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Ausgabe:

1967

Spalte:

251-254

Autor/Hrsg.:

Strobel, August

Titel/Untertitel:

Das apokalyptische Terminproblem in der sogen. Antrittspredigt Jesu (Lk 4,16-30) 1967

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251

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 4

252

Träger keineswegs als Jude erkennbar. Ein jüdischer Name wird
Simon — in dieser Form — für das Judentum dadurch, daß er
durch Juden gebraucht wird, zunächst um des Anklangs an Simeon
willen. Ähnlich entsprechen für das Judentum der hellenistisch
-römischen Zeit die Namen Jesus und Josua einander
(etymologische Erwägungen könnten dabei eine Rolle spielen);
beide begegnen auch in Ägypten.

Die hebräischen Namen bleiben im alltäglichen Gebrauch
der Diaspora Ägyptens nur in Einzelfällen ohne Endung. Das
letzte ist dagegen gerade in den sog. kanonischen Schriften der
Septuaginta geläufig (selbst ein sich zur Flexion anbietender
Name wie Salomon wird hier m. W. nur zweimal dekliniert); die
Flexion ist hier überwiegend auf gewisse Gruppen von Namen
mit bestimmten Endungen beschränkt. In den Äpokryphen dagegen
setzt sich der Gebrauch der flektierten Namensform weithin
durch. Als indeklinabel sind hier insbesondere zu nennen:
Adam, Abraham, Isaak, Jakob, Joseph (der Stammesvater), Kain,
Phinees.

Offenbar macht sich darin eine Tendenz geltend, die Namen
aus der Geschichte der Väter in der altüberlieferten Form
zu gebrauchen. Philon hält (über die Anfänge der Geschichte Israels
hinaus) mit großer Konsequenz an der unflektierten
Schreibung der biblischen Personennamen, wie er sie in der LXX
vorfand, fest (auch für Namen wie Abimelech usw.); er schreibt
z. B. auch Mariam und Symeon. Demgegenüber ist Moyses die
wenngleich nicht einzige, so doch sozusagen klassische Ausnahme
, die ihrerseits auf die LXX zurückgeht. Ganz im Unterschied
dazu bevorzugt Josephus den Gebrauch der biblischen Personennamen
in gräzisierter Form; er schreibt z. B. Abramos, Israelos
und selbst Adamos und dekliniert wie Salomon so auch Aaron.
Josephus schreibt nicht für jüdische Leser, sondern ausgesprochenermaßen
für gebildete Nichtjuden; er verfaßt überdies nicht religiöse
Schriften, jedenfalls nicht in dem spezifischen Sinn wie
Philon. Dieser hat zumindest auch jüdische Leser im Auge, weithin
sogar zuerst; insbesondere erhalten für ihn die Namen der
heiligen Schriften in ihrer besonderen Form einen besonderen
Klang.

Es können also bei der Behandlung der biblischen Namen
zwei im Ergebnis entgegengesetzte Tendenzen wirksam werden;
entweder soll auch durch die Form dieser Namen die Welt des
Judentums ein Stück mit der hellenistischen Welt verbunden
werden, oder es soll durch sie das Andersartige der jüdischen
Religion angedeutet werden — in der hellenistisch-römischen Zeit
übt ja das Fremde an den orientalischen Religionen offenbar eine
besondere Anziehungskraft aus.

Es ist folgerichtig, daß die Testamente der zwölf Patriarchen
die undeklinierten Formen der altestamentlichen Personennamen
beibehalten bzw. die in der LXX deklinierten flektieren,
ebenso wie die Schrift Joseph und Aseneth, in der die Namen
der Erzväter eine Rolle spielen. Dagegen führt der sog. Aristeas-
brief die Namen der 72 Übersetzer der Tora, wie zu erwarten,
flektiert an; einerseits gibt er sich als das Werk eines Nichtjuden
, andererseist handelt es sich um ihm zeitgenössische Juden,
wenn auch Palästinas. Die Namen dürften übrigens den zur Zeit
der Abfassung der Schrift in Ägypten gebräuchlichen Judennamen
entsprechen, nur werden offensichtlich griechische Namen
ohne jüdisches Äquivalent und vollends ägyptische Namen gemieden
. Der Verfasser wählte ganz überwiegend Namen, deren
semitische Herkunft alsbald sichtbar wird, daneben außer Jason
wenige mit theo- zusammengesetzte Gräzisierungen alttestament-
licher Namen. Das läßt erkennen, daß ihm der spezifische Charakter
dieser Namen als jüdischer (vielleicht auch als biblischer
bzw. gräzisierter biblischer) noch durchaus bewußt ist.

Das apokalyptische Terminproblem in der sogen. Antrittspredigt Jesu (Lk 4,16—30)1

Von August S t r o b e 1, Neuendettelsau

Der Abschnitt Lk 4, 16—30 handelt von der Verkündigung
Jesu in der Synagoge seiner Heimatstadt Nazareth am Beginn
seines Wirkens. Die ungewöhnlich ausführliche Erzählung (ihrer
Form nach eine Personlegende) nimmt bei Lk die Stelle der bedeutsamen
Sätze Mk 1, 14 f. (,Die Zeit ist erfüllt') ein, wobei
im übrigen der Aufriß der Mk-Vorlage im weiteren Zusammenhang
durchaus übernommen ist. Lk hat jedenfalls Mk 6, 1 ff.
vorgezogen und als Gerüst für eine eindrucksvolle Szene benützt
, die den Beginn des Wirkens Jesu, dazu nicht zuletzt dessen
Sendung selbst, in für seine Theologie charakteristischer Weise
beleuchtet (E. Lohse, H. Conzelmann u. a.). Woher freilich die
von Lk verarbeiteten Stoffe stammen, ist in der gegenwärtigen
Forschung unsicher geworden. Man nimmt teils stärker die freie
schöpferische Tätigkeit des Evangelisten an (R. Bultmann), teils
übernommene und stärker gestaltete Überlieferungen (so wohl
E. Haenchen). Einen älteren .Bericht vom Anfang' brachte in
letzter Zeit H. Schürmann ins Gespräch. Ältere Ausleger rechneten
mit einer besonderen judenchristlichen Quelle (B. Weiß,
K. Bornhäuser u. a.). B. Violet versuchte ihre aramäische Sprachgestalt
nachzuweisen, wenn auch mit wenig Erfolg. Sehen wir
recht, erhält das Problem der von Lk in zweifellos typischer
Weise verarbeiteten Überlieferung dadurch eine gewisse Lösung,
daß man der entscheidenden Thematik des von Jesus proklamierten
Frei- bzw.Jobeljahrs nachgeht. Das um so mehr, als im weiteren
Zusammenhang (4, 25) die sachverwandte Vorstellung der
halben Jahrwoche des Unheils anklingt. Der Tatbestand, daß Lk
dem Verkündigungsbeginn Jesu in so ungewöhnlicher Ausführlichkeit
Rechnung trägt, legt überdies den Gedanken nahe, daß
das für ihn typische heilsgeschichtlich-christologische Interesse

J) Kurzfassung des auf dem Evangelischen Theologenkongreß in
Wien (26.—30. Sept. 1966) gehaltenen Sektionsreferats. Eine ausführliche
Darstellung des behandelten Sachverhalts findet sich in der Festschrift
für E. Stauffer zum 65. Geburtstag (ed. G. Stählin).

das chronologisch-geschichtliche Anliegen keineswegs ganz verdrängt
hat (s. Mk 1, 14 f.: ,Die Zeit ist erfüllt').

Zunächst ergibt sich, daß die von Lk beigezogene Quelle
oder Tradition mit der Ausrufung des Jobeljahrs (s. Jes 61, 1 f.
und Lev 25, 10) die Rückkehr Jesu in seine väterliche Heimat
ursächlich verbunden haben dürfte. Lev 25, 10 gebietet die Rückkehr
in die Heimat (patris) bei Anbruch des Freijahrs. Welches
Jahr kann aber in der Tradition des Lk vorgestellt sein?

Da die Jobeljahre nicht wie die Sabbatjahre wirtschaftlich
gehalten wurden, wohl aber liturgisch (Heiligung am 10. Tischri
des Jahres!) und weltchronologisch im Denken der Zeit bedeutsam
waren (vgl. z. B. das Jubiläenbuch), muß man annehmen,
daß jedes 49. Jahr zugleich in Entsprechung zur Sabbatjahrzählung
geführt wurde. Für die in Frage kommenden Jahre des
Wirkens Jesu bleibt allein zu erwägen, ob nicht das indiskutable
Sabbatjahr 26/27 n. Chr. diese Bedingung erfüllt. Die Bestätigung
läßt sich von verschiedenen Seiten her liefern.

Die traditionelle Datierung Esras (nach Esra 7, 8), von dem
an nach gewichtiger jüdischer Tradition die Schemittot gezählt
wurden (so z. B. Maimonides), führt auf Artaxerxes I. (seit
464 v. Chr.). Diese biblische Tradition wird für die neutestament-
liche Zeit durch Josephus (Ant. 15, 1, 2) als gültig erwiesen. Bis
26/27 n. Chr. ergeben sich ca. 490 Jahre, was überdies eine gewisse
Relevanz der Danielischen Wochenchronologie (Dan
9, 24 ff.) anzeigen könnte, die tatsächlich auch sonst belegbar ist.
Die genaue Rechnung für 10 Jobelperioden lautet: 464/63 v. Chr.
= 290/91 a. u. c. + 490 Jahre = 26/27 n. Chr. = 779/80 a. u. c.

Für diese rechnerische Überlegung spricht, daß auch Euseb,
der in seiner Chronik die Jobelperioden secundum
Hebraeos berücksichtigt, dem entfalteten Sachverhalt mit
einem nur minimalen, nicht ins Gewicht fallenden Fehlerbetrag
gerecht wird. Er vermerkt den Anfang einer Jobelperiode zum