Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

119

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 2

120

wartende, den täuferischen Bürgern im Grunde wohlwollende
Haltung deutlich. Man handelt auf den Druck von höherer Seite
hin. Die undifferenzierte Einordnung der Täufer („ketzerische",
„zwinglische" Lehre) wird ebenso deutlich wie das energische Veto
der Täufer gegen die Verwechslung von Wiedertaufe und einer
Taufe „nach cristenlicher Ordnung". In den Freistadter Verantwortungen
steckt ein Stück interessanter Täufertheologie. Die
Variationen im Täufertum — generell wird nur zwischen hartnäckigen
und bußfertigen Täufern unterschieden — entsprechen
den Abstufungen im Strafsystem. Personengeschichtliche sowie
orts- und territorialgeschichtliche Auswertung der Akten würde
eine erstaunlich starke täuferische Komponente im religiösen
Leben Österreichs feststellen. Die Anmerkungen und Register
laden zu solcher Auswertung ein. Auch auf die Festigkeit des
evangelischen Kirchenwesens in der Spätzeit der Reformation um
1570 läßt sich mancher Rückschluß ziehen (etwa Nr. 242, S. 318 ff).
Der sozialen Stellung nach gehören die Täufer überwiegend dem
gehobenen Handwerkerstand an, es fehlen aber nicht Adlige,
Bauern und besonders Ärzte. Das meiste Material stammt aus den
Jahren 1527 bis zur Mitte der dreißiger Jahre. 1548 bis 1570 verstummten
die Quellen völlig. Der Grund dafür ist in den scharfen
kaiserlichen Mandaten zu sehen. Am 19. 1. 1548 untersagt Ferdinand
I. den aus Mähren vertriebenen Wiedertäufern die Einwanderung
in österreichische Lande. Die Quellen seit 1570 beschränken
sich fast ganz auf Steyr. Die Herausgeberin betont
selbst die Notwendigkeit einer Ausgabe aller kirchlich-religiösen
Mandate Ferdinands I. Erst sie würde die ganze Religionspolitik
in ihren Wandlungen, aber auch in ihrer prinzipiellen Geschlossenheit
erkennen lassen. Nur knapp zehn Jahre hat sich das Täufertum
trotz stärkster Bedrängung in der Öffentlichkeit Österreichs
geltend machen können. Man legt das Buch mit der Frage aus der
Hand, was es mit seiner Untergrundexistenz für eine Bewandtnis
haben mag. Einige bis 1625 reichende Zeugnisse beantworten
diese Frage vorläufig nur ganz ausschnittsweise. Zum Schluß sei
der entsagungsvollen Arbeit der Herausgeberin Dank und hoher
Respekt bezeugt. Möchte die Edition weiterhin glücklich vorangehen
!

Kehl/Rhein Friedrich Wilhelm Ka n t zenba ch

Ostarhild, Friedrich: St. Nikolai zu Leipzig. Geschichte des Gotteshauses
und der Gemeinde 1160—1960. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1964]. 116 S., 48 Abb. a. Taf. 8°. Kart. MDN 4.50

Fast 20 Jahre sind es her, daß der Kirchenvorstand von St.
Nikolai — Leipzig seinem damaligen Pfarrer Propst Ostarhild die
Aufgabe stellte, eine Geschichte von St. Nikolai zu schreiben. Es
sollte nicht nur eine Bau- und Kunstgeschichte, sondern eine Geschichte
der Gemeinde und ihrer Pfarrer sein. Eine Fülle von
chronikalischem Stoff hat der Verf. in jahrzehntelanger Arbeit
zusammengetragen, die nur zu einem Teil in dem Büchlein von
knapp 100 Seiten Aufnahme finden konnte. Als wir vor Jahren
das erste Mal die Stadt- und Pfarrkirche von Leipzig betraten, war
es ein Erlebnis besonderer Art, beinahe eine Art Schock: An
einem gotischen Langhaus waren wir vorübergegangen, von
einem wuchtigen romanischen Westwerk her waren wir durch das
Hauptportal eingetreten, um uns plötzlich in einer völlig anderen
Welt, der des Klassizismus wiederzufinden, der, wohl einzig in
dieser Art, das Innere des Gotteshauses prägt, wie es 178 5 beim
großen Umbau durch Baumeister Dauthe und Bürgermeister
Müller entstand. Dieser 800jährigen Baugeschichte der alten
Stadt- und Bürgerkirche Leipzigs — St. Thomas war ursprünglich
Klosterkirche — geht der erste Teil des Buches nach. Er lehrt uns
das heutige Bauwerk verstehen, an welchem älteste romanische
Teile des 12. Jhds. harmonisch verbunden sind mit dem, was
Gotik, Renaissance und Barock zu seiner äußeren Baugcstalt beigetragen
haben. Ergänzend wird eine Schilderung der Bilder in
und von der Kirche gegeben, in der ja besonders Adam Friedrich
Oeser, der Lehrer des jungen Goethe, beim großen Umbau von
1785 sich ein Denkmal gesetzt hat. Anschaulich gemacht wird die
Baugeschichte durch die dem Buch erfreulicherweise beigefügten
48 Abbildungen.

Der 2. Teil, welcher das Leben der Nikolaigemeinde im
Gesamtbild jeder Epoche zu schildern unternimmt, setzt mit dem
Jahrhundert der Reformation ein, die ja in Leipzig erst 15 39

durchgeführt werden konnte. Berühmte Namen tauchen auf, die
enge Verbindung der Kirche mit der Universität wird deutlich,
im Leipziger Konsistorium (1 543-1835) saß der erste Pfarrer von
Nikolai, die Leipziger Superintendenten waren jahrhundertelang
im Wechsel Pfarrer an Thomas und an Nikolai. Eine große, wertvolle
Bibliothek, heute als Leihgabe in der Universitätsbibliothek,
wurde gesammelt. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts teilten
sich Thomas und Nikolai in die Seelsorge der gesamten Stadt, mit
dem Wachsen der Stadt zur Großstadt im 19. und 20. Jahrhundert
wurden dann neue Parochien abgeteilt.

Der 3. Teil schildert Gottesdienst und Kirchenmusik, insbesondere
das Wirken Johann Sebastian Bachs an St. Nikolai,
dessen Pfarrer, der Leipziger Superintendent Salomo Deyling,
während Bachs 27jähriger Amtszeit von 1723 bis 1750 sein Vorgesetzter
war. Neu wird manchem Leser sein, daß der Thomaskantor
— Kantor war die Amtsbezeichnung des 2. Lehrers einer
Lateinschule — an St. Nikolai etwa 100 Kantaten mehr aufgeführt
hat als an St, Thomä. S. 63 f findet sich die genaue Beschreibung
eines Gottesdienstes zur Zeit Bachs. Eine Übersicht über die
Orgeln und die Glocken der Kirche beschließen das Kapitel.

Der 4. Teil schließlich bringt eine Fülle von Nachrichten über
die Diener am Wort an St. Nikolai, angefangen vom ersten evangelischen
Superintendenten Pfeffinger (1540), zugleich Professor
und Dekan der theol. Fakultät, über berühmte Namen wie Harleß
und Ahlfeld bis zur Gegenwart, da St. Nikolai 1948 Ephoralkirche
des Superintendenten von Leipzig-Land wird. Eine chronologische
Liste der Amtsträger an St. Nikolai, Pfarrer, Organisten, Kantoren
, Küster und Gemeindeschwestern beschließt samt einem
Literaturverzeichnis das Büchlein.

Verf. war genötigt, sein ursprünglich rein chronologisch
angelegtes Werk, wohl der besseren Übersicht halber, nach den
o. g. Kapiteln umzugruppieren und die Menge des Stoffes um die
Hälfte zu reduzieren. Das ergab leider an nicht wenigen Stellen
eine Zerreißung der Zusammenhänge und Zusammenstellung von
nicht Zusammengehörigem, so etwa, wenn S. 54 auf eine kurze
Skizzierung der altlutherischen Orthodoxie eine halbe Seite Auszug
aus den Kirchenrechnungen über Oblaten, Wein, Blumen und
Kerzen folgt. Bei einer Neuauflage müßten diese Mängel abgestellt
werden.

Man kann Verf. nur dankbar sein für diesen vielseitigen
Beitrag zur lutherischen, insbesondere Leipziger Kirchenkunde,
dargestellt am Beispiel einer wichtigen, historisch besonders interessanten
Gemeinde der größten lutherischen Landeskirche.

Leipzig Wolfgang Arnold

Elm, Kaspar: Zur Geschichte deutscher Augustiner-Eremitenklöster
(ThRv 61, 1965 Sp. 361—370).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Bonhoeffer, Thomas: Die Gotteslehre des Thomas von Aquin als
Spradiproblem. Tübingen: Mohr 1961. III, 142 S. gr. 8° = Beiträge
zur Historischen Theologie, hrsg. v. G. Ebeling, 32. DM 16.50; Lw-
DM 20.-.

Die vorliegende Zürcher Dissertation stellt keine Spezialuntersuchung
zur Theologie des Thomas dar, sondern den Versuch
einer Gesamtinterpretation seiner Theologischen Summe. Sie
will eine Rückübersetzung seiner Theologie aus der verdinglichen-
den Sprache der Signifikationshermeneutik in die gewissenhaft
„Verantwortung des Daseins der Sachen", durch deren Anspruch
der Anpruch Gottes selbst das Gewissen des Ich trifft, vollziehen
(l 24 f., vgl. 7 ff.). Thomas gibt zu solcher Interpretation
Anlaß, indem er die Theologie als sub ratione Dei zu entfaltende
, auf die heilsbedürftige Natur des Menschen bezogene
Heilslehre versteht (42 f, vgl. 18, 23, 26). Als Lehre von Gott
muß Theologie — wenn sie als Lehre bei ihrer Sache ist (5) — in'
Reden von Gott selbst empfangen haben und so „wesentlich
Wort Gottes selbst 6ein (7). Bei Thomas freilich ist dieser Sachbezug
seiner Lehre auf das Wort Gottes selbst verdeckt, weil er
die Sprache, die seine Lehre sprich«, nicht primär als das Zur-
Sprache-Kommen der Sache selbst versteht, — also Lehre von Gott
nicht ihrer Sache nach als Wort Gottes an das Gewissen, al*