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Ausgabe:

1967

Spalte:

271-272

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gerleman, Gillis

Titel/Untertitel:

Ruth 1967

Rezensent:

Osswald, Eva

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271

Theologisdie Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 4

272

solche anzuerkennen und ernsthaft zu beachten. Einen schönen
und klaren Durchblick gibt der Aufsatz ,Gottesglaube und Selbstverständnis
Altisraels' S. 54-77. An wissenschaftlichem Ertrag
ist außerdem besonders ergiebig der Osloer Vortrag zur Verkündigung
Hoseas: .Gottes Leidenschaft im Rechtsstreit für Israel'
S. 151-64.

Der Vortrag für Erstimmatrikulanden (1952) ,Der Tag des
Theologen' überrascht in einer Sammlung alttestamentlicher Vorträge
; aber das einem hier in so freundlicher Wärme entgegentretende
Bemühen um den Theologiestudenten als Menschen
scheint mir durchaus dem Verständnis der Bibel zu entsprechen,
das von der rein wissenschaftlichen Fragestellung bis zu diesem
konkreten Ernstnehmen des Menschen reicht.

Das Gleichgewicht ist hier allerdings nicht immer leicht
zu wahren. Zu der Bibelarbeit über Psalm 1 (1949; S. 134—50)
kann man fragen, ob sie nicht einer Idealisierung des Bibelfrommen
nahekommt. Ist der .beglückte Separatismus' (S. 139)
wirklich die so eindeutig zu bejahende Lebensform des Frommen
auch sonst in der Bibel? Ist nicht in dem Aufsatz .Die
Wirklichkeit Gottes' (S. 172—92), wenn hier Ps 1,4 zitiert
wird (S. 179), eine andere Haltung gegenüber dem Gottlosen
gemeint? Dahinter steht die Frage nach der Struktur und Zuordnung
von Ps 1. — Eine weitere Frage habe ich zu einer
Voraussetzung des Vf., die sich in der Auslegung von Ps 1
besonders, aber auch sonst zeigt: Ist es so sicher, daß die in
der christlichen Tradition zweier Jahrtausende entstandenen
Frömmigkeitsformen eindeutig und fraglos in der Linie der alt-
testamentlichen Aussagen liegen? Ich stelle diese Frage mit dem
besonderen Blick auf das Gebet. Müssen wir nicht sehen, daß
Gebet, das im wesentlichen Bitte und Dank ist, etwas anderes
darstellt als das zwischen den weiteren Polen Klage und Lob
sich vollziehende Reden zu Gott? Müßte dann nicht zunächst
einmal offenbleiben, ob die uns überkommenen Frömmigkeitsformen
mit dem übereinstimmen, was das Alte Testament zu
dem zwischen Gott und Mensch Geschehenden sagt?

Mit diesen Fragen aber stimme ich dankbar der Grundhaltung
dieser Vorträge zu, die das Hören auf die Bibel Alten
Testaments vom wissenschaftlichen Fragen bis zum Bejahen
mit der Existenz sich erstrecken läßt und die ein schönes Zeichen
für ein weit reichendes Beachten der Botschaft des Alten Testaments
in unserer Zeit ist.

Heidelberg Claus Westermana

G erlern an, Gillis: Ruth / Das Hohelied. Lfg. 2 u. 3. Neukirchen-
Vluyn: Neukirchener Verlag der Buchhandlung des Erziehungsvereins
1963/1965. S. 41—120; 121—235 gr. 8° = Biblischer Kommentar
, Altes Testament, hrsg. von M. Noth, XVIII, 2 und 3.
DM 7.— u. DM 11.55.

Nach der Erklärung des Büchleins Ruth, die in ThLZ 87,
1962, Sp. 512f. besprochen wurde, legt der Verf. jetzt die Auslegung
des Hohenliedes vor. Daß er seiner Exegese des nur acht
Kapitel umfassenden Textes eine Einleitung von nicht weniger
als 50 Seiten voranstellt, deutet auf die verwickelte Problematik
dieses biblischen Buches hin. Der einleitende Teil beginnt mit
einem Überblick über die Auslegungsgeschichte des Hohenliedes,
wobei sich der Verf. für die ältere Zeit weitgehend an F. Ohly
(Hoheliedstudien, Grundzüge einer Geschichte der Hoheliedauslegung
bis um 1200, 1958) anschließt. Nach den üblichen Erörterungen
über die Stellung in Kanon und Kult folgt der wichtige
Abschnitt über Sprache und literarische Form. Im Gegensatz
zu der seit Herder vertretenen Auffassung des Hohenliedes als
Volksdichtung ist der Verf. der Meinung, daß es sich um eine
hochentwickelte Kunstdichtung handelt, die starke Beziehungen
zur ägyptischen Liebeslyrik aufweist, für die u. a. die Verwendung
von literarischen Travestien, wie sie auch im Hohenlied in
Gestalt der „Königs"- „Hirten"- und „Gärtner"-Travestie begegnen
, charakteristisch ist. Für die literarische Komposition war
nach Ansicht Gerlemans nicht eine zusammenhängende Handlung
, sondern die assoziative Anreihung der Einzeleinheifen
maßgebend. In den Ausführungen über Naturschilderung und
Menschendarstellung versucht der Verf. nachzuweisen, daß die
Beschreibungslieder verständlich werden, wenn man die Menschendarstellung
in der ägyptischen Kunst berücksichtigt. Da
sich, wie in dem Abschnitt Liebe und Schönheit im Alten Testament
gezeigt wird, ähnliche Anschauungen wie im Hohenlied
beim Jahwisten und in den Samuelisbüchern finden, ist mit einer
Entstehung in der Zeit des salomonischen Humanismus zu rechnen
. Nachdem der Verf. die griechische und syrische Übersetzung
des Hohenliedes charakterisiert hat, versucht er, die theologische
Bedeutung herauszustellen. Unter Ablehnung jeder religiös
-mythischen Auffassung vertritt er mit Entschiedenheit eine
profane Interpretation und betrachtet gerade das Fehlen jeder
Vergöttlichung des Sexuellen in Israel als theologisch relevant,
vor allem in Auseinandersetzung mit den Nachbarreligionen.
„Wollte man in Israel von der sexuellen Liebe sprechen, dann nur
in einer Atmosphäre vergeistigter Profanität, wie wir sie im
Hohenlied finden" (S. 84). Auf S. 52 wird von „entmythisierter
Profanität" gesprochen, was passender ist. Mit einem ausführlichen
Literaturverzeichnis schließt der einleitende Teil. Nach
der Auslegung wird abschließend versucht, die Eigenart der Lyrik
des Hohenliedes zu erfassen. Register der Bibelstellen, der
Namen und Sachen sind dankenswerterweise beigefügt.

In der Einzelauslegung, die nach dem im Biblischen Kommentar
üblichen Schema erfolgt, freilich unter Verzicht auf die
Herausarbeitung des Zieles, finden sich viele wertvolle Beobachtungen
. Mit Hilfe der ägyptischen Liebeslyrik, die der Verf. in
reichem Maße heranzieht, wird in der Tat in vielen Fällen ein
besseres Verständnis ermöglicht. Auch der Versuch, Menschendarstellungen
in der ägyptischen Kunst zur Erklärung der Aussagen
in den Beschreibungsliedern (vgl. bes. HL 5, loff.) heranzuziehen
, verdient Beachtung, doch wäre dabei auch Th. Boman,
Das hebräische Denken im Vergleich mit dem Griechischen,
Göttingen 1959°', S. 62ff. zu berücksichtigen. Hervorzuheben
sind ferner die Ausführungen über die Bildersprache des Hohenliedes
(S. 145f.), in der das sinnlich-bildhafte Moment überwiegt
, während sonst im AT gedanklich-didaktische Gesichtspunkte
maßgebend sind.

Fraglich ist, ob sich die Ansicht des Verf.s, es handle sich
bei den Liebenden weder um ein Brautpaar noch um ein Ehepaar
, sondern einfach um zwei Menschen, die einander lieben
(S. 96), halten läßt, schon weil er dadurch genötigt ist, die
wörtliche Bedeutung von „Braut" in 4, 8ff. zu bestreiten

(vgl. S. 15 3ff.). Da in 1,4 wohl doch eine Anspielung an die
Hochzeit vorliegt, dürfte die Auffassung, daß es sich um eine
Sammlung von Hochzeits- und Liebesliedern handelt, wie sie
neuerdings auch wieder von W. Rudolph vertreten worden ist1,
die zutreffendere sein.

Gerleman hat mit dem vorliegenden Kommentar einen
wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis des Hohenliedes geleistet
, für den ihm aufrichtiger Dank gebührt.

') Das Buch Ruth. Das Hohelied. Die Klagelieder = KAT XVIII,
1—3, Gütersloh 1962. Vgl. die Rezension von G. Gerleman in ThLZ
88, 1963, Sp. 829 ff.

jena Eva Oflwald

Bishop, Eric F. F.: Palestiniana in Canticulis (CBQ 29, 1967 S.
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Botterweck, G. Johannes: Israels Errettung im Wunder am
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L'Heureu, Conrad E.: The Biblical Sources of the "Apostrophe to

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Hoßfeld, Paul: Abstammungslehre des Menschen und Schöpfungs-

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Richter, Wolfgang: Die Überlieferungen um Jephtah Ri 10,17—12,6
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