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1966

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Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 2

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obgleich er immer wieder das Mißverständnis abweisen muß, das
Unterscheidende von Macht, Weisheit und Güte käme jeweils nur
einer göttlichen Person zu. Er übernahm trotzdem diese Überlegungen
und nahm sogar Abälard vor allen Verdächtigungen in
Schutz, weil er damit die göttliche Substanz in den drei Seinsweisen
betrachten lernte. Obgleich Gott als der eine und einzige
Herr nach außen wirkt, so läßt doch das Schöpfungswerk die
Potenzierte Dynamik Gottes erkennen. Durch die Betrachtung der
Macht, Weisheit und Güte Gottes lernt der Glaube die göttliche
Substanz als erfüllte, potenziere Wirklichkeit erkennen. Dieses
Wissen ist sozusagen ein Schritt hin auf das eigentliche Geheimnis
Gottes als des einen und dreimal verschiedenen Gottes.

Dieses Wissen setzte der Theologe im folgenden Kapitel ein,
'n dem er über die eigentlichen personalen Unterschiede in Gott
handelt. Die Differenz der personalen Seinsweisen in Gott (Vater,
Sohn und Heiliger Geist) rührt von den personalen Eigentümlichkeiten
her. Die Proprietäten sind das Unterscheidende der göttlichen
Personen und zugleich das Einende. Sie konstituieren die
Personalen Seinsweisen als dreicine Weise der göttlichen Substanz
. Die Proprietäten sind die Eigentlichkeit und Wirklichkeit
der göttlichen Substanz (140—144) und als solche konstitutiv für
die göttlichen Personen (144—152). Dieses Geheimnis der drei-
Personalen Seinsweisen und der einen göttlichen Substanz konnte
niit den Kategorien und Begriffen der platonischen Formlehre
nicht erhellt werden, da dieses Denken zwangsläufig der Gefahr
unterlag, die Gottheit (deitas) im Sinne einer Wesensform von
den göttlichen Personen abzulösen. Die Auseinandersetzungen
um Gilberts Trinitätslehre, die auch Robert beanspruchten, haben
diese Gefahr sehr deutlich gemacht.

Für eine metaphysische Analyse der dreieinigen Scinsweisen
der Substanz war die Zeit noch nicht reif. Sie war Aufgabe des
Trecento. Welcher Weg in der Trinitätstheologie blieb den
Gottesgelchrten des 12. Jahrhunderts offen? Was war ihnen aufgegeben
? l.Die Kritik an der Formphilosophie, 2. die Anstrengungen
um die reine, gültige theologische Sprache und 3. die Bemühungen
um die Appropriationen. Zu dieser dreifachen Aufgabe
bat Robert Wesentliches beigetragen.

4. Den Ausführungen über Gott den einen und dreieinen
'ügte Robert „einen ausführlichen Traktat De Dco uno an"
(S. 2oo). In diesem neuen Hauptstück handelte er über Gottes
Allmacht, Weisheit und guten Willen. Der trinitarische Temar
dient in dieser neuen Betrachtung der Erhellung des Schaffens und
Wirkens Gottes in der Welt. Eine theologische Inkonsequenz wird
^an im unterschiedlichen Einsatz des Tcrnars umso weniger sehen
dürfen, als dieser von Haus aus das Unterscheidende (der drei-
Personalen Seinsweisen) im Gemeinsamen anspricht. In dieser
Bedeutung eignet er sich vorzüglich, auch das dem dreipersön-
Jiehen Gott gemeinsame Wirken in der Welt zu verdeutlichen.

trinitarische Deutckraft des Ternars wird in dieser Betrachtung
2war nicht ausdrücklich und artikuliert in Anspruch ge-
n°mmen; sie wird aber auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Sie
lst also doch latent mitgegeben.

u Das neue Thema führt die Trinintätsspekulationen in der
rjr'se fort, daß es den dreieinen Gott in seinem als Herrn und
Schöpfer der Welt offenbaren Wesen und Verhalten betrachtet.
Diese Betrachtung kommt aber zu keiner ,,AttributcnIehre" im

mne der späteren Lehre von den göttlichen Eigenschaften, son-
^rn erfaßt Gott in seinem Wirken nach außen: in seiner Macht,
Weisheit und in seinem guten Wollen. In dieser Betrachtung ver-

"ehtet, konkretisiert sich die menschliche Gotteserkenntnis. Sie
v^r'iert sich aber nicht in der Zählung und Sammlung von Eigenschaften
. Darin liegt die grundsätzliche Bedeutung dieses Haupt-
stückcs, das auch im Einzelnen bemerkenwerte Ausführungen
CB" "ker das Vorherwissen Gottes): Gott wird in seiner
"""elthaftigkcit", in seinem Weltoffenbarsein als der eine, allmächtige
, weise und gute Herr verstanden. Und dieser Herr ist der

rcieine Gott. So wahr es nur einen Herrn gibt, so wahr gibt es
"Ur den drei-einen Gott. Der theologische Ternar potentia-sapien-
l'a-benignitas erweist sich in dieser Betrachtung als außerordent-

lCn gutes Werkzeug des Denkens.

c. 5- Abschließende Bemerkungen der Studie sondieren den
C1»flußbcrcich der Theologie Roberts (S. 318-327). Schriftkommentare
und Quästionen der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts
nennen seinen Namen und seine Lehre. Magister Gerardus von
Novara, den Th. Kaeppeli als Verfasser der Summa Vaticana ,,Ne
transgrediaris" erwiesen hat (vgl. Rech. Theol. anc. med. 29 [1962]
294—297), berücksichtigte Sentenzen Roberts. Nachhaltigen Einfluß
übte Robert auf die Summa quaestionum des Maigster
Hubertus (Humbertus) aus, aus der Ü. Horst erstmals umfangreichere
Texte mitteilen konnte. Besitzer und Standort der Handschrift
dieser Summe sind leider immer noch unbekannt. (Vgl.
Jahrb. d. dt. Bibl. 40 [19633] 1281)

Abgesehen von diesen Zeugnissen, die ein deutliches und
positives Echo des Magisters von Melun überliefern, war den
Schriften Roberts keine Fernwirkung auf die Theologie der folgenden
Jahrhunderte beschieden. Sein Sentenzenwerk, das unvollendet
blieb, wurde rasch vom Werk des Petrus Lombardus überrundet
. Als ein großer Ansatz zu einer Summa theologiae haben
aber Roberts Sentenzen zeitlose Gültigkeit. U. Horst hat für die
Geschichte der scholastischen Theologie und für die Dogmatik
gute Arbeit geleistet. Die Waldbergcr Studien der Albertus-Mag-
nus-Akadcmie haben mit dieser Publikation einen guten Anfang
genommen. Dem jungen Gelehrten und der neuen theologischen
Reihe gelten alle guten Wünsche.

Horfium Ludwig Hödl

Fink, Karl August: Die weltgeschichtliche Bedeutung des Konstanzer

Konzils (ZSavRG 82, 1965 S. 1—23).
Sproemberg, Heinrich: Urban II. und das kanonische Recht

(ZSavRG 82, 1965 S. 254-263).

KIHCHENGESCH1CHTE: HEFOHMAT10NSZEIT

Luther-Jahrbuch 1964. Jahrbuch der Luther-Gesellschaft, hrsg. v.
F. Lau. Jg. XXXI. Hamburg: Wittig Verlag 1964. 176 S. 8°. Lw
DM 16.-. ' t

Den 31. Jahrgang des Luther-Jahrbuches 1964 leitet ein Aufsatz
von A. Ernstberger über „drei Nürnberger Reformationsjubiläen
" (S. 9—28) ein, in dem er die hundertjährigen
Jubiläen des Thesenanschlags 1617, des Augsburger Bekenntnisses
1630 und des Augsburger Religionsfriedens von 1655 untersucht.
Das Großartigste dieser Feste war das des Jahres 1617. E. zeigt an
Hand der zahlreich erhaltenen Nürnberger Quellen den großen
Aufwand, der zu dieser Feier getrieben wurde. Eine lange Friedensperiode
lag hinter der blühenden Reichsstadt, die sich nun musikalisch
oder auch in der Vergabe von Münzaufträgen und
dergleichen würdig auf dieses Reformationsjubiläum vorbereitete.
Wenn auch aggresive Gegenstimmen, wohl meist aus jesuitischem
Lager, nicht ausblieben, so war diese sich über mehrere Tage erstreckende
Feierlichkeit sogar für die Stadt Lllm noch das Vorbild.
Ganz anders 1630. Der 30jährige Krieg war in vollem Gange und
die Fronten waren noch keineswegs geklärt. Da jedoch das Kriegsglück
mehr auf der katholischen Seite zu sein schien, befleißigte
sich der Rat einer äußersten Zurückhaltung. Man wollte alles
vermeiden, um den gerade zu dieser Zeit im nahen Regensburg
zusammentreffenden Kurfürstentag und vor allem den Kaiser zu
provozieren. Mit viel Mühe gelang es, auch die umliegende Landschaft
von dieser Vorsichtsmaßregel zu überzeugen, so daß dieses
Jubiläum lediglich als Bettag begangen wurde. Nur die Verlesung
der Confessio Augustana in ihrer vollen Länge zeichnete den
Gottesdienst dieses Tages vor anderen aus. Sieben Jahre nach dem
Westfälischen Frieden fiel das dritte Reformationsjubiläum an, das
wie das vorangegangene auch in aller Stille begangen wurde, bedingt
durch die zurückliegenden schweren Kriegsjahre.

„Luther ordnet seine Kirche" (S. 29—46) überschreibt
H. Li ermann seinen Beitrag. Im Gegensatz zum Politiker
Zwingli und Juristen Calvin lag Luther der Beruf des Organisators,
oder — wie L. es nennt — Gesetzgebers nicht. Die Kirche, die
Luther nicht hat gründen wollen, die aber doch unter seinen
Händen gewachsen ist, steht natürlich in einer bestimmten Raum-
Zcit-Sphärc, die L. als erstes untersucht. Nicht die Anpassung
einer Ordnung an die äußeren Gegebenheiten bietet die Gewähr
für ihre Dauer, sondern es müssen „überzeitliche Werte hinzukommen
, die bleiben, wenn sich die Llmwclt ändert" (S. 30).