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Ausgabe:

1967

Spalte:

200-201

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Thunberg, Lars

Titel/Untertitel:

Microcosm and mediator 1967

Rezensent:

Altendorf, Hans-Dietrich

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199

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 3

200

braucht. Zur Zahl der lobenden Erwähnungen des Eusebius ist
noch einiges aus der Literatur der Südslaven des Mittelalters
(z. B., s.: E. Kafzniacki, Werke des Patriarchen von Bulgarien
Euthymius/l 375—1393. Wien 1901, 107) hinzuzufügen. Die als
Zusammenfassung gegebene Studie von G. Chr. Hansen über
den „Prosarhythmus bei den Kirchenhistorikern Sokrates und
Sozomenos" (S. 139) liegt jetzt in Byzantinoslavica 26 (1965)
82—93 gedruckt vor.

Zu einem weiteren Problemkreis gehören vier wichtige Beiträge
. Sich auf zahlreiche Belege berufend, antwortet D. Hadzis
auf die Frage „Was bedeutet .Monodie' in der byzantinischen
Literatur?" (S. 177—185). In einer sorgfältigen und materialreichen
Studie erforscht L. Richter grundlegende „Fragen der
spätgriechisch-byzantinischen Musiktheorie" (S. 187—230). Diese
Studie stellt zweifelsohne einen der wertvollsten Beiträge in der
vorliegenden Sammlung dar. Nennenswert ist auch der Aufsatz
von P. H. Feist „Byzanz und die figurale Kunst der Merowinger-
zeit" (S. 399—411), der einige Probleme der Beziehungen zwischen
Byzanz und Westeuropa im Kunstgebiet erörtert. Zur Geschichte
der post-byzantinischen Epoche gehört die Studie von
R. Dostälovä-Jenistovä (S. 15 3—175) über das Leben und die
Tätigkeit einer rätselhaften Persönlichkeit, Jakob Palaeologus,
geboren um 1520 auf Chios, im J. 158 5 zu Rom als Häretiker
verbrannt. Seine Tätigkeit steht teilweise mit der Geschichte
Böhmens und Mährens im 16. Jahrhundert in Verbindung, so
daß hier ein Nachklang des post-byzantinischen Einflusses unter
den Westslaven zu ersehen ist. Das Problem verdient weitere
Erforschung, mit eventueller Heranziehung neuerer archivalischer
Quellen.

Zu einer letzten Gruppe gehören sechs Beiträge, die sich
auf die geistlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Byzanz
und die Slaven beziehen. Zu allererst ist hier die Studie des bekannten
Prager Slavisten J. Kurz, „Der byzantinoslawische
Hintergrund in der Vita Constantini und der Vita Methodii.
Charakteristik der kyrillomethodianischen Epoche" (S. 121—137)
zu nennen. Der Verf. hebt trefflich die entscheidende Rolle des
byzantinischen Kultureinflusses auf das Leben der orthodoxen
Slaven hervor. Die unter diesem Einfluß entstandene „kirchenslawische
Kultur hob häufig das kulturelle und nationale Bewußtsein
", betont Kurz, und folglich bot „die Verbindung mit Byzanz
der Slawen zweifellos Vorteile". Nach einer Analyse vorwiegend
der sprachlichen Besonderheiten der beiden Vitae
kommt er zu dem Schluß, daß „die beiden Werke ein Dokument
der Zeit darstellen . ., in der der Zusammenhang und die Zusammenarbeit
zwischen dem Westen und dem Osten noch nicht
unterbrochen war, in der sich die Gegensätze noch überwinden
und ausgleichen ließen". Zur Erforschung der sog. Proto-
bulgarischen Inschriften hat uns einen Beitrag V. Besevliev
(„Die volkssprachlichen Elemente in den Redepartien bei Theo-
phanes und in den Akklamationen bei Konstantin Porphyro-
gennetos", S. 141—151) gegeben. In seinem Aufsatz „Zur Frage
des Paulikianismus und Bogomilismus" (S. 323—332) behauptet
M. Loos, daß die von den Paulikianern gepredigte christliche
Doktrin „nichts mit dem Manichäismus zu tun hat", aber im
wesentlichen mit dem Markionismus zusammenhängt. Endlich
sei gestattet, auf drei gründliche Studien auf dem Gebiet der
byzantinisch-russischen kirchlichen und kulturellen Beziehungen
die Aufmerksamkeit zu lenken. Mit ausgezeichneter Sachkenntnis
hat K. Rose die Frage über „Byzanz und die Autonomiebestrebungen
der russischen Kirche in der Zeit vom 10. bis
15. Jahrhundert" (S. 291—317), mit einem Diskussionsbeitrag
von H.-D. Döpmann (S. 317—322), behandelt. Die gut dokumentierte
Studie von F. v. Lilienfeld, „Das Typikon des Neilos
Damilas, ein Zeugnis des gemäßigten ,sinaitischen' Hesychas-
mus" (S. 359—372) ist von Interesse für die Erforscher der altrussischen
Literatur- und Geistesgeschichte, sowie für die Byzan-
tinisten. K. Onasch („Zum Problem der Ästhetik in der altrussischen
Ikonenmalerei", S. 413—427) erörtert eine sehr
interessante, noch nicht genügend erklärte Frage der slavisch-
byzantinischen Kunstgeschichte.

Sofia I^an Dnjiev

Thunberg, Lars: Microcosm and Mediator. The Theological
Anthropology of Maximus the Confessor. Lund: Gleerup; Copcn-
hagen; Munksgaard 1965. XII, 500 S. gr. 8° = Acta Seminarii
Neotestamentici Upsaliensis, XXV. skr. 40.—.

Das theologische Denken des Maximus (gest. 662) ist in den
letzten Jahren wiederholt Gegenstand fruchtbarer Forschung
gewesen, es sei nur an die Arbeiten H. U. v. Balthasars und
P. Sherwoods erinnert, denen sich 1965 gleich zwei weitere
umfangreiche Monographien anreihten, das Buch Völkers1 und
das vorliegende. Thunberg vertieft in ihm eindrucksvoll die Erkenntnis
, Maximus nicht allein und nicht in erster Linie als
Polemiker gegen den Monotheletismus aufzufassen, sondern ihn
als eigenständigen Denker zu begreifen, der sich in seltener
spekulativer Kraft und Gedankenarbeit auf die chalcedonische
Entscheidung besinnt und die aus ihr für die Dogmatik zu
ziehenden Folgerungen durchdenkt. Daß dies in ausgesprochener
oder schweigender Auseinandersetzung mit einer vielfältigen
theologischen und monastischen Tradition geschieht — Origencs,
Gregor von Nyssa, Evagrius, der Areopagife sind zu nennen —
und der Umstand, daß sich in Maximus kritischer Sinn und
scharfe, ja scholastische Dialektik mit mystisch gestimmter
Frömmigkeit verbinden, das macht die Lektüre seiner Schriften
so schwierig, aber auch gewinnbringend. Maximus ist freilich
berühmt, doch dürfte zu dem Ruhm mindestens gleich viel sein
mannhaft ertragenes Schicksal beigetragen haben wie seine
Schriftstellerei, denn wirklich beschäftigt und auseinandergesetzt
haben sich mit ihm immer nur wenige, so der eine Erigena. Bei
den Griechen hat ihm die alle Überlieferung aufnehmende und
zugleich nivellierende kompilatorische Theologie des Damaszeners
den Rang abgelaufen. Auch durch die neuere Forschung
wird Maximus nicht zu einem von den Theologen mehr beachteten
Autor werden, allein daran lag dem Aristokraten und
Mönch wohl auch nichts, der schon seinen zeitgenössischen
Lesern das Verständnis kaum entgegenkommend erleichterte.
Um so mehr ist es den erwähnten Studien zu danken, daß sie
das in ungeordneten Abhandlungen enthaltene und doch gedanklich
geschlossene theologische System zunehmend deutlicher
herausgearbeitet haben. Thunbergs nicht nur äußerlich gewichtiges
Werk setzt diese interpretatorische Arbeit fort, indem ein
zentraler Gedankenkomplex umfassend vergegenwärtigt wird.

Die Anthropologie des Maximus ist unlöslich mit seiner
chalcedonischen Christologie verknüpft: "unity in diversity" ist
hier wie dort das Grundmotiv, das den sich weit verzweigenden
Gedankengebilden zugrunde liegt. In sorgfältigen und umständlichen
Erörterungen werden die konstitutiven Elemente in der
Anthropologie des Maximus ermittelt und herausgestellt, dazu
bis in ihre Verästelungen verfolgt. Kap. I, "The christologica!
background" (21—50) behandelt die chalcedonische Überlieferung
und ihre „neuchalcedonische" Interpretation im 6. Jh. Kap. II.
"The cosmological context" (51—99), ist der Schöpfungslehre
gewidmet. Kap. III, "Maximus' anthropology in general" (100—
178) verhandelt die Konstitution des Menschen, die Einheit von
Körper und Seele, die Trichotomie, die Imago-Auffassung. den
Fall des Menschen und die Lehre vom Menschen als Mikrokosmos
und als „Mittler", insofern sich in ihm der Weltprozeß in nuce
abspiegelt, der von unendlicher Differenzierung zur Einheit führt,
unbeschadet der Integrität des Einzelnen. Im Kap. IV, "Some
elements of Maximus' psychology" (179—243) kommt einmal auf
dem Hintergrund einer reichen Tradition die dem Magiums
eigentümliche Fassung der Trichotomie der Seele zur Sprache, die
bis in die Schriftauslegung hinein von Bedeutung ist, zum anderen
wird die fein durchdachte Psychologie des Willens dargelegt.
Kap. V, "Establishing the microcosm" (244—350', entfaltet
Maxismus' Konzeption von der Desintegration des Menschen und
seiner Re-Integration. „Laster"- und „Tugend"-!.ehre sind hier
vorzüglich dargestellt, wieder mit weitreichenden Exkursen
über die Tradition dieser Lehrstücke, die vor ullem die (pua^Tt'a.-
Auffassung und das Achtlasterschema mit d r korrespondierenden
Tugendreihe behandeln. Kap. VI, "Perforrning the task uf Mediation
" (351 ff.), schließt den Zirkel: iiie Stufen der geistlichen

') W. Völker, Maximus Confessor als Meister geistlichen Lebens,
Wiesbaden 1965. Das Buch konnte von Thunberg nur noch knapp erwähnt
werden.