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Ausgabe:

1967

Spalte:

210-212

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Theologisches Jahrbuch 1966 1967

Rezensent:

Schott, Erdmann

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209

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 3

210

lenweise zusammengefaßt, durch die Societecalviniste, de France
Paris, Ed. Labor et Fides, 195 5—58) zitiert Schummer im Wortlaut
mit genauer Angabe des Standortes eine Unmenge der einschlägigen
Textstellen. Freilich sind es unter den vielen dann nur
drei, die wirklich entscheidend für die vom Verfasser verfochtene
Grundthese ins Gewicht fallen. Es sind dies einmal die beiden
Abschnitte Inst. IV 14, 20 (S. 286 der genannten Ausgabe) und
Inst. IV 19, 28 (S. 439). Da und dort redet nämlich Calvin von
der Handauflegung bei der Konsekration der Pfarrer und erklärt
: er habe nichts dagegen einzuwenden, diese Einsegnung ein
Sakrament zu nennen, obschon es nicht eines für alle Gläubigen
, sondern eines nur für die Pfarrer sei (S. 14). Der Verfasser
hebt dann freilich auch (S. 3 5) gebührend die Textstclle
(Inst. IV 18,20 S. 416 der genannten Ausgabe) hervor, in der
Calvin unmißverständlich erklärt, es gebe nur zwei Sakramente:
die Taufe und das Abendmahl, aber „nul autre troisieme". Dennoch
legt unser Verfasser die für seine These höchst unbequeme
Textstelle so aus: Taufe und Abendmahl seien hier nur als
e i n allen Gläubigen zukommendes Sakrament gezählt. Das
zweite sei eben, nach Calvin, das der Ordination = Konsekration
, das nur für die Pfarrer bestimmt ist. Calvin unterscheide
eben zwei Stände in der Kirche: das allgemeine Kirchenvolk (zu
dem streng genommen auch die Ältesten, Diakone, ja sogar un-
geweihte Kirchenlehrer gehörten), das nur das Lob- und Dankopfer
für die empfangene Gnade darzubringen habe, und daneben
die besonders erwählte und sakramental konsckrierte,
ordinierte Pfarrerschaft, der allein die Verkündigung des Wortes
Gottes, die Spendung der Sakramente, die Schlüsselgewalt zur
Vergebung oder Behaltung der Sündenschuld sowie Segenserteilungen
zugehörten. Der konsckrierte Pfarrer, und er allein,
verwalte das Amt der Versöhnung, als Abgesandter (ambassa-
deur) und Stellvertreter (representant) Christi in apostolischer
Sukzession und verantwortlicher Vollmacht.

Kommt nun aber ein vom Verfasser s_o verstandener Calvin
mit dieser Auffassung vom Pfarramt und -dienst nicht in eine
bedenkliche Nähe zum römisch-katholischen Ordinationsbegriff,
zu einem Sakramentalismus, dem auch das opus operatum, ja
sogar die Infallibilität nicht ferne liegt? Kommt nicht der Verfasser
in diesen Bannkreis? Er weist freilich öfters — ohne sich
zu distanzieren — auf Calvins scharfe Polemik gegen die römische
Theologie seiner Zeit hin. Er hebt eifrig des Reformators Verbundenheit
mit der alten apostolischen Kirche, mit gewissen
Kirchenvätern, besonders mit Augustin, hervor. Er betont uneingeschränkt
das Sola fide, sola gratia, sola scriptura. Er lehnt
bei aller Zustimmung zu Calvins Auffassung der geistigen Real-
praesenz Christi im Abendmahl jegliche Transsubstantiation der
Elemente und jeden Verdienst- oder Mächtigkeitsgedanken ab.
Die pastorale „Dichotomie" (S. 86), wonach alle Autorität des
Pfarrers nicht in seiner, sogar ja oft kläglichen, erbärmlichen und
immer wieder fchlbaren Person, sondern in seiner Amtsfunktion
begründet ist. bedeutet für den Verfasser „le centre nerveux"
seiner Studie.

Dennoch will es scheinen, als rücke beim Verfasser die
Pneumatologie Calvins in der Ekklesiologie und insbesondere in
seiner Auffassung vom Pfarramt und -dienst nicht deutlich genug
ins Blickfeld. Hier kommt doch alles auf die freie Gnadenwahl
Gottes an. Die Vocatio interna von Gott durch Jesus Christus
im Heiligen Geiste steht dem Reformator vor und über aller Berufung
durch eine Gemeinde, vor und über aller Ordination und
Konsekration mit dem feierlichsten sakramentalen Zeremonial.
Wir haben keine Kunde davon, ob Calvin selber je ordiniert und
konsekriert worden ist. Er war zwar theologischer Lehrer, Pfarrer
, aber doch, streng betrachtet, Jurist, ein Laie. Man kann in
der calvinischen kirchlichen Ämterlehre ebensowenig von einer
Hierarchie unter den einzelnen Pfarrern wie von einer Amtübcr-
und -Unterordnung sprechen. Die Gliederung der besonderen
Dienste, die der pasteurs, docteurs. gouverneurs (anciens) diacres
wird klar unterschieden, doch ohne Uberbetonung der ersteren.
Im Calvinismus gilt die synodal-prcsbyterale Kirchenverfassung,
wobei gerade das Laienelement charakteristisch ist.

Der Verfasser des ..Dritten Sakraments bei Calvin" hat seine
These zu sehr auf die schmale Basis von zwei Textstellen ohne

rechte Berücksichtigung einer dritten, wichtigen, gestellt. Er gibt
(S. 5 3) selber zu, es hätten eigentlich auch die Bibelkommentare
Calvins beigezogen werden müssen, und wir fügen hinzu, auch
andere Werke, und vor allem hätte das Problem in das Licht der
ganzen Lebensarbeit Calvins — in diesen „Sitz im Leben" — gestellt
werden müssen.

Gewiß findet sich darin ausgesprochen, auch in der „Institu-
tio", die ergreifende „Reverentia Ecclesiae", die Calvin so lange
bei der angestammten Kirche verharren ließ, aber dann wandte
er sich der Kirche zu mit dem Evangelium vom königlichen Prie-
stertum aller Gläubigen in- der Gemeinde Jesu Christi.

Eigentümlich ist es aber, wie in der Zeit ökumenischen Strebens
weite Kreise in der römisch-katholischen Kirche eine sehr
inklusive Mitarbeit der Laien gefördert wissen wollen, während
protestantischerseits, sogar bei Reformierten, unter unangebrachter
Berufung auf Calvin, wenn auch mit Ablehnung der Bezeichnung
, die Aufwertung eines recht klerikal amtenden „Klerus
" gefordert wird.

Bern Otto Eridi S t ras s e r

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KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

Theologisches Jahrbuch 1966, hrsg. v. A. Dänhardt. Leipzig: St. Benno-
Verlag 1966. 587 S. gr. 8°.

Das Theologische Jahrbuch 1966 enthält 32 Beiträge von
30 Autoren; J.-A. Jungmann und K. Rahncr sind mit je zwei
Beiträgen vertreten. Die Thematik steht größtenteils im Zeichen
des 2, Vatikanischen Konzils. Fragen der Ekklesiologie und
Ökumene, des Priestertums, des Lehramtes, der Stellung der
Laien und die Behandlung kontroverstheologischer Thesen
stehen im Vordergrund. Polemische Schärfen werden vermieden,
das neue ökumenische Klima ist auf jeder Seite spürbar. Wohl
zum ersten Mal in der Geschichte des Theologischen Jahrbuchs
kommen in ihm auch zwei nichtkatholische Autoren zu Wort:
E. Kinder (evang.) mit „Worum geht es eigentlich in den ökumenischen
Bestrebungen?" (aus der Festgabe für K. Rahner) und
Andreas Scrima (orth.) mit „Das II. Vaticanum in orthodoxer
Sicht" aus: Una Sancta. Es fällt schwer, aus der Fülle des Stoffes
eine Auswahl zu treffen, weil dabei Wichtiges übergangen
werden muß, andererseits ist eine Kurzbesprechung jedes Einzel-