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Ausgabe:

1967

Spalte:

208-210

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Schummer, Leopold

Titel/Untertitel:

Le ministere pastoral dans l'institution chretienne de Calvin à la lumière du troisième sacrament 1967

Rezensent:

Strasser, Otto-Erich

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207

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 3

208

In der zweiten Auflage ist daher Aland einen neuen, interessanten
Weg gegangen: Er geht auf den Originaldruck der
Rörer'schen Hauspostille zurück, die 15 59 mit dem Einverständnis
Rörers von Poach herausgegeben wurde. Sie ist, wie die
Postillen überhaupt, eine Bearbeitung von Nachschriften; von
Nachschriften Rörers, des wichtigsten Predigtnachschreibers
Luthers überhaupt. Auch Poach mußte bereits Rörers stichwortartige
Aufzeichnungen zu einem fortlaufenden Text verbinden.
Alands Verdienst ist es hier, die bisher noch nicht in einer
modernen Ausgabe vorliegende Rörer - Poach'sche Hauspostille
dem heutigen Menschen nahezubringen.

Gewisse Bedenken wären allerdings anzumelden. Zunächst
einmal kann uns eine Postille, die Bearbeitung einer Nachschrift,
den ursprünglichen Luther nicht näherbringen als eine einfache
Nachschrift, falls es natürlich nicht eine von Luther selbst verfaßte
Postille ist. Weiterhin befremdet das völlige Außeracht-
lassen der chronologisch davorliegenden Dietrich'schen Hauspostille
, wie sie in WA 52 dargeboten wird, und der dort aufgezeigten
Problematik der Genesis beider Postillen. Der damalige
Herausgeber von WA 52, der überaus kundige Georg
Buchwald, weist jedenfalls nach, daß Rörer niemals alle Predigten
Luthers in seiner Postille nachgeschrieben haben kann. Seine
Aufzeichnungen über die Hauspredigten sind wohl zumeist Abschriften
anderer Nachschriften, „und wir werden kaum fehlgehen
, wenn wir annehmen, daß diese Nachschriften der Hand
Dietrichs entstammen" (WA 52, XI) — eine indirekte Warnung
vor einer Überschätzung Rörers! Die WA hat also wohl mit
Recht der chronologisch primären Dietrich-Quelle (1544) vor
der sekundären Rörer-Poach-Quelle (1559) den Vorzug gegeben
, zumal Poach, in dem Bestreben, auf Grund der Rörcr-
schen Nachschrift Luthers Predigt möglichst genau wiederzugeben
, gern sogar mehrere Predigten für den gleichen Tag aufnimmt
, unbekümmert, ob sie domi oder publice gehalten wurden
. Der Quellenwert dieser durch Poach überarbeiteten Postille
ist also zumindest noch zweifelhafter, als es der der Postillen —
als Bearbeitung von Nachschriften sozusagen tertiäre Quellen —
ohnehin schon ist. Diese Probleme werden dem Leser vorenthalten
wie auch die Gründe, die die WA seinerzeit gerade zur
Weglassung der jetzt wieder ans Licht gezogenen Rörer - Poach-
schen Postille bewogen hat. Es muß allerdings zugegeben werden
, daß diese Dinge über das Ziel dieser Lutherausgabe hinausgehen
, nicht jedoch eine Information des Lesers über die Gründe
der Bevorzugung dieser Postille vor der Dietrich'schen.

Eine neue, ausführliche Einleitung sowie ein stark erweitertes
Nachwort runden den Band ab. Wie für den Band 6
gilt in Aufmachung, Papier usw. auch hier das oben Gesagte.

Berlin Hans-Ulrich D c 1 i 11 s

Schmidt-Clausing, Fritz, Dr. theol.: Zwingli. Berlin: de Gruy-
ter 1965. 119 S. kl. 8° = Sammlung Göschen, 1219. DM 3.60.
Der Verfasser dieser Monographie hat sich durch mehrere
Veröffentlichungen als guter Kenner von Huldrvch Zwingiis
Schrifttum und Biographie ausgewiesen. Die Untersuchung
„Zwingli als Liturgiker" (1952) ist ein wesentlicher Beitrag zur
Zwingliforschung. Seither sah Schmidt-Clausing seine wissenschaftliche
Aufgabe in der Erforschung der theologischen Begründung
des liturgischen Handelns beim Zürcher Reformator. Wir
hoffen, daß in nicht allzulanger Zeit deren Ergebnisse vorgelegt
werden können.

Der vorliegende Göschen-Band bietet eine stark persönlich
geprägte zusammenfassende Sicht der geistigen und kirchengeschichtlichen
Bedeutung Zwingiis. „Zwingiis eidgenössische Welt
und Umwelt", „Zwingiis Leben" und „Zwingli, der Theologe
des Heiligen Geistes," sind die drei Abschnitte, in welche der
Inhalt gegliedert wird. Ein nützlicher kurzer Überblick der Stationen
der Zwingliforschung gibt Auskunft über den Wandel in der
Interpretation des zwinglischen Denkens. Der biographische Abriß
des zweiten Abschnitts fußt auf der heute maßgebenden
Zwingli-Biographie Oskar Farners (4 Bände, 1943 — 1960), die
das gesamte vorhandene Quellenmaterial umfassend verwendet.
Mit Vorteil wären aber O. Vasellas Studien zu Einzelfragen, die
seither meistens in der Zeitschrift für Schweiz. Kirchengeschichte
erschienen, herangezogen worden.

Mit Interesse wendet sich der Leser dem dritten Abschnitt
zu, in dem die theologische Konzeption Zwingiis entworfen wird.
Der Verfasser sieht deren besonderen Wesenszug in der Pneu-
matologie, in Zwingiis „Auffassung vom Wirken des Heiligen
Geistes". Anknüpfend bei A. E. Burckhardts Dissertation über
„Das Geistproblem bei Huldrvch Zwingli" von 1932 grenzt er
den Zürcher Reformator gegen den Spiritualismus ab. Die gegenwärtige
Forschung hat erkannt, daß Zwingiis Denken nur vom
trinitarischen Dogma her verstanden werden kann. Die einseitige
Hervorhebung der humanistischen Komponente führte zu einer
völligen Verzeichnung in dem Sinne, daß Zwingli als Rationalist
und als Vorläufer der liberalen Theologie verstanden wurde.
Schmidt bietet nun mit seiner starken Akzentuierung der Lehre
vom Heiligen Geist einen wertvollen Beitrag zur sachgemäßen
Interpretation. Die Bezogenheit zwischen Christologie und Pneu-
matologie ist gewahrt; doch „kann man mit gutem Grund behaupten
, daß für Zwingli selbst die Christologie zu einem Teil
der Pneumatologie geworden ist" (S. 8 3). Der Verfasser spricht
daher von einer pneumatischen Christologie, und exemplifiziert
diese These an den Problemen Wort Gottes und Offenbarung,
Schrift und Testament, Kirche, Predigt, Taufe und Abendmahl.
Von daher ist auch die Differenz zwischen Luther und Zwingli zu
sehen.

Zusammenfassend wird festgehalten, daß Zwingli nicht dem
„stoisch-erasmischen Bergpredigt-Humanismus" zuzurechnen, sondern
„paulinisch-johanneischer Theologe der humanistischen Methode
" sei.

Schmidts „Zwingli" bietet dem Leser, welchem der Zürcher
Reformator bis dahin unbekannt war, eine lebendig geschriebene
Einführung. Für weiteres Studium sind am Schlüsse die wichtigsten
Quellen und ausgewählte Literatur angegeben. Der Orientierung
dient ebenfalls die Zeittafel „Luther und Zwingli nach
Lebensdaten", ein Namenregister erleichtert den Überblick. Da
Anmerkungen fehlen, ist für den Zugang ad fontes die Benutzung
von O. Farners Biographie und der Einzeluntersuchungen
notwendig.

Einzelne Druckfehler blieben stehen, z. B. Hundshagen statt Hundeshagen
(6), Granson statt Grandson (10), Schinner statt Schiner (12),
Mühlhausen statt Mülhausen (38). Nicht üblich sind Bezeichnungen
wie „Eidgenössischen Bundesverein" (10), „Kantonisten" (81).

Züridi Rudolf Pf ister

Schummer, Leopold: Le ministerc pastoral dans 1 'Institution chre-
tienne de Calvin ä la lumiere du troisieme sacrement. Wiesbaden:
Steiner 1965. VIII, 108 S. gr. 8° = Veröffentl. d. Instituts für Europäische
Geschichte Mainz, 39. Abt. f. abendländische Religionsgeschichte
, hrsg. v. J. Lortz. DM 16.80; Lw. DM 20.—.

Diese beachtliche Calvin-Studie ist sichtlich aus der Problematik
der ökumenischen Bestrebungen im kirchlichen Leben unserer
Zeit erwachsen. Der Autor greift denn auch eine der Fragen
auf, die im Mittelpunkt dieser Bewegung stehen. Es ist die die
verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften voneinander spaltende
Frage nach der Begründung, der Stiftung ihrer Institutionen,
nach der Berufung vor allem ihrer besonderen Diener. Haben
diese ihre Beglaubigung und Beamtung von oben her, von Gotr
in Christus durch den Heiligen Geist empfangen, oder versehen
sie ihr Amt aus gewiß meist edlen, menschlichen, aber doch innerweltlichen
Beweggründen? Leopold Schummer bewegt die Stellung
des protestantischen bzw. reformierten Pfarrers und seines
Dienstes. Er klagt darüber, daß die Auffassung darüber weithin
nicht mehr mit derjenigen übereinstimme, die der Vater der reformierten
Kirche, Calvin, vom Amt des Pfarrers und seines
Dienstes gehabt habe. Das Buch von Leopold Schummer bietet
darum nicht nur eine historische Darstellung dieses Stückes der
Ekklesiologie Calvins, sondern sie ist gedacht als Aufruf zur
Rückkehr zu der Auffassung dieses Reformators, und die Studie
mündet aus (S. 95f.) nach 11 Thesen in 8 Epithesen mit Vorschlägen
zu solcher Reform.

Welches aber war Calvins Anschauung und Haltung? Der
Verfasser hat zu ihrer Darstellung die Institution Calvins, natürlich
insbesondere das 4. Buch durchgangen. Nach der Neuausgabe
der Institution in französischer Sprache (letzte Fassung 1560, stel-