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Ausgabe:

1967

Spalte:

186-188

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Hebrew Union College Annual, Vol. XXXVI 1967

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 3

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eschatologisch-apokalyptischen Überlieferung. Sehen wir recht,
dann sind die Anfänge dieses Schemas schon mit der essenisch-
zadokitischen Erwartung gegeben, in der gleichfalls die große
Wende und der Zeitenumbruch für die Zeit um 4200 bis 4250
nach der Schöpfung datiert wurde (s. die Belege in RevQumran
1961/62 S. 404 f.). Die Erfüllung sah man damals in den Jahrzehnten
um 70 n. Chr. nahe bevor. Offenbar wurde diese ältere
Form einer Weltchronologie, die davon ausgeht, daß der Messias
zwischen der 84. und 85. Jobelperiode (von 50 Jahren) erscheinen
wird (= zwischen 4200 bis 4250 Ä. M.), im Sinne der Kalenderbedürfnisse
des 4. oder 5. Jhs. modifiziert. Die Zerstörung des
Tempels wurde auf das Jahr 3828 vorverlegt. Die Kalendertheorie
setzt die Dreiteilung der jüdischen Heilsgeschichte in
eine Zeit der Thoralosigkeit, der Thora und des Messiasgesetzes
von je ca. 2000 Jahren voraus (s. bSanh 97b).

Die Entstehung der heutigen christlichen Ära führt F.
üblicherweise zurück auf Dionysius Exiguus, der 525 n. Chr. die
Ostertafel des Cyrill von Alexandrien (gest. 444) fortsetzte
(S. 132 ff.). Es wird dabei aufgezeigt, daß sein Entwurf einen
Fehler enthält, insofern die Geburt Jesu zu spät angesetzt ist.
Man erwartet für diesen Fragenkreis eine etwas tiefergehende
Information, wie auch eine gewisse Ehrenrettung des Dionysius
angebracht ist. F. gibt an anderer Seite (Tafel 107 S. 229) eine
lehrreiche Übersicht über die Väterstandpunkte zum Geburtsjahr
. Aus ihr geht deutlich eine im Laufe der Zeit vollzogene
Verschiebung der Geburt vom 40. Jahr des Augustus (5/4 v. Chr.)
hin zum 43. (2/l v. Chr.) hervor. Schon der Chronograph des
Jahres 3 54 benennt dann als Geburtsjahr das Jahr 754 a. u. c.
(= 1 n. Chr.). Mit dem gleichen Jahr arbeitet Dionysius Exiguus,
wobei er auf älteren, seiner Ansicht nach zweifellos vertrauenswürdigen
Komputationen weiterbaute. F. bemerkt zutreffend:
Following a reckoning which was evidently current in his time,
Dionysius placed these events (sc. Empfängnis und Geburt) in
A. U. C. 754 . . .' (S. 132). Dionysius Exiguus war nach der
bereits jahrhundertelang stabilisierten Kalendertradition der
Kirche, die sich verhältnismäßig gesetzmäßig entwickelte, außerstande
, den eingerissenen Fehler in der Ansetzung der Epoche
(.seit Christi Geburt') zu entdecken, geschweige denn aus der
Welt zu schaffen.

G. Ogg will neuerdings (Vig. Christ 1962 S. 2 ff.) die Rechnung
des Dionysius auf eine nachwirkende Tradition Hippolyts von Rom zurückführen
, übersieht aber, daß sich der Kalendermacher primär nach
den augenblicklichen faktischen Himmelsverhältnissen richten mußte.
Da der Kalender bereits fest strukturiert war, konnte die jeweilige
Neueinstellung nur zu bestimmten günstigen Zeitpunkten stattfinden.
Man sollte vielleicht mit G. Ogg tatsächlich fragen, ob Dionysius als
Erfinder der 5 32jähr. Periode gelten darf. Die Zählung der Jahre 'ab in-
carnatione Domini' war, soweit wir sehen, längst im Schwange und nicht
minder die Verbindung der Geburt mit dem 5500. Jahr der Welt. Vor
allem im Raum der alexandrinischen Kirche hatte Dionysius schon im 4.
und 5.Jahrhundert Vorläufer. Die östliche Überlieferung hat beispielsweise
nie versäumt, auf Anianos (um 400 n. Chr.) als Urheber der
,32jährigen Periode zu verweisen. Wahrscheinlich kommt Dionysius also
nur für das Abendland das Verdienst zu, bahnbrechend gewirkt zu haben
. Mit Gewinn läßt sich für diesen Fragenkreis immer noch H. Geizer
(2 Bde 1880 98) benützen. Man vermißt bei F. seinen Namen in
der meisterhaften Darlegung über die altchristlichen Chronographen (S.
137—187). Erwähnt werden sollte wohl auch A. Schlatter, der die Anfänge
der christlichen Chronographie durch eine Analyse der bei Klemens
von Alex, gebotenen Überlieferung zu erhellen sich bemühte.

Daß die Entwürfe der ältesten christlichen Chronographen
zahlenmäßig mit denen der jüdischen Weltchronologien verflochten
sind, will gesehen sein und sollte betont werden. Es läßt
sich daraus ersehen, daß der frühchristliche Messianismus in
einem solchen des Spätjudentums wurzelt.

Leider muß der Rez. aus Platzmangel darauf verzichten,
auch noch auf die bei F. ausgiebig verhandelten Einzelprobleme
der Chronologie des Alten und besonders des Neuen Testamentes
einzugehen. Grundsätzlich gilt, daß der historische Wert der
Überlieferung überschätzt wird, was z. B. deutlich hervortritt in
der Darstellung der chronologischen Fragen der Geburtsgeschichten
. So mag man dieses Handbuch begrüßen und ihm doch zugleich
kritisch gegenüberstehen. Seine eigentliche Zielsetzung hat
der Vf. selbst formuliert und man wird ihm angesichts der Klarheit
und der Übersichtlichkeit seines Bemühens die Anerkennung

nicht verweigern: 'Here then is a Handbook prepared with the
hope that it will be useful to those who concern themselves
with the framework in time in which the events of Bible
history are set' (S. VI).

Über Einzelprobleme der bei F. erarbeiteten Chronologie des NTs
veröffentlicht der Rez. eine eigene weitere Studie im Jahrbuch für Li-
turgik und Hymnologie Bd. 11, 1966.

Neuendettelsau A. Strobel

ALTES TESTAMENT

H e b r e w Union College Annual. Ed. by E. L. Epstein. Vol. XXXVI.
Cincinnati: Hebrew Union College — Jewish Institute of Religion
1965. V, 279 S., 12 S. hebr., 3 Taf., 32 S. Index zu I-XXXV
gr. 8°.

Der erste Beitrag ist von Julian Morgenstern über Isaiah
49—55 (S. 1—3 5) geschrieben. Die sorgfältige Analyse der
Kapitel, die gewöhnlich zum Deuterojesaja gerechnet werden,
führt den Verfasser zu dem Ergebnis, daß diese Kapitel in die
Zeit zwischen 520 und 400 v. Chr. angesetzt werden müssen.
Sie zeigen starke Verwandtschaft mit Jesaja 56—66. Es handelt
sich in den Kapiteln von 49—66 um ein post-deuterojesa-
janisches Werk, an dem mehrere prophetische Sprecher oder
Schreiber beteiligt gewesen sind. Zu Deuterojesaja gehören nur
die Kapitel 40—48. — In dem zweiten Beitrag setzt H. M.
Orlinsky seine Septuagintasfudien zum Buch Hiob fort (Studies
in the Septuagint of the Book of Job, S. 37—47). Diese Studien
begannen im Band XXVIII und werden jetzt mit Kapitel VB
fortgesetzt, in dem das Problem des Kethib und des Quere im
Licht der LXX-Übersetzung des Buches Hiob behandelt wird. —
Auch der nächste Beitrag von M. Tsevat ist eine Fortsetzung der
in Band XXXII, XXXIII, XXXIV begonnenen Studien zum Buch
Samuel. Diese vorliegende vierte Studie (S. 49—5 8) behandelt
speziell das Problem der Bezeichnung „Yahweh Seba'ot". Er
verbindet das Vorkommen der Bezeichnung YS mit dem Vorkommen
im Amosbuch, das er gleichzeitig mit den älteren
Teilen des Samuelbuches ansetzt. Der grammatischen Auffassung
dieser Bezeichnung wird sorgfältig nachgegangen mit dem Ergebnis
, daß sie übersetzt werden muß: „YAHWE, (the) SEBAOT"
oder „YAHWE (is) SEBAOT", also als Apposition oder als
Nominalsatz. Zur Stärkung seiner Auffassung verweist der Verfasser
auf 2. Kön. 13, 14 und Num 10, 36, an welchen Stellen
er die appositionelle Auffassung gebraucht. Der so aufgefaßte
Name weist in frühe Zeit zurück, in der Israel noch mit Krieg
und Landeroberung befaßt war. Im Zeitalter der Propheten,
als Silo verwüstet war, setzt eine Umbildung dieser Namensauffassung
ein im Sinn einer Machtaussage von Jahwe, einer
Macht, die er gegen die Völker, gegen Israel und auch gegen
die Propheten selbst wendet. - M. A. Cohen, The Role of the
Shilonite Priesthood in the United Monarchy of Ancient Israel
(S. 59—98). Die sehr interessanten, freilich auch sehr hypothetischen
Ausführungen rekonstruieren die Vorgänge um die
Königskürung Sauls und das Zerwürfnis mit Samuel dergestalt,
daß die silonitische Priesterschaft, zu der Samuel gehörte als
Seher- und Orakelpriester, im Einvernehmen mit den Ältesten
Israels als den Stammeshäuptern den König aus dem kleinsten
Stamm Benjamin nehmen ließ, wobei wahrscheinlich das Haus
Joseph als der stärkste Stamm im Hintergrund stand, ohne selbst
durch Übernahme der Führerrolle Verdacht erregen zu wollen.
Nach dem Bruch mit Samuel wird Saul durch die silonitische
Priesterschaft nicht gleich beseitigt, da das außenpolitische
Konsequenzen von Seiten der angriffslustigen Philister hätte
nach sich ziehen können. Saul wird stattdessen in eine Palast-
rebellion verwickelt durch David und den eigenen Sohn Jonathan
. Ehe diese Palastrebellion zum völligen Erfolge führen
konnte, wird Saul das Opfer des erneuten Angriffs der Philister.
Interessant sind die Ausführungen über Davids Innen- und
Religionspolitik, in denen der Verfasser zeigt, wie David deutlich
die Innenpolitik Sauls weiterführt, indem er auch die silonitische
Priesterschaft bewußt unterdrückt, neben Abjathar tritt
Zadok. Abjathars Verbannung unter Salomo geschieht zugunsten
Salomos, nicht zugunsten Zadoks, der als Priester vom
König bestellt worden ist, wie Bentzen behauptet hatte (ZAW
51, 1933, 175), sondern Salomo muß in den Männern Joab und