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Ausgabe:

1967

Spalte:

263-266

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Melzer, Friso

Titel/Untertitel:

Das Wort in den Wörtern 1967

Rezensent:

Schnutenhaus, Frank

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 4

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nischen Jesuiten Daly'° ist man, wie mir scheint, noch nicht viel
weitergekommen als am Anfang des Jahrhunderts. Besser steht
es mit der Klärung der Herkunft des spiritualistischen Kirchenbegriffs
Wyclifs16. Schwedische Anglisten haben sich an das
Studium der sog. Wyclifschen Bibelübersetzung gemacht17. Es ist
sehr zu wünschen, daß sich die Philologen auch dem Problem der
Echtheit der mittelenglischen Schriften Wyclifs wieder zuwenden.
Das kann freilich nur durch Vergleichung mit den authentischen
lateinischen Werken fruchtbar sein. Frühere Versuche in dieser
Richtung haben die bestehenden Zweifel nicht ausräumen
können. Gerne erwähne ich noch zwei unveröffentlichte Dissertationen
: Die eine, von John McCristal O. F. M., untersucht
gründlich die Wyclifsche Frühschrift „De mandatis divinis"18,
die zweite, von Friedrich de Boor, behandelt Wyclifs Schrift „De
Simonia1". Einmal ganz abgesehen von ihren Ergebnissen sind
beide Arbeiten deswegen besonders hervorzuheben, weil sie
m. E. den richtigen Weg zur Förderung der Wyclif-Forschung
einschlagen: die strenge, ins Detail eindringende monographische
Behandlung seiner einzelnen Schriften. Nur auf diesem Wege
der Beschränkung auf einzelne Stücke aus dem umfangreichen
Quellenmaterial wird man dem Ziel einer historischen und
dogmengeschichtlichen Gesamtdarstellung der Theologie Wyclifs
näherkommen. Gerade an solchen Monographien fehlt es aber.
Um auch hier nur drei Beispiele zu nennen: Es fehlt eine Untersuchung
, die, über Loserth hinausführend, Wyclifs Verhältnis
zum Papsttum behandelt. Es fehlt eine Darstellung von Wyclifs
Lehre von der Heiligen Schrift, in der auch die neueren Aufsätze
des belgischen Benediktiners Paul de Vooght20 und des amerikanischen
Jesuiten Michael Hurley21 berücksichtigt werden müßten.

15) The Political Theory of John Wyclif. Chicago 1962.

16) Martin Schmidt: John Wyclifs Kirchenbegriff. Der Christus
humilis Augustins bei Wyclif. Gedenkschrift für Werner Eiert (1955)
72—108.

17) Nach den grundlegenden Arbeiten der englischen Historikerin
Margaret Deanesly: The Lollard Bible, Cambridge 1920, und:
The Significance of the Lollard Bible, 1951, S. L. Fristedt: The
Wycliffe Bible, Part I. The Principal Problems connected with Forshall
and Maddens's Edition. Stockholm Studies in English 4 (19 53); ders.:
The Authorship of the Lollard Bible. Studier i modern spräkvetenskap
19 (1956) 28—41.

1S) A Study of John Wyclifs Treatise De Mandatis Divinis
(Diss. B. Litt.)) Oxford 1958, Ms.

18) Die neue Definition der Simonie bei John Wyclif (Theol.
Diss.) Halle 1964, Ms.

20) Wiclif et la „Scriptum sola". Ephemerides Theologicae
Lovanienses 39 (1963) 50—86.

21) „Scriptura sola". Wyclif and his Critics. Traditio 16 (1960)
275—3 52. Auch auf die (mir noch unbekannte) Arbeit von M. Wendelborn
, Schrift und Vernunft bei Wyclif (Theol. Diss.) Rostock 1964, sei
hingewiesen.

Und selbst die Erforschung der für Wyclif so wichtigen Abendmahlslehre
steht immer noch aus.

Dieser Mangel an zuverlässigen Einzelarbeiten ist die Ursache
dafür, daß die neueren Gesamtdarstellungen Wyclifs so
unbefriedigend ausgefallen sind. Sie halten in vieler Hinsicht den
Vergleich mit den älteren Arbeiten selbst noch von Lechler"'"'
(wenigstens in dogmengeschichtlicher Hinsicht), von Loserth"'',
von Workman und namentlich mit der meisterhaften, kurzen
Darstellung von Loofs im Leitfaden der Dogmengeschichte"4
nicht aus. Die neue kurze Biographie des Oxforder Historikers
McFarlane ist mehr wegen ihrer eigenwilligen Ansichten als
wegen tieferer Einsichten bemerkenswert"''. Dasselbe muß man
leider auch von der jüngst erschienenen Biographie des englischen
Methodisten John Stacey sagen'"", die aus zweiter Hand
schöpft und keine neuen Erkenntnisse vermittelt. Die uneinheitliche
und vielfach unsichere Beurteilung Wyclifs und seiner
Theologie läßt sich auch an neueren Lexikonartikeln ablesen"'.

Wir sind noch weit davon entfernt, "Wyclifs place in
history" bestimmen zu können — wie man sich schon im Jahre
1882 vermaß"8 —, und vielleicht weiter noch, um "Wyclifs
place in theology" sicher zu umreißen. Es bedarf einer Reihe
von sorgfältigen Analysen, bevor weitere Synthesen versucht
werden. Man möchte hoffen, daß die bunte, weit verstreute,
internationale und interkonfessionelle Schar von Historikern
und Theologen, die sich gegenseitig meist nur aus der Literatur
kennen, diesen Mangel erkennt und beseitigt, denn, um zum
Schluß das unverdächtige englische Understatement' des Oxforder
Historikers W. Southern über Wyclif zu zitieren™: "I think, he
deserves much more respect than he has recently been getting."

22) Johann von Wiclif und die Vorgeschichte der Reformation I
(1873).

**) Art. Lollarden RE 3 11 (1902) 615-626, Art. Wiclif und der
Wiclifismus, RE3 21 (1908) 22 5—244.

2i) Friedrich Loofs: Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte,
hrsg. von Kurt Aland, 5. Aufl. II (1953) S. 529—43.

25) s. o. Anm. 11.

2B) John Wyclif and Reform. Philadelphia, Pa. USA, 1964.

27)l Namentlich James Crompton: Art. Wyclif, LThK2 10 (1965)
1277—81.

2S) Miliar Burrows: Wiclif's Place in History, London 1882, 21884;
vgl. auch das letzte Kapitel bei Stacey (s. o. Anm. 26) 151—164:
„Wyclifs proper place".

2B) Western Views of Islam in the Middle Ages, Cambridge,
Mass., USA (1962) 77.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

M e 1 z e r , Friso: Das Wort in den Wörtern. Die deutsche Sprache im
Dienste der Christus-Nachfolge. Ein theo-philologisches Wörterbuch.
Tübingen: Mohr 1965. XVI, 372 S. gr. 8°. DM 28.—, Lw. DM 33.—.

Es sind in der letzten Zeit viele theologische Handbücher
erschienen, teilweise sogar einander ähnliche. Ein Handbuch der
christlichen deutschen Sprache fehlte aber noch. Es ist Friso Mel-
zers Verdienst, uns dieses nun geschenkt zu haben. Von
„Abend" bis „Zukunft" finden wir die christlichen Herzworte
der deutschen Sprache behandelt, in Artikeln von einer halben,
zwei oder auch sechs Seiten Länge. Melzer will keine „Sachwör^
ter", sondern nur „Personenwörter" behandeln, also keine Ausdrücke
, die das Dinghaft-Greifbare oder Einrichtungen oder
Dienste der Kirche bezeichnen. Auch will M. nicht der sprachgeschichtlichen
Forschung dienen. Vielmehr soll der Auswirkung
der Christusbotschaft in der deutschen Sprache nachgegangen
werden, von ihren ersten Begegnungen mit dem Christentum, ja
schon von ihren indogermanischen Wurzeln an bis heute. So sind
die Artikel geschichtlich aufgebaut, wobei besonders das evangelische
Kirchenlied — meist nach dem EKG zitiert — herangezogen
wird. Die Zitierung aus dem EKG zeigt die weniger auf die
Wissenschaft als auf die Praxis zielende Absicht des Verfassers.
Er schreibt im Vorwort (S. IX): „Die evangelische Christenheit
deutscher Sprache soll erkennen, welche Bedeutung die Wörter
haben, in denen ihr Gottes Wort überliefert und anvertraut
worden ist, in denen es verkündigt, gehört und geglaubt wird.
Die Gläubigen sollen besser, klarer und tiefer verstehen, was
die Wörter, die sie gebrauchen, besagen, damit sie wirksam sprechen
und den Suchenden helfen können." So ist dieses Handbuch
in erster Linie zur Vorbereitung für alle Dienste der kirchlichen
Verkündigung gedacht.

Man wird sagen müssen, daß Melzer im großen Ganzen
sein Ziel erreicht hat. Nicht nur Theologen, sondern auch besonders
sprachkundige Verkündiger werden gerne zu seinem Handbuch
greifen, setzt es doch keine griechischen oder hebräischen
Kenntnisse voraus und führt es doch leicht zur wohlverstandenen
Erbauung der Gemeinde. Daß hier Gefahren liegen, mag
schon an dieser Stelle angedeutet sein.