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Ausgabe:

1966

Spalte:

132-133

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Moving frontiers 1966

Rezensent:

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 2

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zu einem späteren Zeitpunkt sein Gewicht bekommen kann. Das ist
vom Schluß des Matthäuskommentars an ein gerader und konsequenter
Weg. Er ist orientiert am Begriff der promissio, der mit wachsender
Bestimmtheit entfaltet wird. Hier wird die theologische Auseinandersetzung
mit Melanchthon einsetzen müssen, wie sich damit auch ein
Maßstab ergeben hat, an dem seine spätere Arbeit zu messen sein wird."
(S. 287)

Solcher vom Verfasser selbst gezogenen Summe soll nichts
anderes hinzugefügt werden als der Dank für diesen reichen, wenn
auch nicht leicht zugänglichen Forschungsbeitrag, ein Dank, der
sich wohl kaum für diejenigen abschwächt, die andere theologische
Positionen beziehen als Ernst Bizer.

Daß zwei Mitarbeiter des Verfassers, und zwar Susi Hausammann
und Joachim Mehlhausen, aufschlußreiches Material zur
Zwickauer Handschrift der Matthäusvorlesung Melanchthons, zum
Fuldaer Kodex mit Melanchthons Römer- und Korintherkommen-
tar und zum Breslauer Römerbriefmanuskript beigesteuert haben,
sei abschließend ebenfalls dankbar vermerkt.

Berlin Joachim Rogge

KIRCHEN- VND KONFESSIONSKUNDE

Maugendre, L.-A., Dr.: La renaissance catholique. Au debut du
XXe siecle, I u.U. Paris: Beauchesne [1963/64]. 416 u. XVII, 294 S.,
11 Abb. i. Text u. auf Taf. gr. 8°. Fr. 25.—. u. 27.—.

M.s Werk schließt eine Lücke in unserer Kenntnis des
Renouveau catholique, indem es zwei wenig beachtete Männer
ans Licht zieht: Georges Dumesnil (1855—1916) und Josef Lotte
(1875—1914). Ein dritter Band über Eusebe de Bremond d'Ars
(1888—1958) ist angekündigt.

Dumesnil, seit 1 897 Professor für Pädagogik und Philosophie
an der Universität Grenoble, gründete nach seiner Konversion
(vom Atheismus zum katholischen Glauben seiner Kindheit) die
Zeitschrift L'Amitie de France, Journal de philosophie, d'art et
de politique, die er von 1907 bis zu seinem Tode hauptverantwortlich
herausgab. Bezeichnend für seine zugleich romantisierende
und kämpferische Natur ist der Wehrturm auf dem Umschlag mit
der Aufschrift: Dex aie (- Dieu aide), dem Kriegsruf der Wikinger
, denen er sich als geborener Nordfranzose verbunden fühlte.
Fast gleichzeitig, 1906, hatte der frühreife vierzehnjährige
Guillaumc de Bremond d'Ars das royalistische Blatt La Plumc
politique et literaire mit der Devise: Pro rege! Pro Gallia! gegründet
, das nach Guillaumes frühem Tode (1908) sein älterer
Bruder Eusebe weiterführte. In der Rückkehr „zum Katholizismus
und zur Monarchie" liegt für ihn die Rettung Frankreichs
(S. 164). Zu seinen Mitarbeitern zählten u. a. die beiden Brüder
Valery-Radot, besonders Robert, die La Plume unter Zurückdrängung
der Politik allmählich zu einer hauptsächlich literarischen
Zeitschrift machten. Da Robert Vallery-Radot außerdem 1911
engster Mitarbeiter Dumesnils wurde, kamen diese beiden Männer
überein, 1912 eine neue literarische Zeitschrift zu gründen: Les
Cahiers de „L'Amitie de France", in welcher La Plume aufging.
Außerdem hatte Dumesnil einen wesentlichen Anteil an der Vorbereitung
und Propagierung der von Lotte 1910 gegründeten
Zeitschrift Le Bulletin des Professeurs catholiques de l'Universite.
All diesen Blättern war freilich nur ein kurzes Leben beschieden.
L'Amitie de France und Le Bulletin stellten nach dem Tode ihrer
Begründer (1916 bzw. 1914) ihr Erscheinen ein, Les Cahiers bereits
nach dem Kriegsausbruch 1914. Gleichwohl wäre es ungerecht
, die Wirkung, die von ihnen ausging, zu vergessen.

M. versteht es, den umfangreichen Stoff übersichtlich zu
gliedern und anschaulich darzustellen. Der erste Band bietet zunächst
eine Biographie Dumesnils (S. 15—116) und dann eine
Geschichte seiner Zeitschrift L'Amitie de France mit den eben
skizzierten mannigfachen Beziehungen zu anderen Zeitschriften
(S. 116-334). Den Abschluß bilden 21 „Documents" (S. 335-
375), eine Bibliographie (S. 377—408) und ein Index nominum
(S. 409-413). Der zweite Band behandelt Leben und Werk Joseph
Lottes in einer geschlossenen Darstellung (S. 7—73) mit anschliessender
Bibliographie (S. 74-76) und gibt dann 47 ausgewählte
Texte (S. 79—286), denen der Index nominum folgt. Dumesnil
und Lotte gleichen sich darin, daß sie, wie viele ihrerer Zeitgenossen
, nach einer gut katholischen Kindheit als junge Männer

unter dem Eindruck einer fortschrittsgläubigen Wissenschaft und
Politik Atheisten wurden, später aber zur katholischen Kirche
zurückkehrten, weil sie in ihr den Hort für ihr persönliches Leben
und für ihr Land, Frankreich, fanden. Sie propagierten ihren
wiedergefundenen katholischen Glauben unter den Intellektuellen
Frankreichs nicht ohne Erfolg und betrachteten sich damit als
Kampfgefährten der „drei Großen": Claudel, Jammes und Peguy
(1. Bd. S. 234). Dumesnil betonte viel stärker als Lotte, mit dem
er in Briefwechsel stand, ohne ihn aber je gesehen zu haben, die
philosophische Grundlegung des Glaubens. Im Gegensatz zu Kant,
dem deutschen Idealismus und Comte stützte er sich auf die Linie
Augustinus — Des Cartes — Maine de Biran (S. 18 8). M. kritisiert
an ihm eine doktrinäre Enge, die es ihm unmöglich machte, Berg-
son, zu dem Lotte und viele andere Männer des Renouveau
catholique sich bekannten, anzuerkennen. Dumesnil war überzeugter
„Conceptualist" (S. 136) und hielt mit seinem Urteil über
abweichende Meinungen nicht zurück. Seine Freundschaft mit dem
,,Bcrgsonisten" Lotte wurde dadurch zwar nicht getrübt, aber
seine Mitarbeit an „Le Bulletin . . ." war gehemmt.

Auffallend für den deutschen Leser ist, wie völlig außerhalb
des Gesichtsfeldes dieser Männer die Reformatoren und die
evangelische Kirche liegen. Luther und Calvin sind im Index
überhaupt nicht verzeichnet, auch bei der Lektüre fand ich außer
der unten zitierten keine Stelle, in der sie erwähnt werden. Nur
der „Lutheraner" Nietzsche wird einmal zusammen mit Kant,
Fichte, Hegel und Wagner als Vertreter der perversen deutschen
Philosophie (im Krieg geschrieben!) von Dumesnil verurteilt
(S. 321). Über den Protestantismus steht in einem Brief Dumesnils
vom 22. Mai 1913 folgender bezeichnender Satz: „Ich verabscheue
den Protestantismus, er stinkt mir sogar in die Nase
(in Frankreich) viel mehr als der Atheismus — in Frankreich —
und vielleicht sogar überhaupt. Aber ich verabscheue keinen
Protestanten, und ich kenne sogar welche, die ich sehr zärtlich
liebe" (S. 304). Dumesnil kannte Deutschland übrigens durch eine
Studienreise, die er in den Jahren 18 82—84 unternahm, um das
deutsche Bildungswesen kennen zu lernen. Er entdeckte dabei
„drei Deutschland: das Elsaß und das Rheinland zunächst, entscheidend
gekennzeichnet durch die „presence latine"; dann da?
„sächsische" und „teutonische" Deutschland, das von Melanchthon
und Luther, von Vischer und Albrecht Dürer, von Bach und
Wagner; endlich das von München, Leipzig, Berlin, in den Ebenen
gelegen, industriell, monumental, am nötigsten zu studieren, weil
es die anderen regiert..." (S. 53 f).

Konflikte mit dem kirchlichen Lehramt blieben bei diesen
Eiferern für ein katholisches Frankreich nicht aus. Als Bergson am
3. 6. 1914 indiziert und Peguy verdächtigt wurde, war Lotte tief
beunruhigt (Bd. 2 S. 43).Audi Robert Vallery-Radot mußte nach
einem Vortrag, den er gehalten hatte, eine Maßregelung hinnehmen
, die M. in seinem Bericht vorsichtig, aber deutlich kritisiert
: „Warum mußte der Redner einige Tage später in das erzbischöfliche
Palais von Paris geladen werden als ein Häretiker,
gegen den man den Blitz der Verdammung in Gegenwart des
ganzen Kapitels schleuderte?" (l. Bd. S. 223). Man wüßte gern
mehr über die Gründe und Hintergründe der hier erwähnten
kirchenamtlichen Maßnahme. Aber M., der die kirchliche Druckerlaubnis
hat, wird sich hier Zurückhaltung auferlegen müssen. Er
scheut sich jedoch nicht, die von ihm behandelten Männer gegcn
ungerechte und herabsetzende Kritik entschieden in Schutz zu
nehmen (z. B. 1. Bd. S. 234 f). — Lotte fiel als Kriegsfreiwillige
Dezember 1914, seinen Einsatz für ein katholisches Frankreich mi*
dem Tode besiegelnd.

Halle/Saale Erdmann Schott

Meyer, Carl S. [Ed.]: Moving Frontiers. Readings in the History 0»
the Lutheran Church — Missouri Synod. St. Louis: Concordia Pub'
lishing House [1964]. XII, 500 S„ 5 Ktn. gr. 8°. Lw. $ 8.50.

Das von C. S. Meyer herausgegebene Gemeinschaftswerk ver-
folgt zunächst eine pädagogische Absicht. Studenten sollen Dil*
der Geschichte und dem Wesen der Lutherischen Kirche Amerikas
in Gestalt der Missouri-Synode bekannt gemacht, Pfarrer dieser
Kirche sollen besser mit der Geschichte ihrer Kirche vertraut
werden. Jeder Europäer, der diese traditionsbewußte, missionarisch