Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Spalte:

114-117

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Walt, Tjaart van der

Titel/Untertitel:

Die koninkryk van God - Naby 1966

Rezensent:

Bertram, Georg

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

113

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 2

114

Wo ist nun der Ort dieses Schreibens zu rinden? Der Verf.
■st bemüht, ihm seinen Platz in der Geschichte des Urchristentums
möglichst genau anzuweisen. Wird Jakobus als Absender genannt,
10 ist diese Angabc glaubwürdig. In Jakobus ist daher kein
anderer als der Herrenbruder zu erkennen (S. 7), der von Jerusalem
aus an judenchristliche Gemeinden in der Diaspora schreibt
'S. Ii). Dabei wird die Möglichkeit offengelassen, daß „das
sprachliche und stilistische Kleid des Briefes von einem griechisch
sprechenden Mitarbeiter" stammt; „diese Annahme hat noch
m'chts mit ,Sekretärshypothese' zu tun" (S. 8). Welche Rolle
diesem Mitarbeiter tatsächlich zugekommen sein sollte, bleibt
allerdings unklar. Die Zeit der Abfassung wird auf „um das Jahr
60 n. Chr." bestimmt (S. 19), also ein wenig von den paulinischen
Hauptbriefen abgerückt und noch zu Lebzeiten des Herrenbruders.
••Wäre der Jak.-Brief erst später abgefaßt, etwa nach 80 oder gar
•W im 2. Jh., dann wäre der fehlende ausdrückliche Rekurs auf
d|e pln. Theologie um so merkwürdiger, da dann ja bereits
Sammlungen der Briefe des Apostels vorlagen und auf sie Bezug
genommen werden konnte" (S. 21). Dieses Argument ist kaum
durchschlagend; zitiert doch auch der Verf. der Acta gleichfalls
irgendwo aus den Paulusbriefen und hat er doch sicherlich erst
Segen Ende des l.Jahrh. sein Werk verfaßt. Einzelne Stücke des
Briefes sucht der Verf. aus der Situation der judenchristlichen
Gemeinden heraus verständlich zu machen, die bestimmt ist „durch
das Auftreten der Judaisten' gegen die Gesetzesfreiheit der
Heidenchristen und ihre Verkündigung durch den Apostel Paulus"
(S. 169). Hier möchte Jakobus als „ein Mann der Vermittlung und
«es Friedens" (S. 173) helfend mit seinem Wort eingreifen, indem
er sich gegen „gesetzliche Rechthaberei gewisser Judenchristen
gegenüber den Heidenchristen" (S. 188) wendet. Ist hiermit die
eine Front bezeichnet, so ist die andere in der Polemik zu ernennen
, die gegen gewisse mißverstandene paulinischc Losungen
gerichtet ist (S. 18 u. ö.).

Wenn der Verf. versucht, den Brief dem Herrenbruder zuzuweisen
und seinen historischen Ort so genau wie möglich zu ermitteln
, so folgt er damit nicht einfach konservativer Exegese,
sondern ist von dem Bestreben geleitet, die theologische Aussage
«es Briefes so scharf wie möglich zu erfassen. Gegen Dibelius wird
mit Nachdruck herausgestellt, daß der Brief sehr wohl eine eigene
Theologie habe (S. 210). Die Polemik von 2, 14—26 richte sich
nicht gegen Paulus selbst, sondern — darin ist dem Verf. sicher
Zuzustimmen — gegen den Mißbrauch halb verstandener pauli-
mscher Schlagworte. Ihnen gegenüber betont der Jak., daß der
Glaube, der in besonderem Maße Vertrauen" ist (S. 135), nicht
ohne Werke (nicht: Werke des Gesetzes!) sein darf. Daher rechtfertigt
nach Jak. „nur ein Glaube, der sich in den Werken der
Liebe als wirklicher Glaube erweist" (S. 150). Damit ist die Position
des Briefes richtig beschrieben. Aber obwohl eingangs erklärt
Wurde, „daß eine billige Harmonisierung zwischen Paulus und
Jakobus nicht möglich ist" (S. 13), wird dann doch gesagt: „Der
'M'ostel Paulus würde diese .Werkfrömmigkeit' ganz gewiß nicht
•Wehnen, da er doch selber gewünscht hat, daß seine Gemeinden
^erreiche Frucht bringen zu jedem guten Werk (2 Kor 9,8;
Ko1 1.10; 2Thess 2,17)" (S. 157). Zweifellos ist Paulus falsch
Erstanden, wenn man einen faulen und trägen Glauben mit Beding
auf ihn vertreten wollte. Aber kann dieses Mißverständnis
'cht besser von der paulinischen Theologie selbst her korrigiert
w^""dcn als durch den Jak., der eben Gen. 15, 6 nun doch in einem
aufzuhebenden Gegensatz zu Paulus auslegt? Mußner ver-
. *«t am Ende doch, Paulus und Jakobus zusammenzubringen,
dem er meint: „Da die paulinischc SoIa-fidc-Lehre immer noch
. em theologischen (und praktischen) Mißverständnis ausgesetzt
lJ^» Ueiot die Rechtfertigungsichre des Jak-Briefes ihr unveraußer-
! " •Gegengewicht', auf das in der Kirche nicht verzichtet
erden kann, soll das Christentum gesund bleiben" (S. 150).
Wie nach dem Urteil des Verf. der Herrenbruder Jakobus ein
au Ausgleich bedachter Mann war, so soll sein Brief auch heute
lr>e Brücke bilden, „auf der Christen und Juden einander bc-
gnen können, auf der aber auch katholische und evangelische
^f'sten miteinander ins Gespräch kommen können" (S. 136).
Jak" cnr'i(-"h und ohne Abstriche auf beide, Paulus sowohl wie
' K°hört, könnte daraus auch ein Weg werden, auf dem die
* "ennten Brüder' sich finden könen" (S. 2 36). Das Bestreben.

auch dem anders urteilenden Gesprächspartner gerecht zu werden
, führt den Verf. dazu, auch Luthers kritische Sicht des Jak.
und seine Frage nach dem Kanon im Kanon eingehend zu würdigen
(S. 42—47). Ausdrücklich wird zugestimmt, wenn nach dem gefragt
wird, „was Christum treibet". Was aber treibt Christum? Im
Gegensatz zu Luther urteilt der Verf., daß auch der Jak. Christum
treibe — und zwar durch seinen Anschluß an die „Überlieferung
der vorösterlichen Predigt Jesu" (S. 108). In diesem Rückgriff auf
die Verkündigung Jesu, vor allem die in der Bergpredigt zusammengefaßten
Sprüche, wird die Mitte der im Jak. vertretenen
Theologie gesehen. Nicht nur Paulus, der den gekreuzigten
Christus verkündigt, sondern auch Jak. treibt also Christum, jeder
auf seine Weise. „Auf beide zu hören, ist notwendig, wenn
Christentum in seinem Wesen und in seiner Fülle begriffen werden
soll" (ebda). „Wer sich die ethischen Forderungen Jesu zu eigen
macht, sie an die Kirche weitervermittelt und sie selbst in ihr laut
erhebt, der .lehret Christus'" (S. 52). „Jesus würde gewiß jeden
Satz des Briefes unterschreiben! Der Jak-Brief .lehret Christum'.
Jak war nicht bloß ,der Bruder des Herrn' dem Fleisch nach, sondern
auch dem Geiste nach" (S. 236). So meint also der Verf. die
Lösung gefunden zu haben, die nicht nur die volle Rehabilitierung
des Jak. erreicht, sondern auch die getrennten christlichen Brüder
wieder zusammenzuführen vermag. Der Jak. wird als ein Dokument
des Urchristentums in Anspruch genommen, von echter
Naherwartung erfüllt, und ist daher keineswegs dem Frühkatholizismus
zuzuweisen (S. 211 Anm. 2).

An diesen Punkten wird erneut deutlich, wie die historische
Standortbestimmung ganz eng mit der theologischen Auswertung
des Briefes zusammenhängt. Aber kann man wirklich sagen, der
Jak. kenne nicht die Verzögerung der Parusie, wo der Brief so
nachdrücklich zum Beharren in der Geduld ermahnen muß (5, 7 ff)?
Und läßt sich die Frage nach dem, was Christum treibet, dahin
abwandeln, daß man die sicherlich vorhandenen Berührungen mit
der Überlieferung der Verkündigung Jesu als ausreichende Antwort
auf diese Frage ansieht? Kann man nach Karfreitag und
Ostern allein durch das Bewahren von Worten des vorösterlichen
Jesus sachgemäß die Christusbotschaft ausrichten? Paulus urteilt
2. Kor. 5. 16 bekanntlich anders, und die Evangelisten haben die
gesamte Jesustradition vom Kerygma her neu interpretiert und
daher gerade im Festhalten am historischen Jesus den gegenwärtigen
Herrn verkündigen wollen. Der Jak. aber verbindet einige
aus der Jesustradition stammende Sprüche mit anderen paränc-
tischen Weisungen, ohne auch nur an einer einzigen Stelle kenntlich
zu machen, daß er sich auf Worte Jesu berufen und dadurch
Christum treiben wolle. Man möchte daher eher mit Bousset,
Dibelius und anderen urteilen, daß der Jak. sich an ein ent-
schränktes Diasporajudentum anschließt, das an manchen Stellen
ohne Bruch in die christliche Kirche übergegangen sein wird.
Werden die Empfänger als die zwölf Stämme in der Zerstreuung
angeredet, so braucht man sie keineswegs notwendig nur unter
Judenchristen zu suchen; der Christenheit, die überall in der Welt
verstreut lebt, soll vielmehr ein Handbuch sittlicher Weisungen
gegeben werden, nach dem sie den Alltag gestalten soll.

Durch die Beschäftigung mit dem Jak., für dessen Exegese
dieser solide und gewissenhaft gearbeitete Kommentar mancherlei
Hilfe bietet, wird der Theologe vor dasselbe Problem gestellt, das
Luther treffend erkannt hat. Die kritische Frage nach dem Kanon
im Kanon aber kann nicht durch ausgleichende Harmonisierung
und vermittelndes Verbinden gegensätzlicher Positionen gelöst
werden. Denn auf dem Felde der neutestamentlichen Theologie
müssen heute wie einst die letzten Entscheidungen in der Auseinandersetzung
mit Paulus gefällt werden.

Wjlt, Tjaart van der: Die Koninkryk van God — nabyl Eksegctiese
Verkennings van die Toekomspcrspekticf van Jesus Christus volgens
die Getuienis van die Sinoptiese Evangelies. Kampen: J. H. Kok
[1962]. VIII, 332 S. gr. 8° = ProefSchrift. Theologische Academic
uitgaande van de Johannes Calvijn Stiditing te Kampen. hfl. 12.50.

Die vorliegende Arbeit in Afrikaans ist eine Dr.-Dissertation
der Theologischen Hochschule in Kampen, Niederlande. Es geht
in dieser Untersuchung um das Problem der Eschatologie, der