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1967

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Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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211

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 3

212.

beitrags wenig sinnvoll. Daher sei der folgenden Auswahlbesprechung
der ausdrückliche Hinweis vorausgeschickt, daß
Vollständigkeit nicht erwartet werden darf.

Der umfangreichste Beitrag ist dem Buch von J. Meurers,
Die Frage nach Gott und die Naturwissenschaften, 1962, entnommen
und behandelt die Gottesbeweise, — ein Thema, das
heute auch in der evangelischen Theologie wieder aktuell wird.
M. betont, daß mit den Formulierungen des Vaticanum I und
des Antimodernisteneides, der allerdings bekanntlich den Zusatz
„adeoque demonstrari" macht, nicht „philosophische Beweise in
logisch-diskursivem Schlußverfahren" gemeint sein müssen;
„demonstrare" könne auch „aufweisen" bedeuten. „Es ist deshalb
völlig abwegig, den Gottesbeweisen von vornherein mit
dem Affekt zu begegnen, sie seien heute nichts anderes als eine
dogmatisierte katholische Angelegenheit" (377). Vielmehr müsse
ihr intellektueller Inhalt unbefangen gewürdigt werden. Tatsächlich
ist es möglich, die Frage nach Gott „in das Licht des
Logisch-Diskursiven zu bringen; und das ist ihre Intellektuali-
tät". Sicher ist sie außerdem auch eine Frage des Glaubens,
„schon wegen ihrer unvermeidlichen Verwurzelung im Bereich
der Personalität, aber sie ist das nicht nur" (382). Die Gottesbeweise
stehen also in der Spannung von Intellektualität und
Personalität. Diese Dualität der Gottesfrage hat Kant, der berühmte
„Zermalmer" der Gottesbeweise, durchaus gesehen,
wenn er seinen moralischen Gottesbeweis an die Stelle der
traditionellen setzte. Ob er diese aber so endgültig zermalmt
hat, wie heute allgemein angenommen wird, bezweifelt M. Er
weist darauf hin, daß Kants Argument, die Gottesbeweise vollzögen
eine metabasis eis allo genos, nicht durchschlage. Bereits
Thomas habe gewußt, daß man im deduktiven Fortschreiten
vom Bedingten zum Bedingenden das Unbedingte nie wirklich
erreiche, nur habe er nicht wie Kant an dieser Stelle die Haltung
der Apoche (Denkenthaltung) eingenommen; denn das tue
Kant, wenn er angesichts der Unmöglichkeit, einen schlüssigen
Beweis zu führen, auf eine intellektuelle Entscheidung der Frage
nach der Existenz Gottes verzichtet. „Es ist richtig, daß hier
ein Sprung ist, der Irrtum besteht nur darin, anzunehmen, daß
die Alten, d. h. hier Thomas, das nicht gewußt und bemerkt
hätten, und daß erst Kant kommen mußte, um diesen Sprung
aufzuweisen" (406). Gott, der Unbegreifliche, kann nicht „einfach
am Ende irgendwie gearteter Deduktionen stehen"; „denn
man kann etwas immer nur in der Weise erkennen, in der es
überhaupt erkennbar ist". Die Gottesbeweise „führen alle in
eine irgendwie geartete Offenheit der Wirklichkeit. Das ist ihre
unbestreitbare intellektuelle Leistung", und mehr kann man
billigerweise nicht von ihnen erwarten (407). Man darf nie vei<-
gessen, daß „erst die ganze Lehre von Gott den ganzen Versuch
repräsentiert, auf die Frage nach Gott von der Intellektualität
her eine positive Antwort zu geben" (411). M. versucht zu
zeigen, daß die Denkenthaltung gegenüber den Deduktionen
der Gottesbeweise weittragende philosophische Folgen hat. Sie
impliziert, „daß die Welt nicht begreifbar ist (Nichtschließen
von der Zufälligkeit auf ein Notwendiges), daß die Kontingenz
der Welt trotz ihrer so handgreiflichen Tatsächlichkeit Täuschung
sein kann und daß das Gesetz vom Widerspruch nicht notwendig
auch eine Realgeltung zu haben braucht" (415). „Die
Apoche ist der Ausdruck eines Seinsmißtrauens" (416). „Ohne
Seinsvertrauen aber ist ein Umgang mit der Welt überhaupt
nicht möglich" (417). Daraus ergibt sich, daß philosophische und
auch andere wissenschaftliche Fragen nicht rein intellektuell entschieden
werden können, sondern eines personalen Einsatzes bedürfen
. Es gilt, zwischen Kritik und Seinsvertrauen ein gesundes
Verhältnis herzustellen. Da bei der Gottesfrage „die aus dem
Personalen kommenden Kräfte" besonders engagiert sind, sollte
man, „um der Dualität der Gottesfrage gerecht zu werden,
nicht mehr von den Gottesbeweisen sprechen, sondern von
Denkwegen, die sich von der Wirklichkeit her anbieten, intellektuell
zu Gott gehen" (426). „Das Gedankengut der Gottesbeweise
... ist ein Angebot. Angebote kann man ablehnen"
(429). An dieser Stelle sind nach M. von katholischer Seite
„schwere Fehler gemacht worden" (427). — F. Klostermann,
Von der hörenden zur mitverantwortenden Kirche (Das Konzil
und die Stellung des Laien) fordert, „daß man den mißverständlichen
, ja geradezu kränkend empfundenen Ausdruck .Stand der
Vollkommenheit' abschaffe" (190); denn „es ist gar nicht so,,
wie auch unsere Lehrbücher oft tun, als ob es nur zwei Berufungen
in der Kirche gebe: die zum Priestertum und die zur Nachfolge
Jesu im Rätestand". Auch „das Laiö-Sein und speziell
auch das Weltlaie-Sein" erweist sich „als wahrhaft christliche
Berufung" (111). — B. Schneider, Bemerkungen zur Kritik an
der Kirche, fällt im Blick auf die Reformation das fragwürdige
Pauschalurteil: „Vor allem gehörten die Geistlichen, Mönche
und Nonnen, die die alte Kirche verließen, nicht gerade zu den'
Besten ihres Standes" (153). Hier müßte man wohl doch differenzieren
. — J. Brinktrine, Beiträge zur katholischen und reformatorischen
Lehre vom Worte Gottes, stellt in knappen Strichen
„die katholische und die reformatorische Lehre von der Rechtfertigung
bzw. vom Worte Gottes und vom Glauben einander
gegenüber" (254—256), was sicher für das Gespräch zwischen
den Konfessionen förderlicher ist als Verwischung oder Leugnung
der Linterschiede.

Halle/Saale Erdmann S c h o 11

Bertetto, Domenico: II Magistero mariano di S. S. Paolo VI
nei primi tre anni di Pontificato (Salesianum XXVIII, 1966'
S. 43 5—494).

Bertrams, Wilhelm: Die Einheit von Papst und Bischofskollegium
in der Ausübung der Hirtengewalt durch den Träger des
Petrusamtes (Gregorianum XLVIII, 1967 S. 28—48).

Hirschmann, Johannes B.: Ordensreform im Geist des Konzils.
Die 31. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu (ZdZ 21, 1967"
S. 96—104).

Leeuwen, Peter van: Der Reifungsprozeß des Zweiten Vatikanischen
Konzils in der Lehre über die göttliche Offenbarung und
ihre Weitergabe (Concilium 3, 1967 S. 2—8).

Pellen s, Karl: Die nordamerikanische Denomination — ein eigenständiger
Typ kirchlicher Gemeinschaft (ThQ 146, 1966 S. 473—496).

Rahner, Karl: Vom Dialog in der Kirche (StZ 179, 92 Jg. 1967
S. 81—95)1.

— Kirchliches Lehramt und Theologie nach dem Konzil (StZ 178,
91. Jg. 1966 S. 404—420).

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Schütte, Hans Walter: Lagarde und Fichte. Die verborgenen
spekulativen Voraussetzungen des Christentumsverständnisses Paul
de Lagardes. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn [1965].
144 S, gr. 8°. L.w. DM 12.80.

Das Buch von Schütte gibt mehr als der Titel verspricht.
Grundlage für den Aufweis der Abhängigkeit Lagardes von
Fichte ist eine sorgfältige und ausgewogene Darstellung der Äußerungen
sowohl Lagardes als auch Fichtes über Christentum,
Kirche und Religion. Das ist besonders deswegen wertvoll, weil
hier eine Lagarde wirklich gerecht werdende, ihn weder nach der
einen noch nach der anderen Seite hin verzeichnende Interpretation
bisher nicht vorgelegen hat.

Auch die von Schütte gegebene Erörterung des Verhältnisses
von Lagarde und Fichte geht neue Wege. Zwar hat man die
Parallelen zwischen Lagarde und Fichte schon von jeher bemerkt,
wie auch Lagardes persönliche Fichte-Verehrung bekannt war.
Schütte jedoch unternimmt es nachzuweisen, daß das gesamte
System der Lagardeschen Gedanken über Christentum und Religion
erst von den geschichts- und religionsphilosophischen Ideen
Fichtes her, die Lagarde gewissermaßen zugleich voraussetzt
und verwirft, Zusammenhang und Sinnhaftigkeit empfängt, so
daß aus diesem Grunde Lagardes System in seiner unmittelbaren
Gestalt in Widersprüche auseinanderfällt.

Schütte geht in seiner Beweisführung aus von den Aporien
bei Lagarde. Diese entstehen vor allem daraus, daß Lagarde einerseits
das Recht zum geschichtlichen Urteil auf historische Beobachtung
und historischen Beweis gegründet wissen will, unter
Ablehnung jeder Geschichtsmetaphysik, daß aber andrerseits der
historischen Tatsachenerhebung Lagardes eine Gcschichtsspeku-
lation verborgen vorausliegt, welche die Tatsachenerhebung vor-