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Ausgabe:

1967

Spalte:

229-230

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Jacob, Friedrich

Titel/Untertitel:

Geschichte und Welt in Schleiermachers Theologie 1967

Rezensent:

Jacob, Friedrich

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229

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 3

230

sten mit ihrem je besonderen Inhalt treten an die Stelle der einheitlichen
Osterfeier. Ein ähnlicher Vorgang zeigt sich schon im 4. Jh. auch
"n Osten. Dabei spielen für die Aufgliederung des Osterfestinhalts außer
dem in der Reichskirche erwachenden Interesse am historischen Ablauf
der Ereignisse vor allem auch christologische und soteriologische
Motive eine entscheidende Rolle. Kennzeichnend dafür sind etwa die
starke Betonung der Höllenfahrt Christi oder die Erklärung des Him-
•nelfahrtsfestes zum höchsten aller Feste in einigen der herangezogenen
Quellen.

Das abschließende 4. Kapitel „Ostern und Parusie" (S. 287—315)
fragt nach der Parusieerwartung am Passa im Judentum, im Neuen
Testament und bei den Quartodczimanern und verfolgt die Spuren
dieser Parusieerwartung in der späteren Zeit. Solche Spuren sind spärlich
; im allgemeinen tritt in den Osterpredigten an die Stelle der
Parusieerwartung an Ostern die Deduktion der Auferstehungshoffnung
der Christen aus der geschehenen Auferstehung Christi.

Die Arbeit soll in absehbarer Zeit in den Beiheften zur ZNW erscheinen
.

Jacob, Friedrich: Geschichte und Welt in Schleiermachers Theologie.
Diss. Jena 1964. IV, 156 S.. u. Anmerkungsteil.

Die Arbeit versucht, anhand der Frage nach Geschichte und Welt
die Bedeutung des Extra-nos in Schleiermachers Theologie herauszustellen
. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß für Schleiermachers Theologie die
Dialektik von personaler Aneignung und objektiver Wirklichkeit charakteristisch
ist. Durch sie wird Schlciermacher vor der Beschränkung
seiner Theologie auf den einzelnen bewahrt und der Blick für die uns
umgebende Wirklichkeit der Natur, der Geschichte und in gewissem
Sinn auch der Heilsgeschichtc offengehalten.

Dieses Nebeneinander von personalen und objektiven Momenten
wurde zunächst in einem ersten Teil anhand der philosophischen Ethik
dargestellt. Es drückt sich innerhalb der in der philosophischen Ethik
dargestellten allgemeinen Geschichtsauffassung aus in der Wechselbeziehung
von ethischer Form und ethischer Bewegung, Objekt und
Subjekt, allgemein und individuell, Gemeinschaft und einzelnem; von
Welt als Ma terial des Ethischen und Weltgestaltung als dessen Ziel, von
objektivem Geschichtsprozeß und existentialer Geschichtlichkeit.

Der zweite Teil der Arbeit ist dem Geschichtsbegriff innerhalb der
Theologie gewidmet. Er beschäftigt sich zunächst mit der Bedeutung
des geschichtlich Gegebenen für den christlichen Glauben. Dabei wird
dargestellt, wie die dem christlichen Glauben zugeordnete gegenwärtige
geschichtliche Gemeinschaft der Kirche die Selbständigkeit, den Inhalt
und die Wahrheit des christlichen Glaubens garantiert. Dieser Hochschätzung
der Kirche durch Schleiermacher entspricht seine Überzeugung
von der stetigen intensiven und extensiven Höherentwicklung der Kirche
. In dieser Uberzeugung zeigt sich nicht nur der Einfluß kultur-pro-

testantischen Fortschrittsdenkens, sondern auch der Glaube an die sieghafte
Kraft des Evangeliums von Jesus Christus. An zweiter Stelle folgt
dann die Frage nach der Bedeutung der Heilsgeschichte. Hier führt
Schleiermacher gegenüber der traditionellen biblischen Heilsgeschichte
ein von der Christologie bestimmtes Reduktionsverfahren durch, dem
die alttestamentliche Geschichte ganz, die zukünftige Eschatologie teilweise
zum Opfer fällt. Bei der Behandlung der Geschichte Jesu Christi
geht Schleiermacher in vorbildlicher Weise von der Identität des erhöhten
und in der Gemeinde geglaubten Christus mit dem historischen Jesus
aus, obgleich der auch hier im Hintergrund stehende Individualitätsbegriff
nicht erlaubt, die Härte des christologischen Paradoxes durchzuhalten
.

Ein dritter Teil beschäftigt sich schließlich mit der Bedeutung der
Welt für den christlichen Glauben. Er geht von der Religionstheorie in
der Einleitung und der Schöpfungslehre im ersten Teil der Glaubenslehre
aus. Dabei wird die Definition der Religion als schlechthiniges
Abhängigkeitsgefühl von der Schöpfungslehre her interpretiert. Das
schlechthinige Abhängigkeitsgefühl meint zwar nicht eine Abhängigkeit
von der Welt, sondern von Gott als dem Transzendenten, trotzdem
gewinnt es seine inhaltliche Bestimmung durch Schleiermachers Grundüberzeugung
von der Welt als vom Menschen unabhängiger Wirklichkeit
. Die Wurzel dieser Grundüberzeugung ist im Schöpfungsglauben zu
suchen. In diesem Zusammenhang muß dann auch eine Auseinandersetzung
mit Schleiermachers Gottesbegriff erfolgen. Schleiermachers Dialektik
von unabhängig von uns existierender Wirklichkeit und personaler
Aneignung, die noch in der Beziehung der Welt der Dinge zum
schlechthinigen Abhängigkeitsgefühl vorhanden ist, erreicht am Gottesbegriff
ihre Grenze. Hier ist Gott nur noch Beziehung, Woher meiner
Abhängigkeit, aber nicht mehr wirkliches Gegenüber zum Menschen.
Die volle Bedeutung der Welt für den christlichen Glauben zeigt sich
jedoch erst, wenn Welt und Heilsgeschichte zusammengesehen werden;
das bedeutet innerhalb der Glaubenslehre: Die volle Bedeutung der
Welt zeigt sich, wenn die Verbindung zwischen Einleitung und erstem
Teil einerseits und zweitem Teil andererseits ins Blickfeld gerückt
wird. Dabei muß der Zusammenhang zwischen der Theorie vom
schlechthinigen Abhängigkeitsgefühl und den spezifisch christlichen
Teilen der Schleiermacherschen Glaubenslehre von den letzten aus gesucht
werden. Denn Schleiermacher entwirft seine Aussagen über Welt,
schlechthiniges Abhängigkeitsgefühl und Schöpfung vom christlichen
Glauben her, um von ihnen aus wieder zu seinem Ausgangspunkt, dem
christlichen Glauben, zurückzukehren. Er stellt die Einheit beider Bereiche
mit Hilfe des Welt- beziehungsweise Schöpfungsbegriffes her, indem
er die Erlösung als Vollendung der Schöpfung und Christus als
Urbild der vollendeten Menschheit bezeichnet. Diese Verwendung des
Schöpfungsbegriffes verbürgt die Objektivität des Heils. Sie verhindert
die Beschränkung des christlichen Glaubens auf das menschliche Bewußtsein
, indem sie den Glauben in den Zusammenhang der Welt
hineinstellt.

BERICHTE UND MITTEILUNGEN

Spätantike lateinische Übersetzungen christlicher griechischer Literatur la

Griechische Kultur, Philosophie, Theologie, Frömmigkeit, Kunst,
Naturwissenschaft und Technik haben auf die geistige und kulturelle
Entwicklung des Okzidents einen wesentlichen Einfluß gehabt. Eine entscheidende
Vermittlerrolle kam dabei den lateinischen Übersetzungen
oder auch der paraphrasierenden Verwertung griechischer Literatur zu'.

Viel unbedeutender sind dagegen Ausmaß und Wirkung griechischer
Übersetzungen lateinischer Texte auf die griechisch-byzantinische
Kultur'.

Der Höhepunkt der lateinischen Übersetzungstätigkeit lag im
4./5. Jh.; danach ebbte sie, wie überhaupt die Griechischkenntnisse:'

la) Für Hinweise und Anregungen bin ich den Herren Dr. Jürgen
Dummer, Dr. Günter Glockmann und Dr. Franz Paschke zu Dank verpflichtet
.

') Man vergleiche dazu vor allem P. Courcelle, Les lettres
grecques en Occident de Macrobe ä Cassiodore, 2. Aufl. Paris 1948
(dazu vgl. die Besprechung von B. Altaner, Der Einfluß und das Fortleben
der griechischen Literatur im Abendland vom Ende des 4. bis
in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts, Theol. Revue 48, 1952,
41—50); Ch. H. Haskins, Studies in the History of Mediaeval Science,
2. Aufl. Cambridge Mass. 1927, 141 ff.; G. Bardy, Traducteurs et
adaptateurs au quatrieme siecle, Rccherches de Science rel. 30, 1940,
267—306; G. Bardy, La culture grecque dans l'Occident chretien au
IV« siecle. Recherches de Science rel. 29, 1939, 5—58 und die sprachlichen
Untersuchungen: A. Allgeier, Exegetische Beiträge zur Geschichte
des Griechischen vor dem Humanismus, Biblica 24, 1943, 261—288;
Chr. Mohrmann, Les emprunts grecs dans la latinite chretienne,
Vigiliae Christianae 4, 1950, 193—211; B. Bischoff, Das griechische
Element in der abendländischen Bildung des Mittelalters, Byz. Zeitschr.
44, 1951, 27—55.

Neben dem oben genannten Weg über die lateinischen Übersetzungen
ist in späterer Zeit griechisches Gedankengut auch auf dem
Umweg über arabische Literatur im Abendland bekannt geworden.

'-') Die griechischen Übersetzungen lateinischer Literatur hat in
einer sehr instruktiven und materialreichen Form E. Dekkers behandelt
: Les traduetions grecques des ecrits patristiques Iatins, Sacris
Erudiri 5, 1953, 193—233 (hier ist auch ältere Literatur aufgezählt).
Hingewiesen sei auch auf G. Bardy, La Culture latine dans l'Orient
chretien au IVe siecle, Irenikon 14, 1937, 313—338.

3) Das Problem, wie es um die griechischen Sprachkenntnisse im
Okzident bestellt war, ist noch nicht im Zusammenhang untersucht
worden. Nur Einzelbeiträge zu einzelnen Epochen oder einzelnen Persönlichkeiten
liegen vor: H. Steinacker, Die römische Kirche und die
griechischen Sprachkenntnisse des Frühmittelalters, Festschrift für
Theodor Gomperz, Wien 1902, 324—341 und Mitteilungen des Inst,
für Oesterreichische Geschichtsforschung 62, 1954, 28—66: P. Peeters,
Erudits et polyglottes d'autrefois, Academie roy. de Belg., Bull, de la
Classe des Lettres, 5« ser., t. XXI, Bruxelles 1935, 123—144;