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Ausgabe:

1967

Spalte:

266-267

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bühler, Walther

Titel/Untertitel:

Das bewegliche Osterfest 1967

Rezensent:

Rordorf, Willy

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265

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 4

266

Melzers Buch erscheint in einer Zeit, da man die Bedeutung
der Sprache mehr und mehr erkennt. So kann es auch die Diskussion
um Wesen und Wirklichkeit der Sprache fördern. Es
hat sich ja gezeigt, daß Sprache nicht nur subjektiver Ausdruck
ist, eher eine soziologisch bedingte, vorgegebene und doch je
neu veränderte Übereinkunft des Welt- und Selbstverständnisses
. In der Sprache zeigt sich Wirklichkeit. Für die Gemeinde, die
auf Christi Wort hört, erscheint Christus in der Sprache. Christus
wird selber welthaft, so wahr er in der Botschaft da ist. Er
geht auch in die deutsche Sprache ein. Andererseits kann man
von der philosophischen Diskussion her sagen, daß die unseren
Zeitgeist bestimmende Weltanschauung der Tatsachen auf einem
Irrwege ist. Nicht brufa facta entscheiden, sondern die Sprache.
Dies gilt trotz der gegenwärtigen Inflation der Worte. Tatsachen
ohne Sprache wirken gar nichts, so wenig wie umgekehrt eine weltfremde
Sprache wirkt. Diese entscheidenden neuen philosophischen
und theologischen Erkenntnisse sieht man an Melzers
Buch bestätigt und kann sie an ihm illustrieren.

Wie ist Christus in unsere Sprache eingegangen und wie hat
er in ihr gewirkt? Am Beispiel des Artikels „Danken" sei dieses
und zugleich beispielhaft der übliche Aufbau der Artikel demonstriert
. Unter 1. und 2. wird die gemeinsame Etymologie
von danken und denken geboten. 3.: „Denken": Begriffsbestimmung
nach Hoffmeisters „Wörterbuch philosophischer Begriffe".
4. Denken und Glauben. 5. Descartes „Cogito ergo sum" als
Grundlage modernen Denkens. 6. An etwas denken, Andenken.
Andacht. 7. Dunken und dünken. 8. und 9. Dank: Etymologie
und Danken in der Bibel. 10. Danken im ev. Kirchenlied. 11.
Zur Ethik des Dankens.

Die Artikel sind also in sich klar mit Numerierung gegliedert
. Der Druck ist übersichtlich groß und klein, dazu für die
entscheidenden Stichworte kursiv. Die Artikel beginnen jeweils
mit der Etymologie, wobei sich Vf. besonders auf Grimms
„Deutsches Wörterbuch" und Pokornys „Indogermanisches Wörterbuch
" stützt (von Grimm ist oft noch mehr zitiert, sozusagen
die ganze christliche Bedeutung eines Wortes komprimiert). Melzer
will historisch vorgehen und das breite Spektrum eines Wortes
in seiner Entfaltung von der Wurzel an zeigen. Deshalb folgt
die Verwendung des Wortes in der Bibel, dann in den wichtigsten
Etappen des deutschen Sprachgebrauchs, besonders bei den
Mystikern und im Kirchenlied. Am Schluß werden der heutige
Sprachgebrauch und die Derivate des Wortes erwähnt. Seine Verwendung
in der Bibel wird nur ganz knapp dargestellt, denn diese
Darstellung ist für den Verfasser nur die Grundlage, aber
nicht das Ziel. Deshalb verweist er dauernd auf das „Theologische
Wörterbuch zum NT", auf die neue RGG und andere Wef-
ke. Auch innerhalb seiner eigenen Arbeit verweist Vf. laufend
auf weiterführende Worte, deren Auffindung auch durch das eine
umfangreiche alphabetische Register erleichtert wird. Im allgemeinen
nimmt M. nur die Grundformen eines Wortes auf. So
gehört „Wissen" zu „Weisheit", aber „Gewissen" wird seiner
Bedeutung wegen gesondert besprochen. Auch Adverbien und
sogar Vorsilben (wie „ge-") werden besprochen.

Hier sehen wir das Herz des Verfassers schlagen. Bei der
Besprechung der Worte „Ein als Eins", „Mit", „In - inner",
„Nichts", „Ich" etc wird man an die früheren Arbeiten des Vf.
zur Sprache und zur indischen Weisheit besonders erinnert und
voller Suspekt oder Respekt an seine Bemühungen, uns Kräfte
indischer und deutscher Mystik nahe zu bringen. Der Rezensent
achtet die Meditation, zu der Melzer anleiten will, sehr hoch.
Tatsächlich kann dieses Wörterbuch, wenn man es recht benützt
— nämlich nicht nur zur flüchtigen Kenntnisnahme — statt der
tödlichen multa unserer Zeit ein multum bieten. Letztlich wird
dies freilich nur darin bestehen können, die biblischen Worte in
ihrem Zusammenhang (!) in sich eingehen und wirken zu lassen.
Daß ein Wörterbuch die Gefahr zur weiteren Steigerung der
Oberflächlichkeit in sich birgt, ist nicht zu ändern. Es gibt ja so
viele Wörterbücher, die man für Predigt und Unterricht eigentlich
sämtlich benutzen müßte. Man wird sich je nach Text, Art
der Hörer, der Darbietung usw. mehr auf das eine oder andere
stützen müssen. Von Melzers Wörterbuch her erhält man direkte
Anregungen, wie man ein Wortfeld ausschreiten und so diesen

begrenzten Aspekt der christlichen Botschaft heutigen Menschen
nahebringen kann.

Hier wird die deutsche Sprache — und damit das deutsche
Denken in seiner Geschichte — an der biblischen Sprache geprüft
. Je nach dem Vorurteil könnte man hierbei die Bibel oder
die deutsche Sprache negativ beurteilen. Zum Wort „Seele" z. B.
könnte man einseitig den griechisch-idealistischen Einfluß hervorheben
. Melzer weist wohl auch auf derlei Irrlehren deutscher
Sprache hin, aber er zeigt im allgemeinen nur den positiven
Einfluß der Bibel auf die deutsche Sprache, also zu „Seele" den
Einfluß der biblischen Auffassung der Leib-Seele-Ganzheit. Diese
Art der Darstellung ist begrüßenswert.

Daß mancher Benutzer Worte vermissen wird, ist selbstverständlich
. Daß einige Verfahrensweisen moderner Semantik —
etwa statistische oder informationstheoretische — nicht benutzt
wurden, ist von der Aufgabenstellung her richtig. Melzer erstrebt
ja weder Vollständigkeit noch Darbietung neuer Forschung
. Durchblicke soll geboten werden, Anregungen zu eigener
Betrachtung und besserer Verwendung der deutschen Sprache.
Das Gespräch vor allem mit dem kirchenfremden Menschen kann
viel gewinnen, wenn es an deutsche Worte anknüpft und das
Wort im Wort aufzeigt. So ist Melzers Buch eine für die Praxis
wichtige Anregung- Der Artikel „Beten" ist selber eine gute
Anleitung zum Beten, der Artikel „Kreuz" eine Meditation,
damit man selber das Kreuz auf sich nehme, usw. Aus Worten
wie „Wahrheit" werden nicht die sachlichen, sondern die personhaften
Verwendungen herausgearbeitet; das ist eine Hilfe
für die Apologetik. Der Artikel „Gott" geht auf neue Fragestellungen
ein, wenn er Notwendigkeit und Grenzen anthropozentrischer
Rede aufzeigt. M. bringt Zeugnisse moderner Dichter
(Benn, R. A. Schröder), Ausrufe und Redewendungen mit
„Gott" und bespricht den Begriff „Gott" und seine heutige Auflösung
. Welche Möglichkeit bietet sich nun nach Melzers Meinung
, damit das Wort „Gott" wieder zu seiner Ehre komme?
Die Antwort lautet: Man muß das Wort „Gott" tief und
klangvoll aussprechen!

Wir werden an dieser und an anderen Stellen Einwände
anzumelden haben. Gewiß ist die Art des Sprechens für Predigt
und Unterricht wichtig, aber der Rezensent würde lieber, wenn
es schon sein muß, das Wort „Gott" gar nicht in den Mund
nehmen. Manche Sätze sind naiv, wie S. 99: „Da die Engel von
Geheimnis umwittert sind, haben die Theosophen viel über sie
nachgedacht." — Entscheidendes fehlt, z. B. wird auf den heutigen
Freiheitsbegriff überhaupt nicht eingegangen. So ist — das ist
der wichtigste Einwand — die heutige Sprache zu wenig ernst
genommen. Zu „Opfer" lesen wir z. B. nichts von „Verkehrsopfer
" oder „Todesopfer". Ehe der Traum des Verfassers von
einem ökumenischen Wörterbuch verwirklicht werden kann,
müßte das vorliegende Wörterbuch erst ganz auf die Gegenwart
hin durchgeführt sein.

Mannheim-Rheinau Frank Schnuten haus

B ü h 1 e r , Walther: Das bewegliche Osterfest. Kalenderreform und
Osterdatum als Problem des Rhythmus. Tübingen: Katzmann 1965.
139 S. m. 10 Abb. kl. 8°. Kart. DM 4.80.

Der Verfasser, ein Arzt, nimmt Stellung zum 1963 vom
2. Vatikanischen Konzil gefaßten Beschluß, der den Bestrebungen,
einen immerwährenden Kalender einzuführen, in dem auch das
Osterfest fixiert wäre, positiv gegenübersteht. (N. B.: auch der Reformierte
Weltbund hat sich 1964 in Frankfurt ähnlich geäußert!)-
Er sieht in der in Aussicht genommenen Kalenderreform eine
Schematisicrung des Zeitablaufs (welche allerdings den Forderungen
unserer technisierten und kommerzialisierten Welt entsprechen
würde), während der bestehende Kalender nicht nur
mit dem Geschehen im Kosmos im Zusammenhang steht, sondern
gleichzeitig in seiner Gliederung der Wesensart des Menschen
angepaßt ist.

Dr. Bühler geht vom Wesen des Rhythmus aus, den er als
ein Grundelement der planetarischen Ordnung bezeichnet. In
der bestehenden Zeiteinteilung kommen alle Eigenschaften des
Rhythmus zum Ausdruck: 1. Der Wechsel von Tag und Nacht,
von Arbeits- und Ruhetag verkörpert seine Polarität; 2. der