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Ausgabe:

1967

Spalte:

226-227

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Haufe, Günter

Titel/Untertitel:

Motive und Motivwandel in der frühchristlichen Paränese 1967

Rezensent:

Haufe, Günter

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 3

226

Psalms aufzeigen. So ergibt sich, daß Ps. B aus zwei Teilen besteht,
die ihr gegenseitiges Spiegelbild sind. Im ersten Teil geht es um Rache
und Neid, um den Verkehr mit anderen, um Zungensünden; 13 der
20 Verszeilen dieses Abschnitts sind negativ. Im zweiten Teil des
Psalms findet man in affirmativen Sätzen folgende Themen in dieser
Reihenfolge: weise Worte Sprechen, der Verkehr, mit anderen, Ablehnen
von Rache und Neid. Einen ähnlichen Aufbau sieht man audi
in Ps. C. Dieser Psalm enthält den interessantesten Teil der Hymne,
nämlich die Vergebung der Sünden kraft der Gerechtigkeit Gottes. In
der ausführlichen Exegese wird eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen
Literatur gegeben.

Der zweite Hauptteil enthält Betrachtungen über die Hymne
(S. 230—361). Kapitel V behandelt die wichtigsten theologischen Begriffe
, die in der Hymne vorkommen. Das Wort sdq(h) hat in den
Rollen nahezu die gleiche Bedeutung wie im Alten Testament. In
Qumran wird die Gerechtigkeit überdies als Prinzip der Schöpfung erwähnt
und als Ursache der Sündenvergebung. Im Verhalten der Menschen
zueinander hat sdq(h) in Qumran selten eine juristische, oft
eine religiöse und ethische Bedeutung. Abweichend vom Alten Testament
wird sdq zu einer Genitivkonstruktion mit einem Substantiv
verbunden, das eine Person bezeichnet; das geschieht aber nur bei der
Umschreibung eines Führers und der Mitglieder der Gemeinschaft von
Qumran (§ 1). § 2 enthält alle Texte des Alten Testaments und der
Qumranliteratur, in denen zwei oder mehr der Worte sdq(h),
mSpt. hsd und mt vorkommen. Der Begriff iz, der das Unfaßbare bezeichnet
, bezieht sich oft auf Gott und seine Taten; er wird aber auch
für die geheimnisvolle Macht der Sünde verwandt. In Qumran ersetzt
tz großenteils das alttcstamentlichc ?sh. Letztgenanntes Wort bedeutet
in Qumran immer Gottes Pläne, seinen Willen, während es im Alten
Testament auch Gottes Werke und Worte bezeichnet. Rswn hat in
Qumran außer seiner alttestamentlichcn Bedeutung auch die Bedeutung
von Gottes Ratschluß oder seinem festgesetzten Plan (so auch eudokia
bei Sirach) (§ 3). Der Begriff „Auserwählte" wird in CD nicht auf die
Mitglieder der Gemeinschaft angewandt, wie es in den anderen Rollen
wiederholt der Fall ist (§ 4). Das „Wunder", (pl), ist schon in den
Apokryphen ein abgeschliffenes Wort. In Qumran wird alles, was mit
Gott in Beziehung steht, auf vage Weise „wunderbar" genannt. Das
Wunderbare neigt zu „übernatürlich" hin (§ 5). Mspt bezeichnet zuweilen
(und zwar in der Schlußhymne) „das gute, richtige Benehmen",
diesen Sinn hat das Wort manchmal im Alten Testament (§ 6). Der Betriff
„Fleisch", (bsr), ist in der Qumranliteratur über das Alte Testament
hinaus fortgebildet worden, nämlich zur Bezeichnung der Sünder
(§ 7). Die Bekehrung ist immer mit dem Eintritt in die Gemeinschaft
verbunden (§ 8). Auffallend häufig sprechen die Rollen darüber, daß
Gott selbst Versöhnung sdiafft: wenn gesagt wird, daß die Gemeinschaft
Versöhnung schafft, dann wird an die kultische Sprache und Gedankenwelt
angeknüpft (§ 9). Die Bezeugungen der Unschuld und die Erwähnung
der Tadellosigkeit müssen keinen absoluten, philosophischen Inhalt
haben, sondern einen praktischen, moralischen, nämlich „unverletzt,
rein, aufrichtig" (§ 10). Der Glaube an eine ewige Seligkeit nach diesem
Leben zeigt sich in überzeugender Weise in den behandelten Qumran-
texten (§ 12). Die Begriffe „Heilige" und „Söhne des Himmels" werden
von vielen Gelehrten auf Engel zu schnell angewendet; damit werden
auch Menschen bezeichnet (§ 13).

In Kapitel VI wird zuerst der Dichter besprochen, der wahrscheinlich
ein maskiyl (als Titel) war. Er gehört mit zu den besten Vertretern
der alttestamentlichen Religion (§ 1). Ein Vergleich der Hymne
mit den übrigen Teilen von 1 QS ergibt Folgendes: In der Hymne ist
der Haß wider den Außenstehenden weniger fanatisch, wird die Versöhnung
immer durch Gott bewirkt, nicht durch den Menschen, übt
Gott selbst Rache und Strafe und werden die Festzeiten mit keinem
Wort erwähnt. Einige Teile von 1 QS I — X, 8 scheinen von dem Dichter
der Hymne in einem etwas anderen Sinn überarbeitet worden zu
sein, als sie ursprünglich geschrieben worden sind. Das Verhältnis der
Schlußhymne zu den Liedern in 1 QH kann folgendermaßen bestimmt
werden: Der Hintergrund ist der gleiche, nur hat die Hymne weniger
gewagte Bilder, weniger dichterische Kraft, jedoch größere theologisdie
Tiefe. Der Dichter der Schlußhymne ist ziemlich introvertiert gerichtet,
während viele Lieder in 1 QH (wahrscheinlich stammt die Sammlung
von mehr als einem Dichter) eine extrovertierte Persönlichkeit verraten.

Der zweite Teil des sechsten Kapitels behandelt die literarischen
Merkmale der Schlußhymne. Ihre Sprache ist nicht so kraftvoll wie die
biblisch-hebräische. Das ergibt sich aus der Anhäufung von Synonymen,
der Verwendung von Pluralen ohne nachweisbare Bedeutung, pleonasti-
sdien Genitivkonstruktionen usw. Mehrmals steht in der Hymne am
Ende der Verszeilen ein Reim; auch begegnet man schönen Alliterationen
. Schließlich wird die große Anzahl Motivworte genannt, die die
einzelnen Psalmen aneinander binden oder die verschiedenen Psalmen
zu einem großen Ganzen zusammenfügen.

In der Zusammenfassung sind die in der Arbeit gezogenen Folgerungen
nach den Themen geordnet: der Wortschatz, die Theologie und
der Unterschied zwischen den einzelnen Schriftrollcn von Qumran.

Greschat, Hans-Jürgen: Kitawala. Ursprung, Ausbreitung und Religion
der Watch Tower Bewegung in Zcntralafrika. Diss. Marburg
1966. 179 S.

In der Arbeit wird Entstehung und Eigenart einer neuen afrikanischen
Religion untersucht. In einem ersten Teil wird dem Ursprung der
Bewegung nachgegangen. Ihr Stifter war Elliott Kenan Kamwana aus
Bandawe am Malawi-See, der in seinen frühen Jahren Ideen des englischen
Missionars Joseph Booth, des südafrikanischen Äthiopismus und
der Russelliten aufgegriffen hatte. Im Dezember 1908 begann er in Tongaland
die neue Lehre zu predigen: das 1914 kommende irdische Gottesreich
, in dem es keine britische Kolonialrcgierung, keine Steuern und
keine Weißen mehr geben würde. Nach 3 Monaten hatte er 10 000 getauft
und in seine Kirche aufgenommen. Er wurde im März 1909 verhaftet
und ging außer Landes. Ohne ihren Gründer verfiel die neue
Kirche schnell bis auf wenige kleine Gruppen. Kamwana durfte 1937
wieder nach Tongaland zurückkehren und gründete die Gemeinschaft
der Bamulonda.

Der zweite Teil beschreibt die Ausbreitung der Bewegung über
Zentralafrika in drei größeren Perioden. Seit 1909 war die neue Lehre
die Religion vieler Wanderarbeiter aus Malawi geworden, die in den
Industriezentren Zambias und Rhodesiens beschäftigt wurden. Erst 1917
wurde sie von solchen Arbeitern, die aus Rhodesien kamen, zu den
Stämmen im Nordosten Zambias gebracht. Seit 1920 wuchs sie schnell
zu einer neo-paganistischen Massenbewegung in Rhodesien, Zambia und
Katanga an. 1925 wurde einer der zahlreichen Wanderprediger der
Watch Tower, Tomo Nyirenda aus dem Norden Malawis, in Zambia
vor Gericht gestellt. Als Mwana Lesa (Sohn Gottes) hatte er „Hexen"
entdeckt und getötet, um das Land für die bevorstehende Parusie Christi
zu reinigen. Als man seit der Mitte der dreißiger Jahre weißen Zeugen
Jehovas erlaubte, in Malawi und Zambia die meist nur durch den
Namen "Watch Tower" mit ihnen verbundenen Gruppen zu leiten,
nahm die Zahl und Bedeutung der afrikanischen Umformung des Rus-
sellschen Chiliasmus schnell ab. Dagegen entwickelte sie sich im Kongo
zu einer politisch-religiösen Geheimsekte, der man besonders die Rebellionen
von 1941 in Manono und von 1944 in Masisi zur Last legte.

Der dritte Teil bringt die Darstellung der Religion der Kitawala.
In ihrer Lehre bedingt die besondere Heilserwartung das Verhalten der
Anhänger. Sie erwarteten, daß Gott ihre Welt verwandeln werde, daß
die weißen Bedrücker von ihm vernichtet oder vertrieben würden und
daß sie danach als oder doch wie Weiße leben könnten. Werkzeuge
Gottes würden die Schwarzen Amerikas sein, von denen man glaubte,
sie hätten alle Dinge der Zivilisation geschaffen. Eine Nebenlinie der
Entwicklung zeigt, wie die Erwartung der neuen Welt individualisiert
wurde: zahlreiche Kitawala hoffen, nach ihrem Tod in Europa als Weiße
wiedergeboren zu werden. Der Lehre entspricht das Verhalten. Neben
„Hexen" und Zauberern wurden die Weißen und ihre Helfer, die
Häuptlinge, angefeindet. Im Kult nimmt die Taufe durch Untertauchen
in fließendem Gewässer, oft „Jordan" genannt, die zentrale Stellung
ein. Vor allem im Kongo wurden daneben auch ältere Zeremonien ausgeübt
. In der Gemeinschaftsform der Kitawala fällt der scharfe Gegensatz
zwischen Gläubigen und Ungläubigen besonders auf. Alle Llnge-
tauften werden gemieden, jede Art der Gemeinschaft mit ihnen ist
streng verboten. Dagegen teilen die Getauften ihren gesamten Besitz
miteinander, einschließlich — so behaupten fast alle Quellen — ihrer
Frauen. Die Organisation ist uneinheitlich, das überall vorhandene Amt
ist das des „Pastors".

Haufe, Günter: Motive und Motivwandel in der frühchristlichen
Paräncse. Habil.-Schrift Leipzig 1964. IX, 43?, 109 S.

Die Arbeit hat sich die Aufgabe gestellt, das von der frühchristlichen
Paränese (bis Tertullian und Clemens von Alexandrien) zum
Zwecke der Begründung und Erläuterung herangezogene Motivmaterial
hinsichtlich seiner jeweiligen Form und Funktion zu untersuchen. Thematisch
wird das aufgearbeitete Material in fünf Motivkreise gegliedert:
den eschatologisdicn, den christologisdien, den ekklesiologischen, den
theologischen und den vulgär-ethisdien Motivkreis. Aus der Fülle der
Beobachtungen und Ergebnisse kann hier nur Weniges angedeutet werden.

1. Die breiteste Entfaltung erfährt der ekklesiologische Motivkreis
(13 Motive). Ihm folgen der eschatologische Motivkreis (9 Motive), der
theologische Motivkreis (6 Motive), der vulgär-ethische Motivkreis
(5 Motive) und der christologische Motivkreis (4 Motive). Der Umfang
der einzelnen Motivkreise erlaubt nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf
deren sachliches Gewicht für die Paränese.

2. Die Entfaltung der einzelnen Motivkreise erfolgt bei den Hauptvertretern
der frühdiristlichen Paränese (älteste Jesus-Tradition, Synoptiker
, Paulus, nachapostolische Schriftsteller, Gnosis, Tertullian, Clemens)
unterschiedlich. Der eschatologische und der ekklesiologische Motivkreis
entfalten sich am stärksten in der nachapostolischen Paränese, der christo-