Umfang und mit fast verschämter Zurückhaltung aufgegriffen
(Ministrantendienst, Gebetsgestus, liturgische Kleidung, Eleva-
tion, Altardiakon, „Konzelebration"). Obwohl die Richtlinien