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Ausgabe:

1967

Spalte:

249-252

Autor/Hrsg.:

Delling, Gerhard

Titel/Untertitel:

Biblische Namen im ägyptischen Judentum 1967

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 4

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des Menschen gilt. Auch an ein so begründetes Sündenbewußtsein
konnte die biblische Verkündigung anknüpfen.

Die Geisteshaltung des Frommen ist durch Gesetz und
Weisheit sowie durch den prophetischen Glauben an die Erwählung
bestimmt. Sie hat sich auf dem Boden einer Volksgeschichte
entfaltet, die zugleich Menschheitsgeschichte ist. So kommt
Philo in der Lebensbeschreibung des Moses auf dessen Darstellung
des Exodus als der konstitutiven Geschichte Israels als Volk
und als Religion zu sprechen. Zugleich betont Philo die Weltgeltung
der Gesetzgebung. Durch die Septuaginta wurde das alt-
testamentliche Gesetz den Griechen zugänglich gemacht. Philo
will durch seine Erklärung dem theologischen, religionsphilosophischen
und ethischen Verständnis des Alten Testaments dienen
. Der große Historiker des Judentums am Ende des 1. Jahrhunderts
nach Christus ist Flavius Josephus. Er hat in den sogenannten
Antiquitäten auf Grund des Alten Testaments, bzw. der
Septuaginta, die Weltgeschichte des jüdischen Volkes von der
Schöpfung bis auf die eigene Gegenwart geschrieben und damit
das Alte Testament allerdings im wesentlichen mit Beschränkung
auf die geschichtlichen Bücher als Geschichtswerk verstanden
. Er hat damit dem Abendland einen Zugang zum Alten Testament
eröffnet, der für das Verständnis des Alten Testaments
selbst von wesentlicher Bedeutung war, der darüber hinaus das
Christentum als geschichtliche Offenbarung hat begreifen lassen.
Auf diesem Boden konnte sich das einheitliche Geschichtsbewußtsein
der abendländischen Menschheit entfalten und mußten
schließlich auch die Fremdreligionen in ihrer Geschichtlichkeit
gesehen und einer universalen Betrachtungsweise der Geistesgeschichte
der Menschheit eingeordnet werden. Die historische
Verwendung des biblischen Stoffes, die auf die Anfänge der jüdischen
Geschichtschreibung längst vor Josephus zurückgeht, begründete
auch die Ordnung der biblischen Bücher in der Septuaginta
, die sich in den großen Handschriften findet, aber durch
die jüdische Gcschichtschreibung seit langem vorbereitet war. Es

ergab sich somit eine sachliche Anordnung der alttestamentli-
chen Schriften, bei der die geschichtlichen Bücher voranstehen,
denn sie enthalten die Grundlagen der Heilsgeschichte. Die sogenannten
Lehrschriften haben für das hellenistische Judentum
besondere Bedeutung: die Psalmen für den Wort-Gottesdienst,
die Weisheit für die Gestaltung des praktischen Lebens; beide
sind von missionarischer Werbekraft für das Judentum auf dem
Wege zur Universalreligion. Die prophetischen Bücher, die den
dritten Teil bilden, öffnen mit Unheilsdrohung und Heilsverhci-
ßung den Blick in die Zukunft.

Im Zusammenhang der prophetischen Verheißung hat die
Septuaginta den messianischen Gedanken vorbereitet und manchmal
unbewußt hervorgehoben. So entfaltet sich besonders seit
der Makkabäerzeit der Gedanke an das dreifache Amt und der
Glaube an den von Gott selbst berufenen und gesalbten Weltherrscher
. Wie Deuterojesaja den persischen Kaiser Kyrus in
diesem Sinne apostrophierte, so hat Josephus dem römischen
Feldherrn Vespasian die Würde des Weltherrschers verheißen.
So entsteht auf dem Boden der Septuaginta eine politische Theologie
mit der Konkurrenz zwischen dem Papst als Vicarius Christi
und dem Kaiser als Christus Praesens. Zugleich aber erwächst
auf dem Boden der Septuaginta Leidensfrömmigkeit und Auferstehungshoffnung
, das Bild des Gottesknechtes und Gotteskindes
und des Mannes am Kreuz.

Damit gilt ein dreifaches von der Bedeutung der Septuaginta
für die Religion der hellenistischen Welt: 1. Die Septuaginta
bewirkt und vollzieht die Hellenisierung des semitischen Monotheismus
. 2. Die Septuaginta ermöglicht die Umprägung der alt-
testamentlichen Überlieferung zur universalen Religion des hellenistischen
Judentums und 3. gestaltet sie sich unbewußt und
ungewollt zur Präparatio Evangelica. Mit dem allen ist das griechische
Alte Testament für das Abendland Grundlage von Bildung
und Kultur, Religion und Glauben geworden.

Biblische Namen im ägyptischen Judentum
Ein Beitrag zur Frage der Hellenisierung der Diaspora1

Von Gerhard Delling, Halle'Saale

Die akute Frage nach dem frühen hellenistisch-jüdischen Chri- te üblich werdende Namen biblischer bzw. jüdischer Herkunft

stentum weist uns zurück auf die nach dem hellenistischen Ju- oder — in größerem Umfang — durch griechische (und ägypti-

dentum; darüber hinaus gewinnt für das Problem der Helleni- sehe) Namen verdrängt. Entsprechendes gilt für einige selten bc-

sierung des Urchristentums das der Hellenisierung des Juden- gegnendc Namen: Hananja, Ismael, Obadja, Samuel, Jonathas.
tiims der Diaspora paradigmatische Bedeutung. Sagt man heute „. , . , „ ,. . ' „ . ...

r j j. j i" „• • j. i j - __: l-tl_i.i„» Der letzte wird allerdings schon im 3. Jh. v. Chr. abgelost

(mit Grund), auch das palästinische Judentum sei hellenisiert, so,,.. , n , ,,

ic«. j^j. j j c i j i j t> „„. j.^ durch Namen wie Iheodoros, Dorotheos und besonders das

ist doch damit die Frage nach den besonderen Problemen der _ . , , . _ . . _ ,, ...

u„ii • • , , , * rv .i i j. , hautige Dositheos (vgl. Dosithca). Denn diese sind im jüdischen

Hellenisierung des Judentums der Diaspora nicht erledigt. ......v. » r ™ *■■»"_ / r

R Bereich jedenfalls ursprunglich als Äquivalente zu Jonathan bzw.

Wir versuchen, das für ein Randgebiet andeutend zu zei- Mattathias zu verstehen. Die besondere Beliebtheit der Namengen
, die Verwendung biblischer Namen im ägyptischen Juden- gruppe im Judentum der Diaspora ist fraglos zumindest auch
tum (hauptsächlich nach den Papyri). Das ist nur ein Bruchteil von der Aussage her begründet, die diese Namen enthalten; der
der Namen, die hier — anders als in Palästina — von Juden ge fromme Jude kann dabei an den einen Gott schlechthin denken,
braucht werden. Daß Zufälligkeiten in bezug auf das erhaltene Freilich gebrauchen ägyptische Juden gelegentlich auch entspre-
Material eine Rolle spielen, ist nicht zu übersehen; gewisse Li- chende Namen, die eine heidnische Gottheit als Geber nennen,
nien lassen sich gleichwohl erkennen. Die Benutzung theophorer Namen der heidnischen Umwelt ist

Zunächst: etliche Namen, die für historische Personen des m- E- jedoch nicht ohne weiteres als Symptom eine Paganisie-

Alten Testaments belegt sind, begegnen in den Papyri Ägyp- rung der betreffenden jüdischen Familien zu deuten, wohl aber

tens bis etwa 117 n. Chr. nur im 3. bzw. 2. Jh. v. Chr.,'und a,Is Ausdruck der formalen Hellenisierung. Andererseits kann

auch das jeweils nur einmal: so Haggai. Hiskia, Joab, Josia, fer- der Gebrauch jüdischer Namen an sich rein traditionell erfolgen;

ner Abiel. Dclajah, Jair. Jaschub usw. Sie werden kaum um der freillch wird er des öfteren doch auf eine konservativere Hal-

RoIIe willen gebraucht, die ihre Träger im Alten Testament spie- fu»g hinweisen können Dagegen muß man aus dem Gebrauch

len. Vielmehr wirkt in ihrer Verwendung noch die Namentradi- hellenistischer Namen überhaupt nicht auf eine Lockerung des

tion der Vergangenheit nach. Später werden sie durch bestimm- Bandes zur Judischen Religion als solcher schließen.

„ , .. r , , .... r T, , Von den Namen der Erzväter ist Juda in Ägypten bis rund

) oekurzte rassung eines auf dem Wiener hvang. Iheologen- _ *-rt £•• j • r> i_ 1 /• t> ■ j kr

^„„..„u • CiL li. c i c . j ■_ 117 n. Lnr. nur hir drei Personen bc egt (in Rom ist der Name

kongreb im September 1966 gehaltenen Sektionsreferatcs, das im , , , . . .. .. . . ... .s, . .

ganzen einen Aufsatz zusammenfaßte, der unter dem Titel „Biblisch- hernach besonders häufig), Isaak für sieben; wenig seltener fin-

jüdischc Namen im hellenistiscJi-römischen Ägypten" in einem Gedenk- det sich Abraham, weit häufiger Jakob, noch öfter Joseph, am

heft für Johannes Leipoldt im Rahmen des Bulletin de la Societe häufigsten Sim(e)on, und zwar in der Form Simon. Simon ist ein

d'Archcologie copte erscheinen soll. geläufiger griechischer Name; für einen Nichtjuden wurde sein