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1967

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 4

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lern an der Wertung der Caritas (als eines übernatürlichen Habitus
) die Geister scheiden sollen, so wird letztlich aristotelische
Ontologie — genauer gesagt: eine bestimmte psychologische
, ins Metaphysische transponierte Begrifflichkeit — zum Prüfstein
theologischer Entwicklung oder eben „Fehlentwicklung"
gemacht. Luther verwirft diese Begrifflichkeit', schließt den Verdienstgedanken
aus der Rechtfertigungslehre aus und gibt dem
Begriff der Caritas einen anderen theologischen Ort und Gehalt
, ohne deshalb doch, wie wir meinen, den Caritasbegriff zu
■ entleeren". Verf. rühmt den „theologischen Genius", die Instinktsicherheit
des Duns Scotus (203; 205), wenn wir recht
verstehen, letztlich im Hinblick darauf, daß Scotus „in seiner Gesamtkonzeption
und in seinem ganzen Denken ... ein ausgesprochen
biblisch orientierter Theologe" war (287f.). Gerade von
hier aus scheint sich uns eine Überprüfung der Kriterien für die
Beurteilung der theologiegeschichtlichen Entwicklung nahezulegen
.

Berlim Rudolf M a n

Hacke tt, Benedict: Simone Fidati da Cascia and the doctrinc of
St. Catherine of Siena (Augustiniana 16, 1966 S. 368—414).

Kaminsky, Hans Heinrich: Zur Gründung von Fruttuaria durch
den Abt Wilhelm von Dijon (ZKG 77, 1966 S. 238-267).

Reinerth, Karl: Ein bisher unbeachtet gebliebenes Verzeichnis der
Klöster des Prämonstratenserordcns in Ungarn und Siebenbürgen in
der Zeit vor dem Mongolensturm (ZKG 77, 1966 S. 268—287).

S e c r e t, F.: Egidio da Viterbo et quelques-uns de ses contemporains
(Augustiniana 16, 1966 S. 371—385).

GESCHICHTE DEH CHRISTLICHEN KUNST

Wietsche 1, Christian: Sinnzeichen des Glaubens. Berlin: Evangelische
Verlagsanstalt u. Kassel: Stauda [1965], 108 S., 72 Taf. gr. 8°.

Die Behandlung des Symbolproblems ist in den letzten Jahrzehnten
zunehmend im Bereiche von Religion und Theologie,
aber auch sonst in der Kulturgeschichte und Kulturmorphologie
hervorgetreten. Die Gründe dafür sind zahlreich. Mit Hilfe des
Symbols kann man versuchen, der Eigenart des Religiösen vom
Ausdruck her näherzukommen und es gegen Angriffe aus rein
rationaler Denkweise abzusichern. Diese an sich richtige Erkenntnis
, die bekanntlich auch ganz anderen theologischen Ansätzen
zugrundeliegt, birgt Gefahren in sich. Aus der Hinwendung zur
Würde und zur Eigenart des religiösen Symbols entsteht leicht
der Überschwang von Symbolomanie oder spekulativer Symbolmetaphysik
und Symbolmystik, die sich jeder Kontrolle entziehen
. Deutlich ist ihre Ersatzfunktion: Verlorengegangenes oder
zumindest die Angst vor einem großen Substanzverlust melden
sich im heutigen Menschen zu Wort. Das Interesse der Tiefenpsychologie
am Symbolischen ist symptomatisch für die Beachtung
des Symbols auch außerhalb der Religion und unter ganz
anderen Zielsetzungen. Aber um was geht es dabei eigentlich?

sind Bereiche des von Natur aus Unbestimmten und schwer
Bestimmbaren, des möglichen Ungenauen, die hier angesprochen
werden. Es sind die von Joachim Wach als „endeiktisch" bezeichneten
Zonen des religiösen Erkennens und Sich-Äußerns, die im
Unterschied zu den „diskursiven" nicht unbedingt der Klärung
durch das Wort und den Begriff bedürfen. Rein emotional befinden
wir uns hier in einer Sphäre des Enthusiasmiertseins, rein rational
-wissenschaftlich empfindet es der nachdenkliche Mensch
gleichzeitig als eine Gefahrenzone. Möglicherweise ist eine Zeit,
die das Symbol aus den Tiefen der Vergangenheit zurückholt und
darüber so viel nachsinnt, ihm innerlich schon entfremdet und
fern, vielleicht ist ihre Beziehung zu diesen Regionen im Grunde
nur noch ästhetisch und verspielt.

Das ist jedenfalls das moderne gedankliche Klima, aus dem
dieses Buch sammelnd, sichtend und reflektierend hervorgegangen
ist. Es konfrontiert uns erneut und sehr eindringlich mit dieser
in der Literatur der letzten Jahrzehnte so viel behandelten
Frage. Der umfängliche Bildteil macht die Relevanz der Sache
optisch vollends klar.

Zum Inhalt: D e r Te x t behandelt in einer Einleitung die Aufgabe
der „theologischen Zusammenschau" verschiedener Gesichtspunkte zur

Klärung des christlichen Sinnzeichens. Definitionsversuche gehen vom
Symbol als „Wirklichkeitszeichen" und Repräsentanz des Absoluten
aus. Das Ziel ist lt. Vorwort „theologische Begründung und praktische
Anwendung" (S. 10). Damit entzieht sich die Darlegung allerdings der
letzten historisch und systematisch kritischen Instanz. Unter seinen Anregern
nennt der Verf. u. a. Wilhelm Stählin, Paul Tillich und Alfred
Dedo Müller. Mit solchen markanten Namen sind rein theologisch die
Bereiche, in denen seine Fragestellungen wurzeln, einigermaßen gekennzeichnet
. Ein erstes Kapitel bringt die „theologische Begründung
des Sinnzeichens" und untersucht zunächst „die theologische Bedeutung
des Sinnzeichens" im Zusammen- und Gegenspiel von „Symbol und
Mythus", „Symbol und Logos", „Wort und Zeichen", „Sinn und Zeichen
". Dann wird über „den kirchlichen Ort der Sinnzeichen" gehandelt
, über „Sinnzeichen und Kultus", „Sinnzeichen und Wortverkündigung
", „Sinnzeichen und Ritus", „Sinnzeichen und Gemeinde".
Schließlich geht es um „Gestalt und Gestaltung des Sinnzeichens"
(„Sinnzeichen und Sinnbild", „Sinnzeichen und Abstraktion", „Sinnzeichen
und Richtung", „Sinnzeichen und Ornament"). Das zweite
Kapitel wendet sich der „praktischen Anwendung des Sinnzeichens" zu.
Zuerst wird hier der „Anwendungswandel in der Geschichte der
Kirche" von der Urgemeinde über das Mittelalter bis zur Reformation,
Aufklärung und Gegenwart verfolgt. Dann wird über „Anwendungsweisen
kirchlicher Sinnzeichen" gesprochen („liturgische Anwendung",
„meditative Anwendung", „katechetische Anwendung", „sepulkrale
Anwendung"), und zum Schluß folgen „Maßstäbe kirchlicher Anwendung
", die in „Verbindlichkeit", „Angemessenheit", „Verständlichkeit-
Klarheit" und „Glaubensbezogenheit" gesehen werden, wobei eine
„Rangordnung" versucht wird.

Also eine ganze praktische Theologie oder theologische Praxis
des Symbols. Denn das Abzielen auf die Praxis ist deutlich. Viel stärker
treten historische Seiten des Problems im Abbildungsteil
hervor. 21 Tafeln von insgesamt 72 sind allein dem Kreuzzeichen gewidmet
, 5 Tafeln den Monogrammzeichen, 16 Tafeln den „kosmisdien
Sinnzeichen", nur 1 Tafel den „trinitarischen Sinnzeichen", dann aber
wieder 28 Tafeln den „Sinnbildern" (worunter „Gotteszeichen",
„Tierzeichen", „Pflanzenzeichen", „gegenständliche Zeichen" und „der
Gekreuzigte" verstanden werden). Hier kommt die theologische Systematik
etwas ins Wanken, und die Beiträge zum „Sinnbild" des „Gekreuzigten
" auf einer einzigen Tafel kann man beim besten Willen
nicht als ausreichend bezeichnen, bzw. man kann sich fragen, warum
sie überhaupt gebracht wurden. Aus reformatorischer Symbolik, deren
es gerade in den ersten Generationen der Reformation weit mehr gibt,
als gemeinhin bekannt, teilt der Abbildungsteil so gut wie keine Beispiele
mit, wie denn auch der Verf. im Textteil meint, daß „die mit der
Reformation aufgekommene Renaissance ein überaus starkes Schmuckbedürfnis
" gehabt und sich deshalb „in der Bildkunst dem Realismus"
zugewendet habe, wodurch diesen Bewegungen für die „Anwendung
von Sinnzeidien im urchristlichen Sinne" praktisch der „Boden entzogen
" worden sei (S. 61). Das stimmt sicher nicht. Das Symbolbewußtsein
hatte sich eben nur in der Gedankenwelt und in der
künstlerischen Ausdrucksweise geändert. Teilweise beruht diese Beurteilung
auf der scharfen Trennung zwischen „Zeichen" und „Bildern",
die der Verf. vornimmt.

Das hängt ohne Zweifel mit den Intentionen des
Werkes zusammen. Es will weder Historie noch Systematik
sein, sondern „Theologie" im praktischen Sinne. Es setzt Normen
und Werte, deren Abgrenzung man vom Vorwurf der Willkür
nicht völlig freisprechen kann. Hier ergeben sich Schwierigkeiten
. Denn eine solche Theologie läßt sich nun einmal nicht
von den historischen Fragen ablösen. Wer nicht geschichtlich begründen
und einwandfrei klären kann, was das Symbol, seine
Funktionen und Differenzierungen sind, wird den Begriff auch
nicht unmißverständlich in die Theologie einführen können. Andererseits
stellt sich sogleich die Frage, ob man einen solchen
durch Setzung, Spekulation, Zufall, Willkür und verschiedenartigen
Sprachgebrauch dermaßen belasteten Begriff, wie es der des
Symbols nun einmal ist, überhaupt noch historisch erhellen und
festlegen kann, ob seine abgenutzte Verwendung nicht vielmehr
dem Zufall überlassen bleibt. Eine Begriffserklärung im Falle
von „Symbol" ist jedenfalls eine so verwickelte Aufgabe geworden
, daß sie in diesem Rahmen und auf diesem Räume unmöglich
geleistet werden kann. R. ahnt das selbst und meint, daß
sein Symbol-Verständnis „nicht allgemein angenommen werden
kann, auch nicht innerhalb der Theologie", und er
sieht, daß die Dinge leicht ausufern (S. 15). Deshalb
zieht er sich auch immer wieder auf die mehr abstrakten
„Sinn z e i c h e n" zurück, die er von den „Sinnbildern"